Klimaschutz ist eine globale Gerechtigkeitsfrage- NRW muss entschieden gegen den Klimawandel vorgehen

16.11.2017
Jochen Ritter MdL zu TOP 4

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

zu den Gegenständen des Antrags ist bereits gestern und auch heute schon vieles gesagt worden, insofern kann ich mich kurz halten etwa insofern, dass ich mich der Zustimmung zu den Inhalten der ersten beiden Teile, wie sie bisher nahezu unisono zu vernehmen war, i. W. anschließe.

Keine ungeteilte Zustimmung beim nächsten Passus:
Ja, NRW ist einwohnerreich und energieintensiv. Deshalb kann es sich auch in diesem Kontext nicht lediglich auf sich selbst beschränken, sondern soll eine dementsprechende Rolle in Berlin und in Teilen auch über die nationalen Grenzen hinaus spielen. So ist es in der NRW-Koalition verabredet, und so agiert die Landesregierung, Lutz Lienenkämper und Christof Rasche haben das gestern pointiert ausgeführt, dazu bedarf es der Aufforderung in dem Antrag nicht und auch keines Hinweises der SPD. Ich kann mich nicht erinnern, dass die ehemalige Ministerpräsidentin Kraft in den vergangenen sieben Jahren das Gewicht von NRW ähnlich energisch in die bundespolitische Waagschale geworfen hätte wie Ministerpräsident Armin Laschet das seit einem halben Jahr tut.

Und nein, diese Koalition trägt den Klimaschutz anders als unterstellt nicht lediglich auf der Zunge, sie hat ihre Vorstellungen vertraglich fixiert und stellt konsequenterweise sicher, dass mehr als ausreichende Beiträge dazu geliefert werden, der Grad der Zielerreichung ist auch schon ausgiebig erörtert worden.

So gesehen wäre es also nicht unbedingt erforderlich, sich hier und heute über zusätzliche Maßnahme auseinanderzusetzen. Die Weltklimakonferenz, auf die sich der Antragsteller bezieht, kommt als Anlass in Betracht, nichtsdestotrotz darüber nachzudenken.

Die COP23 bietet mehr als nur Show oder - Christina Schulze Föcking hat es gestern bereits erwähnt - als nur prominent besetzte Empfänge, und selbst dabei - das Missverständnis ist ja am Vortag hier artikuliert worden - geht es weniger um Musik und Buffet, sondern darum, miteinander ins Gespräch zu kommen und idealerweise voneinander zu lernen, Bereitschaft und Fähigkeit dazu vorausgesetzt. Wer sich darauf einlässt, was dort zur Sprache kommt, dessen Horizont läuft nicht Gefahr, kleiner zu werden; denn die Teilnehmer führen in beeindruckender Weise Gesichtspunkte vor Augen, die helfen, das Bild zu vervollständigen und zu aktualisieren.

Und zwar mit Verlaub - um auf den vorliegenden Antrag zurückzukommen - mehr als dieser, vor allem in dem Teil, in dem er allmählich konkret wird und schließlich in Forderungen mündet.

Und hier gehen nach anfänglicher Übereinstimmung unsere Vorstellungen dann doch auseinander:
die angesprochenen Punkte bzw. vorgeschlagenen Maßnahmen werden weder dem Spektrum der Heraus-forderungen, die im Zusammenhang mit Klimaschutz zu bewältigen sind, gerecht, noch kommen neue, erfolgversprechende Aspekte zur Sprache.

Aus Zeitgründen beschränke ich mich auf einige wenige Angelegenheiten, zu denen ich persönlich einen Bezug habe, und illustriere anhand derer die Schwierigkeiten, die wir mit der zweiten Hälfte des Antrags haben.

So ist anders als vorgetragen weder der von Ihnen beschlossene Landesentwicklungsplan zukunftsfähig noch der Ausbau der erneuerbaren Energien so wie von Ihnen in den letzten Jahren politisch begleitet, menschenverträglich, wie Sie es ausdrücken.

Im Gegenteil haben Sie damit insbesondere dem ländlichen Raum die Zukunft genommen und den LEP als Vehikel missbraucht, um ihn jedenfalls in Teilen über Gebühr bzw. einseitig mit Windrädern zu beaufschlagen, ohne dass die nötige Netzinfrastruktur vorhanden wäre.

Diese kommt in Ihrem Antrag immer auch erst an zweiter Stelle, umgekehrt würde ein Schuh daraus.

Damit haben Sie die ursprüngliche Akzeptanz in der Bevölkerung jedenfalls auf dem Land weitgehend zunichte gemacht und die Erfolgsaussichten des vorgeschlagenen weiteren Zubaus minimiert. Der ländliche Raum hat im Übrigen mehr zu bieten als einige windhöffige Bergkuppen, um mal ein Beispiel zu nennen, Herr Stinka, nicht von ungefähr führte gestern eine Exkursion im Rahmen der Weltklimakonferenz in meinen Wahlkreis Olpe, um sich an der Biggetalsperre und einem Pumpspeicherkraftwerk über die Möglichkeiten der Gewinnung bzw. Speicherung von Energie unter Inanspruchnahme von Wasserkraft ein Bild zu machen. Wir brauchen nicht auf Innovation City schauen, wir sind Innovation Country, besser gesagt Tradition Country, denn diese Art Energiegewinnung und -speicherung gibt es bei uns seit Jahrzehnten.

Das Ihrem Antrag zufolge aufrecht zu erhaltende Tariftreue- und Vergabegesetz führt in der Theorie dazu, dass Interessenten für öffentliche Aufträge in ökologischer und sozialer Hinsicht Verantwortung übernehmen, in der Praxis arbeiten sie oft lediglich wirkungslose Bürokratie ab oder noch schlimmer bleiben dem Wettbewerb gleich ganz fern.

Was Gesetze wie dieses tatsächlich bewirken, lässt sich an der wirtschaftlichen Entwicklung von NRW in den Jahren verfolgen, in denen Sie Verantwortung getragen haben: es ging abwärts bis auf den letzten Platz im Vergleich der Bundesländer.

Und schließlich die apodiktische Forderung nach einem ebenso kurzfristigen wie weitreichenden Kohleausstieg, als wenn es im Abkommen von Paris ausdrücklich - wenn nicht ausschließlich - darum und nicht zumindest in Teilen technologieoffen um die Vermeidung von CO2 i. A. ginge.

Wer beim Ersatz konventioneller Kraftwerkskapazitäten durch Anlagen zur Gewinnung von Energie aus erneuer-baren Quellen schlicht absolute Angaben über jährlich erzeugte Mengen saldiert, springt zu kurz; denn dabei stellen sich insbesondere im Zusammenhang mit industrieller Produktion weitere Fragen u. a. hinsichtlich Zuverlässigkeit und Bezahlbarkeit, auch dazu ist bereits das Nötige gesagt worden.

Ergänzend noch dies: Soweit Kraftwerke, die entsprechend ihrer Genehmigung betrieben werden, von jetzt auf gleich abgeschaltet werden sollen, kommt das im Übrigen unter Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht ohne Weiteres in Betracht. Technisch sollten solche Schritte im Hinblick auf die vom Antragsteller damit angestrebte Planungssicherheit - das ist das von Ihnen verwandte Stichwort - allenfalls in einer Größenordnung und auf eine Art und Weise erfolgen, die hier bereits ansässige oder auswärtige, investitionswillige Unternehmen nicht veranlassen, ihre Zukunft sicherheitshalber woanders zu planen als in einem Land, das sich erheblichen Risiken bei der Energieversorgung aussetzt.

Kurzum: unsere Vorstellungen von der energetischen und damit auch klimatischen Zukunft unseres Landes decken sich bei näher Betrachtung in weiten Teilen nicht mit dem, was hier und heute konkret vorgeschlagen wird: zu undifferenziert, zu wenig Innovation und nicht zuletzt nach wie vor zu viel Dirigismus; denn wir wollen das Klima mit den Menschen schützen, nicht gegen sie.