
Sehr geehrter Herr Präsident/Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
der Grundstein für Bildungserfolg und Teilhabe wird bereits vor dem ersten
Schultag gelegt, denn nichts ist für Schülerinnen und Schüler frustrierender
und damit schädlicher als vom Tag der Einschulung an hinterherzurennen.
Unwohlsein beim Betreten der Schule, innere Migration, frustabladene
Ausbrüche, Schulverweise und das Verlassen der Schule ohne Abschluss
sind im schlimmsten Fall die Folgen.
„Frühkindliche Bildung schafft elementare Voraussetzungen für
Chancengerechtigkeit, eine erfolgreiche Bildungsbiografie und ein Leben in
Freiheit, Solidarität und Selbstbestimmung.“Dieser Satz stammt nicht etwa
aus dem dieser Debatte zugrundeliegenden SPD-Antrag zur Einsetzung der
Enquetekommission. Nein, vielmehr haben ihn CDU und Grüne vor elf
Monaten in den Zukunftsvertrag geschrieben und damit unterstrichen, dass
Chancengerechtigkeit ein zentraler Baustein unserer Bildungspolitik ist.2
Es ist absolut unstrittig und wissenschaftlich hinreichend belegt, dass
Bildungschancen in Deutschland nach wie vor zu sehr von der sozialen
Herkunft der Kinder abhängen. Genauso ist es unstrittig, dass es sich dabei
um eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung handelt, die nicht allein
von den Lehrerinnen und Lehrern an unseren Schulen gelöst werden kann.
Diese Erkenntnisse sind jedoch keineswegs neu. In der Studie
„Bildungsgerechtigkeit –Herausforderungen für das deutsche
Bildungssystem“aus dem Jahr 2021 führen Christina Anger und Axel
Plünnecke eine Reihe von Handlungsempfehlungen auf, die wir bereits bei
uns in Nordrhein-Westfalen in konkretes Regierungshandeln überführt haben.
Ein zentraler Baustein unserer Politik ist die Stärkung der Familienzentren.
Nur wenn wir die Eltern –gerade auch in sozial benachteiligten Milieus –
mitnehmen, werden wir nachhaltig die Chancengerechtigkeit in der Bildung
erhöhen. Wir haben daher bereits nach wenigen Monaten die Einrichtung von
150 weiteren Familienzentren beschlossen. Werte Kolleginnen und Kollegen,
wir reden nicht nur von Chancengerechtigkeit –wir lassen Taten sprechen.3
Unstrittig ist: Um die Stärken und Schwächen jeder Schülerin und jedes
Schülers zu berücksichtigen, benötigen wir ausreichend Lehrkräfte. Mit dem
Handlungskonzept Unterrichtsversorgung und der Angleichung der
Einstiegsbesoldung unserer Grundschul- und Sek-I-Lehrer wollen und
werden wir mehr junge Menschen für das Lehramt gewinnen.
Meine Damen, meine Herren,
die letzten Ergebnisse des IQB-Bildungstrends und der IGLU-Studie haben
den Handlungsbedarf unterstrichen. Wenn rund ein Viertel aller Grundschüler
in Deutschland die Mindeststandards in Deutsch und Mathe sowie bei der
emotional-sozialen Entwicklung nicht erfüllen und Ausbilder, wie
Hochschullehrer gleichermaßen die Ausbildungsreife der Schulabsolventen
bemängeln, dann müssen wir gerade bei den Basiskompetenzen nachlegen.
Mit der Erhöhung der verbindlichen Lesezeiten um zusätzliche 60 Minuten pro
Woche und der Einführung der digitalen Lernanwendung LeOn zum
kommenden Schuljahr stärken wir diese Schlüsselkompetenz bei uns in
Nordrhein-Westfalen daher nachhaltig. Sie sehen: Wir reden nicht nur über
Chancengerechtigkeit –wir lassen Taten sprechen.4
Werte Kolleginnen und Kollegen,
in unseren Kindern liegt unsere Zukunft. Sie sind es, die die Ideen von Morgen
entwickeln, Geschäfte eröffnen, in unseren Unternehmen, in der Pflege oder
an unseren Schulen arbeiten werden.
Im Jahr 2021 haben Bund und Länder insgesamt 252 Milliarden Euro für
Bildung ausgegeben –das sind 40 Prozent mehr als noch im Jahr 2011. Noch
nie floss so viel Geld in den Bildungsbereich und noch nie wurden unsere
Kinder so lange außerhalb des Elternhauses betreut und beschult. Und trotz
alledem haben sich die Lernergebnisse unserer Schüler in dem Zeitraum
nicht entsprechend verbessert. Der Ruf nach immer mehr Geld, greift zu kurz.
Lassen Sie uns daher die Enquetekommission gemeinsam nutzen, um auch
abseits des politischen Tagesgeschäfts unseren Blick zu schärfen und Fragen
zu stellen:
•Kann ein verpflichtendes letztes Kitajahr die Chancengerechtigkeit
erhöhen?5
•Inwiefern können KI-Technologien zur Bildungsteilhabe beitragen und
einer zunehmend heterogenen Schülerschaft gerecht werden?
•Was für Auswirkungen haben Mentoring-Programme auf den Lernerfolg
und die soziale Kompetenz gerade bei lernschwächeren Schülerinnen
und Schülern?
Oder
•Wie gelingt es uns, die Begeisterung und intrinsische Motivation für
Lernen und Wissen bei allen Schülerinnen und Schülern zu steigern?
Lassen Sie uns gemeinsam und mit wissenschaftlicher Begleitung Antworten
auf diese Fragen finden und Handlungsempfehlungen erarbeiten, wie wir der
Individualität und Einzigartigkeit unserer Schülerinnen und Schüler noch
stärker Rechnung tragen und sie noch unabhängiger von ihrer sozialen
Herkunft fördern und fordern können und damit allen Kindern die Türen für
ein selbstbestimmtes Leben aufreißen.
In diesem Sinne freue ich mich mit meinen Kolleginnen und Kollegen der
CDU-Fraktion auf die vor uns liegende Arbeit in der Enquetekommission und
wünsche uns allen konstruktive und sachliche Beratungen im Sinne unserer
Kinder und im Sinne der Zukunftsfähigkeit unseres Landes.
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