Klaus Voussem zu TOP 1" Jahrhundertflut 2021 – Nordrhein-Westfalen zieht die Lehren aus der Katastrophe"

08.09.2021

Sehr geehrte Frau Präsidentin / sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

viele Bürgerinnen und Bürger,
mit denen ich nach den schrecklichen Schicksalstagen im Juli
in meinem Wahlkreis Euskirchen gesprochen habe,
haben mir gesagt:
„Wir haben so ein großes Unheil nicht kommen sehen.“

Es sind die persönlichen Schicksale hinter den Zahlen,
die betroffen machen.
Fernsehen und soziale Medien können davon
nur einen sehr geringen Teil abbilden.

Wenn man seine Heimat kennt und liebt wie ich es tue,
dann erfüllt es einen mit großem Schmerz,
wenn man sieht, was hier einmal war und
nun nicht mehr da ist,
weil es von den Fluten weggerissen worden ist.

Da ist die kleine Pizzeria um die Ecke,
wo die freundliche Inhaberin ertrunken ist.

Da ist die junge Familie,
die eine alte Mühle an einem Seitenarm der Ahr wiederhergerichtet hat.
Sie hatte die Auflage, mindestens 1 Meter vierzig hoch zu bauen,
um sicher vor dem Hochwasser zu sein.

Das Wasser stieg auf mehr als das Doppelte an,
die Familie konnte sich gerade so noch retten.

Ich könnte ihnen noch viel mehr solcher Schicksale erzählen,
die hinter den Zahlen stehen.

Wir trauern in NRW um 48 Menschen,
die bei dieser Katastrophe ihre Leben verloren haben.

 

Hinzu kommen die Schicksale tausender Betroffener,
deren Leiden derzeit noch viel zu oft unerkannt bleibt

und noch nicht absehbare psychische Langzeitfolgen.

Nicht nur zahlreiche Privathäuser und Wohnungen,
sondern auch die öffentliche Infrastruktur ist massiv betroffen.
Straßen- und Brücken wurden erheblich beschädigt, Leitungsnetze für Strom, Gas und Telekommunikation zerstört.

Malerische Ortskerne in Bad Münstereifel und Gemünd sind nicht wiederzuerkennen, weil die Flut alles mitgerissen hat.

Was uns Menschen im Kreis Euskirchen Hoffnung gegeben hat,
war die außerordentlich große Hilfsbereitschaft und Solidarität,
die wir erfahren durften.

Ich glaube, sagen zu können,
dass dies nicht nur für den Kreis Euskirchen gilt,
sondern für alle Hochwassergebiete.
Hier hat sich ganz NRW solidarisch gezeigt.
Aus allen Teilen des Landes sind als Helfer
Feuerwehren, THW, Rotes Kreuz, Malteser und andere Hilfsorganisationen
in die Hochwassergebiete geeilt.
Auch die Bundeswehr hat tatkräftig unterstützt.

Hierfür gilt allen –
ebenso wie den unzähligen privaten Helferinnen und Helfern –
unser tief empfundener Dank!


Meine Damen und Herren,
Bund und Land haben rund 300 Millionen Euro an Soforthilfen bereitgestellt,
um den Menschen Hoffnung zu geben und
sie mit dem Nötigsten auszustatten.
Viele Menschen besaßen nur noch die Kleidung, die sie trugen,
als sie vor den Wassermassen fliehen mussten.

Die Vertreter unserer Landesregierung waren sofort zur Stelle
als die Not am größten war und
stand Seite an Seite
mit den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern.
Sie haben die Menschen in diesen dunklen Tagen nicht alleine gelassen.

Das sollte unser Ansporn sein beim nun anstehenden Wiederaufbau:

Den Menschen die Angst zu nehmen. Bleibt wachsam – aber habt keine Angst.

Medizinische Versorgung, Strom, Trinkwasser, Abwasser- und Abfallentsorgung, Heizung und funktionierende Telekommunikation sind lebensnotwendig und müssen als Erstes aufgebaut werden.

Denn die Zeit drängt: Wir haben September und der Winter naht.

Was den Betroffenen droht, wenn sie ohne funktionierende Heizung den Winter überstehen sollen, brauche ich hier wohl nicht auszuführen. Hier darf sie der Staat nicht alleine mit ihren Problemen lassen.

Denn Geld alleine baut das Zerstörte nicht wieder auf, ebenso wenig wie es Wärme spendet.
Daher muss der Aufbau der Grundversorgung schnell und unbürokratisch geschehen.

Hierzu ist es notwendig, zu prüfen, ob öffentliche Beteiligungsverfahren ausgesetzt oder verkürzt werden können. An der Bürokratie soll und darf! der Wiederaufbau nicht scheitern.
Das bedeutet auch, dass Politik und Verwaltung nicht so weiter machen können wie bisher.

In einem nächsten Schritt müssen wir klimaresilient und zukunftsorientiert wiederaufbauen.

Durch die Katastrophe wissen wir jetzt, welche Gebiete im Bereich um die Flüsse besonders gefährdet und damit besonders schutzbedürftig sind.
Dem Hochwasserschutz muss zukünftig eine höhere Priorität eingeräumt werden, hinter der notfalls auch Eigentumsfragen oder
naturschutzrechtliche Belange im Einzelfall zurücktreten müssen.

Hier müssen wir Maßnahmen ergreifen, um die Folgen von Hochwasser abzumildern.

Wir müssen in den zerstörten Gebieten aber auch die Chancen ergreifen, die sich nun bieten.
Damit meine ich das konsequente Nutzen von zukunftsfähiger Technologie.

Dazu gehört der Ausbau von 5G und Glasfasernetzen ebenso wie eine CO2-freie Strom- und Wärmeversorgung.

Wir müssen in jeden betroffenen Ort Glasfaser legen, sonst verschieben wir die Digitalisierung nur, anstatt sie voranzutreiben.

Wir können den Menschen nicht zumuten, wieder auf alte Technologien zu setzen,
sie damit abzuspeisen,
sondern wir wollen die Zukunft in die Orte bringen.

Das ist auch ein Zeichen an die Betroffenen: Wir investieren vor Ort und bauen Euren Lebensraum wieder auf.

Das spendet Hoffnung in diesen schweren Zeiten und ist ein starker Fingerzeig auf eine gute Zukunft.

Denn was war, das kann leider niemand mehr ändern.
Was sein wird,
können wir bestimmen.
Lassen Sie es uns gemeinsam anpacken!

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

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