Margret Voßeler MdL zu TOP 10

11.07.2018
Intersexuelle Menschen nicht länger pathologisieren

Herr Präsident, Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Intersexualität bezeichnet unterschiedliche Formen der Uneindeutigkeit der Geschlechtszugehörigkeit eines Menschen. Wir zählen jährlich etwa 150 bis 340 Personen in Deutschland, die so das Licht der Welt erblicken.

Schon die Spannbreite von 150 bis 340 Personen zeigt, welchen Nachholbedarf wir bei diesem Thema haben; denn in einem Land wie Deutschland, in dem jedes Detail statistisch erfasst wird, ist es nahezu unvorstellbar, dass darüber keine klareren Zahlen vorliegen. Auch deswegen ist es gut, dass wir heute über dieses Thema sprechen.

Das Grundgesetz spricht ganz klar davon, dass allen Menschen unabhängig von ihren körperlichen, geistigen und sonstigen Eigenschaften dieselben Grundrechte zustehen. Natürlich haben intersexuelle Menschen das Menschenrecht auf Nichtdiskriminierung. Natürlich haben sie das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Gesundheit. Und sie haben – das ist ganz wichtig – ein Selbstbestimmungsrecht, das über dem Elternrecht steht.

Sie haben das Recht, zu entscheiden, wer und wie sie sein möchten. Diese Entscheidung darf ihnen von niemandem genommen werden, nicht von ihren Eltern und auch nicht von der Politik.

Diese Menschen müssen ihr ganzes Leben mit den Entscheidungen, die sie treffen, leben. Das gilt insbesondere für diejenigen, die in einem Körper leben, der ohne gesundheitliche Relevanz und aus einem vermeintlich ästhetischen Ideal heraus im frühen Kindesalter operativ verändert wurde. Deswegen müssen wir aufpassen, dass wir diese Menschen nicht wieder in Kategorien zwängen und ihnen nicht wieder eine Sonderrolle abseits einer wie auch immer gearteten Norm zuweisen.

Nun mag bei intersexuellen Menschen die Eindeutigkeit der Geschlechtszugehörigkeit aus medizinischer Sicht umstritten sein. Niemals darf jedoch ihre Zugehörigkeit zu unserer Gesellschaft und damit der Anspruch auf die universellen Grundrechte infrage gestellt werden.

Intersexuelle Menschen sind Menschen, die nicht in das medizinische und rechtliche Konstrukt zweier abgrenzbarer Geschlechter passen, die also weder klar als männlich noch klar als weiblich definierbar sind. Diese Menschen können gängigen Geschlechternormen nicht zugeordnet werden; aber sie teilen mit uns die wohl zentrale und wichtigste Eigenschaft: Wir alle sind Teil dieser Gesellschaft. Das sollte sich auch im täglichen Leben widerspiegeln.

Nun zu Ihrem Antrag:

Ihre Forderung, die Landesregierung dazu auffordern, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2017 Rechnung getragen wird, ist aus unserer Beobachtung überflüssig. Der seit Juni im Umlauf befindliche Referentenentwurf des „Gesetzes zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben“ setzt die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus unserer Sicht eins zu eins um. Insofern halten wir die Befassung des Themas durch den Bund aufgrund des zeitlichen Drucks für zielführend und dort auch gut aufgehoben.

Hierüber und auch über die anderen Forderungen Ihres Antrages, die vielen des Deutschen Ethikrates aus seiner Stellungnahme zum Thema „Intersexualität“ aus dem Jahr 2012 ähneln, können wir gerne im Ausschuss diskutieren. Der Überweisung stimmen wir selbstverständlich zu.