Klaus Voussem zu TOP 2 „Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen“

08.10.2025

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

heute beraten wir über eine Änderung, die auf den ersten Blick unscheinbar wirkt –
und doch eine große demokratische Weichenstellung bedeutet:
In Artikel 31 Absatz 2 unserer Landesverfassung soll die Zahl 18 durch die Zahl 16 ersetzt werden.
Hinter dieser nüchternen Formulierung verbirgt sich eine Grundsatzfrage:
Wie binden wir junge Menschen in Nordrhein-Westfalen künftig in unsere demokratischen Prozesse ein?
Warum dieser Schritt richtig ist:
Wir leben in herausfordernden Zeiten – politisch, gesellschaftlich, wirtschaftlich.
Gerade deshalb ist es entscheidend, junge Menschen frühzeitig an die Demokratie heranzuführen.
Das Wahlrecht ist nicht nur ein Recht, es ist auch eine Schule der Demokratie.

Damit Demokratie funktioniert, muss jede Generation lernen, Verantwortung zu übernehmen.
Die Fakten sprechen für sich:
94 Prozent der 14- bis 18-Jährigen in Nordrhein-Westfalen haben laut Demokratiebericht eine positive Einstellung zur Demokratie.
Sie engagieren sich in Jugendverbänden, Parteien und Vereinen.
Sie diskutieren, bringen Ideen ein, mischen sich ein.
Es ist daher nur folgerichtig, ihnen auch die Möglichkeit zu geben, das Parlament ihres Landes mitzubestimmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Demokratie lebt von Beteiligung. Studien zeigen:
Wer früh in politische Prozesse einbezogen wird, entwickelt eine stärkere Bindung zur Demokratie.
Wer einmal gewählt hat, wählt mit größerer Wahrscheinlichkeit auch künftig.
Wenn diese erste Wahl in eine Lebensphase fällt,
in der junge Menschen noch durch Schule und Elternhaus begleitet werden, entstehen nachhaltige, positive Effekte.

Wir als Land tragen Verantwortung, diesen Prozess zu unterstützen. 
Deshalb ist die politische Bildung bewusst von Sparmaßnahmen ausgenommen – ein klares Signal,
dass Demokratiebildung für uns nicht verhandelbar ist.
Wir wollen, dass das Wahlalter 16 ein Erfolg wird.
Wer Jugendlichen dennoch die Reife abspricht, übersieht, dass wir sie nicht alleinlassen:
Wir geben ihnen Werkzeuge, Wissen und Räume, damit sie ihre Entscheidung verantwortungsvoll treffen können.

Der Blick über die Grenzen bestärkt uns.

Ein Blick nach Österreich zeigt:
Seit 2007 wählen dort Jugendliche ab 16 – ohne negative Erfahrungen.
In sieben deutschen Bundesländern ist dies längst Realität.

Die Erfahrungen sind eindeutig:
Junge Menschen nehmen ihr Wahlrecht ernst.
Sie wählen reflektiert, informiert und in großer Mehrheit demokratisch.

Und auch bei uns in Nordrhein-Westfalen ist das kein Neuland:
Auf kommunaler Ebene dürfen Jugendliche schon lange ab 16 wählen.
Die Praxis hat sich bewährt.


Das ist ein Vertrauensvotum in die junge Generation:

Diese Verfassungsänderung ist mehr als eine Zahl.
Sie ist ein Vertrauensvotum in eine junge Generation,
die unsere Zukunft prägen wird.

In einer Zeit, in der Demokratie unter Druck steht – von Populismus, Fake News und Gleichgültigkeit –,
senden wir ein klares Signal:

Wir erweitern demokratische Teilhabe.
Wir stärken politische Bildung.
Und
wir machen deutlich:
Die Demokratie lebt davon, dass alle mitgestalten –
nicht erst irgendwann, sondern von Anfang an.

Der große Staatsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde  sagte:

„Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“

Eines dieser Fundamente ist das Vertrauen in die nächste Generation.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

mit dieser Verfassungsänderung schaffen wir keine neue Mode, sondern schließen eine Lücke.

Wir öffnen die Tür für junge Menschen, Verantwortung zu übernehmen – für sich, für ihre Gemeinschaft, für unser Land.

Darum stimmen wir der Überweisung in den Ausschuss zu – in dem Wissen,
dass wir hier heute einen wichtigen Schritt für die Zukunft unseres demokratischen Gemeinwesens gehen.

Vielen Dank.

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