Katharina Gebauer zu TOP 1 "Personalmangel an Kitas - neue Studie veranschaulicht dramatische Situation"

12.03.2020

Sehr geehrter Herr Präsident,
verehrte Kolleginnen und Kollegen,

das wir im Bereich der Kindertageseinrichtungen einen großen Mangel an Personal haben, ist keine neue Erkenntnis sondern das Ergebnis einer jahrelangen, verfehlten Kitapolitik der Vorgängerregierung von Rot-Grün.

Sehenden Auges ist hier versäumt worden, die Rahmenbedingungen für Erzieherinnen und Erzieher zu verbessern, und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass zusätzliche Fachkräfte ausgebildet werden können.

Der Bericht der Landesregierung über das „Arbeitsprogramm zur Kita-Personalgewinnung“ aus dem Januar diesen Jahres führt dazu aus:

„Allein mit Blick auf die demographische Entwicklung und auf die Elternwünsche bei der Betreuung ist absehbar, dass bereits in naher Zukunft ein Bedarf an Personal erreicht wird, dem mit den gegenwärtigen Ausbildungskapazitäten nicht hinreichend begegnet werden kann.“

Ich bin daher froh, dass die Landesregierung bereits im vergangenen Jahr gemeinsam mit den Hochschulen einen wichtigen Schritt getan hat, um zusätzliche Fachkräfte ausbilden zu können.

Durch zusätzliche Lehrkräfte für die Fachschulen für Sozialpädagogik schaffen wir die Voraussetzungen, um zusätzliches Personal ausbilden zu können.

Kurzfristig werden wir allerdings weitere Maßnahmen auf den Weg bringen müssen, um die vereinbarten Betreuungsschlüssel auch in der Realität erfüllen zu können.

Hierzu hat der Kollege Kamieth ja bereits ausgeführt, was die Landesregierung unternommen hat und unternimmt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

nicht erst seit der Einführung des Rechtanspruchs auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr
haben wir in unseren Kindertageseinrichtungen einen Personalengpass gespürt, sondern bereits viel früher.

Und der Bedarf an Erzieherinnen und Erziehern wird weiter steigen.

Die Hauptgründe dafür sind die zuletzt wieder gestiegenen Geburtenzahlen, der weitere Ausbau der Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren und der in Berlin diskutierte Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung auch an den Grundschulen.

Aus meiner eigenen Erfahrung als ausgebildete Erzieherin,
die selbst in verschiedenen Kindertageseinrichtungen gearbeitet hat,
weiß ich ziemlich genau wovon ich da spreche.

Der Erzieherberuf hat stark an Bedeutung gewonnen.

Erzieherinnen und Erzieher leisten extrem wichtige Arbeit.

Sie sind Experten für Bildung, Erziehung und Betreuung.

Sie sind es, die im so wichtigen Kindesalter dabei helfen, die richtigen Weichen zu stellen.

Die Kita ist die erste Stufe im Bildungssystem, auf die alles andere aufbaut.

Trotzdem blieb in der Vergangenheit die gesellschaftliche Anerkennung oftmals aus. Viele sehen Erzieherinnen immer noch als „Basteltante mit Kaffeebecher in der Hand“.

Es schmerzt Pädagogen, dass Teile der Gesellschaft ein solches Bild vor Augen haben – auch weil seit Jahren die Anforderungen an Kita-Mitarbeiter steigen.

Neben der Tätigkeit am Kind gehören viele dokumentarische Arbeiten über die einzelnen Kinder, Elterngespräche und Beratung zu den Aufgaben einer pädagogischen Fachkraft.

Oft müssen Erzieherinnen und Erzieher auch das auffangen, was zu Hause bei den Kindern zu kurz kommt oder komplett verloren geht.

Kein Wunder also, dass viele von der Arbeit in Kitas abgeschreckt sind. Leidtragende sind neben den Erziehern häufig auch die Eltern.

Dabei ist der Beruf der ErzieherIn ein vielseitiger und abwechslungsreicher Beruf, der so viel gibt.

Die Kinder entwickeln sich täglich weiter und machen Fortschritte, deshalb wird der Beruf nicht langweilig.

Erzieherinnen und Erzieher erhalten jeden Tag ein offenes und ehrliches Feedback.

Kinder und Jugendliche nehmen kein Blatt vor den Mund, sondern sagen offen und ehrlich ihre Meinung bzw. zeigen, ob sie einverstanden sind oder nicht.

Dennoch muss der Beruf und die Erzieherausbildung dringend wieder attraktiver werden, um das Angebot an Fachkräften deutlich zu erhöhen.

Da ist zu allererst die anstrengende und langwierige, übrigens unbezahlte Ausbildung.

Erst im Berufspraktikum erhält man ein Gehalt, das in öffentlichen Einrichtungen etwa 1500 Euro Brutto beträgt.

Die Ausbildung dauert in der Regel drei Jahre.

Seit Kurzem gibt es in Nordrhein-Westfalen zudem die Möglichkeit, eine praxisorientierte Ausbildung, kurz: PiA, an der Fachschule für Sozialpädagogik zu absolvieren.

Dabei werden fachtheoretische und fachpraktische Ausbildungszeiten stärker verzahnt.

In der Regel erfolgt dies, indem die im Schnitt drei Jahre dauernde Ausbildung in eine 3-tägige Schulphase sowie eine 2-tägige Praxisphase in der jeweiligen Einrichtung aufgeteilt wird.

Eine strikte Trennung zwischen rein schulischer und praktischer Ausbildung findet nicht mehr statt.

Vielmehr soll ein angehender Erzieher von Beginn an theoretische Inhalte mit der Praxis verbinden können.

Seit 2019 können sich alle angehenden Erzieher, die eine PIA Ausbildung machen, über einheitliche Gehälter freuen.

Finanzielle Anreize im Rahmen der Ausbildung sprechen vor allem auch ältere Bewerber an, die bereits eine andere Ausbildung abgeschlossen haben oder sich beruflich verändern möchten.

Meist kann aufgrund der Lebensumstände nicht mehr auf ein Gehalt verzichtet werden.

Und genau diese Menschen müssen wir auch ansprechen, wenn wir den Mangel an Fachkräften reduzieren wollen.

Aus meiner Sicht ist „PiA“ eine richtige und wichtige Maßnahme, um dem Fachkräftemangel begegnen zu können.

Im neuen KiBiz werden erstmalig auch die Vorbereitungszeiten und die Betreuung von PraktikantInnen im Personalschlüssel berücksichtigt.

Vorher geschah dies oftmals als „goodwill“ der ErzieherInnen.

Manchmal wurde gar nicht ausgebildet.

Weitere Maßnahmen in diesem Bereich müssen und werden folgen.


Meine Damen und Herren,

In diesen Tagen wird es eine erste gemeinsame Bilanzierung, der bisherigen Maßnahmen zur Kita-Personalgewinnung mit allen relevanten Akteuren geben.

Klar ist schon heute:

Das Thema des Fachkräftebedarfs wird alle beteiligten Akteure in den kommenden Jahren intensiv weiter beschäftigen.

Ich bin der Meinung, dass wir wieder mehr Zeit für die Arbeit mit den Kindern brauchen, Zeit um gemeinsam mit den Kindern die Welt zu entdecken. So entlasten wir unser pädagogisches Personal ungemein.

Mit dem neuen Kinderbildungsgesetz haben wir unter anderem die finanziellen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass zusätzliches Personal in den Kitas auch bezahlt werden kann.

Lassen Sie uns nun gemeinsam dafür sorgen auch die Menschen für diesen, wie ich finde, tollen Beruf wieder stärker zu begeistern.