Prof. Dr. Thomas Sternberg, kulturpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion
Das Kulturfördergesetz von SPD und Grünen spiegelt den kulturpolitischen Stillstand in Nordrhein-Westfalen. Es zählt die Aufgaben von Kulturpolitik auf und beschreibt die derzeitige Fördersituation. Innovative Anstöße für den Bereich von Kunst und Kultur werden durch das Gesetz nicht gegeben. In Bezug auf das komplexe Bibliothekswesen gibt es im Kulturfördergesetz eine Lücke. Es findet sich keine zusammenhängende Konzeption. Und der Bereich der Hochschul-bibliotheken als einer der Kernbereiche des Bibliothekswesens bleibt ganz ausgeklam-mert. Dieses kulturpolitische Desiderat soll durch das Landesbibliotheksgesetz beseitigt werden. Die Aufgaben der Öffentlichen Bibliotheken werden hier erstmals gesetzlich gere-gelt. Ihre Tätigkeiten können dadurch nicht mehr von den jeweiligen Trägern untersagt werden. Auch erhalten die Bibliotheken Spielräume für eine autonome Entwicklung. Zudem werden wissenschaftliche Bibliotheken in das landesweite System der bibliothekarischen Versorgung mit einbezogen.
Schließlich wird das aus den frühen neunziger Jahren stammende Konzept der kooperativ arbeitenden Landesbibliothek mit Blick auf aktuelle Herausforderungen weiterentwickelt. Bibliotheken sind Bildungseinrichtungen. Sie stärken die Lese-, Informations- und Medi-enkompetenz. Sie unterstützen das lebenslange Lernen. Durch eigene Angebote und durch die Zusammenarbeit mit anderen Bildungseinrichtungen bieten sie den Bürgerin-nen und Bürgern den Zugang zu Wissen und Information. Gerade für Menschen aus sozial schwächeren Schichten sind sie oft die einzige Bezugsquelle von qualitativ hochwertiger Literatur. Auch für die Leseförderung von Flüchtlingen können die öffentlichen Bibliotheken einen wertvollen Beitrag leisten. Der Gesetzentwurf betont ausdrücklich die Notwendigkeit von Leseförderung in unserer von digitalen Medien bestimmten Gesellschaft:
Durch kleinere parallele Änderungen im Kinderbildungsgesetz (KiBiz) und im Schulgesetz wird der frühe Zugang zu Büchern und der kompetente Umgang mit analogen und digitalen Medien herausgestellt. Zudem eröffnet der Gesetzentwurf Kommunen durch Modellprojekte die Möglichkeit, ihre Bibliotheken zu sogenannten „Dritten Orten“ weiterzuentwickeln. Diese integrativen Zen-tren können neben der traditionellen Bibliothek weitere Kultur-, Freizeit- und Begeg-nungsangebote für die Bevölkerung bereitstellen. In Zeiten, in denen die Informationen in den digitalen Medien geradezu ungefiltert auf die Bürgerinnen und Bürger einströ-men, gibt es ein Bedürfnis der Gesellschaft nach qualitativ ausgewogenen Informations- und Wissensangeboten, nach argumentativen Diskussionen und Auseinandersetzun-gen. In dieser Hinsicht können die Bibliotheken als „Dritte Orte“ auch einen wichtigen Beitrag zur politischen Bildung leisten.
Die Bibliotheken in Nordrhein-Westfalen dienen aber auch dem kulturellen Erbe der Ge-sellschaft. Es gehört zu ihren Aufgaben, wertvolle Altbestände wissenschaftlich zu bear-beiten, sie für den öffentlichen Gebrauch zu erhalten und zu schützen durch sachge-rechte Aufbewahrung und Erschließung sowie durch Konservierung, Restaurierung und Digitalisierung. Den Zugang zu diesen Informationen bieten uns die Bibliotheken. Sie sind ein wichtiges Element der kulturellen Bildung unserer Gesellschaft. Sie sind ihr Ge-dächtnis. Ein Gedächtnis, das uns auch Wege in die Zukunft aufweist. Eine Aufgabe der Politik ist es, dieses Gedächtnis zu bewahren und zu sichern. Durch die Komplexität und Vielfalt der bibliotheksbezogenen Förderprogramme und digi-talen Medien benötigen gerade kleinere öffentliche Bibliotheken professionelle Beratung und Betreuung vor allem bei Fragen von Technik und Lizensierung. Der alleinige Ansprechpartner für diese Themen wird künftig die beim Hochschulbibliothekszentrum anzusiedelnde Fachstelle für öffentliche Bibliotheken sein.
Die Bibliotheken werden dadurch verwaltungstechnisch entlastet. Bedingt durch den digitalen Wandel verlieren Teile des gedruckten Bibliotheksbestandes für die regelmäßige Benutzung an Bedeutung. Zudem werden gerade an den Hochschu-len Bibliotheken zu medialen Lern- und Kompetenzzentren umgebaut. Als Folge dieser Entwicklung werden für die Nutzung vor Ort größere Mengen an Literatur entbehrlich. So meldet die Deutsche Bibliotheksstatistik allein für die Hochschulbibliotheken in Nord-rhein-Westfalen eine Aussonderung von fast 400.000 Bänden im Jahr 2014. Um einer-seits ältere und vor Ort entbehrliche Literatur als kulturelles Erbe zu erhalten, zum anderen die Umsetzung neuer Raum- und Nutzungskonzepte in den Bibliotheken zu fördern, soll eine Landesspeicherbibliothek errichtet werden. Soweit es urheberrechtlich zulässig ist, können die dort vorhandenen Bestände digitalisiert und über das Internet allgemein zugänglich gemacht werden. Die Landesspeicherbibliothek soll für alle Bibliotheken in Nordrhein-Westfalen zuständig sein. Der Gesetzentwurf fordert die Landesregierung auf, eine solche Speicherbibliothek zu planen.
Damit die Bibliotheken ihre Aufgaben besser wahrnehmen können, sind zusätzliche Fördermittel des Landes notwendig. Zur Förderung der Öffentlichen Bibliotheken soll das derzeit bei rund 6 Mio. Euro im Jahr liegende Fördervolumen (Kapitel 07 050, Titelgruppe 67) auf 10 Mio. Euro erhöht werden. Anhang: NRW-Bibliotheken in Zahlen Mit ihren mehr als 42 Millionen Besuchern im Jahr haben die Bibliotheken in Nordrhein-Westfalen mehr Besucher als die 1. und 2. Bundesliga (18 Millionen pro Saison) und auch deutlich mehr als jede andere Kultureinrichtung im Land. In Nordrhein-Westfalen gibt es knapp 270 Öffentliche Bibliotheken in Trägerschaft der Kommunen und mehr als 1200 in kirchlicher Trägerschaft und mehr als 30 Hochschulbibliotheken.
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