Margret Voßeler MdL zur aktuellen Stunde

13.07.2018
Erst wird der Bock zum Gärtner gemacht, anschließend löscht man unangenehme Informationen auf Facebook

Herr Präsident / Frau Präsidentin!
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrte Damen und Herren!

Sie haben nun in sieben Minuten, lieber Kollege … Ihren Kernpunkt weder adäquat noch überzeugend rüberbringen können und konnten es bereits in Ihrem Antrag nicht, der sechs Fußnoten und einen sperrigen, 35 Wörter umfassenden Titel enthält. Mit meinem landwirtschaftlichen Hintergrund möchte ich daher zunächst in Ihrem sprachlichen Bild vom Bock und dem Gärtner bleiben. Die von Ihnen verwendete Redewendung geht ursprünglich auf barocke Darstellungen zurück, auf denen Böcke zu sehen sind, die an jungen Trieben von Parkanlagen knabbern – also das Leben in der Natur im Keim ersticken. Diese Redensart ist bereits ein Widerspruch in sich, er ist nicht fruchtbar und dasselbe gilt für Ihr Anliegen!

Zur Kommunikationsstrategie der Landesregierung wird sich sicher der Minister äußern. Aber nun zum geförderten Projekt selbst: Die JuMu Deutschland existiert seit Ende 2016 und ist eine gemeinnützige GmbH bestehend aus zwei jüdischen und zwei muslimischen Organisationen als Gesellschaftern.

JuMu zählt zwölf jüdische Gemeinden zu seinen Partnern und acht jüdische Organisationen – das allein spricht schon für sich. Juden, Muslime osteuropäische und nordafrikanische Zuwanderer führen gemeinsam Erziehungs- Bildungs- und Integrationsmaßnahmen in Form von Projekten und Workshops in der Jugend- und Sozialarbeit durch, die sowohl die Prävention als auch die Dialogarbeit zum Ziel haben. Dadurch wird dem leider erstarkenden Antisemitismus die Stirn geboten und unsere – in der Bundesrepublik so wichtige – Erinnerungskultur gefördert.

Der Begriff des Antisemitismus ist im eigentlichen Sinne sehr ungenau, weil sich semitisch auf die Sprachfamilie bezieht, zu der beispielsweise auch das Arabische zählt. Dennoch hat er sich für die Beschreibung der Diskriminierung von Juden und die politische Hetze gegen Juden international durchgesetzt. Genau dieser Agitation und Ungerechtigkeit wird und soll mit der erstmaligen finanziellen Unterstützung der Landesregierung auch weiterhin entgegengewirkt werden.
Der Bedarf ist da:
- im vergangenen Jahr wurden 324 antisemitische Straftaten allein in NRW angezeigt, das sind neun Prozent mehr als im Vorjahr und die Dunkelziffer liegt leider noch deutlich höher

- außerdem ist die Nachfrage der Schulen und Berufskollegs sehr groß und gerade das Format, bei dem eine Jüdin bzw. ein Jude und eine Muslima bzw. ein Muslim gemeinsam in Schulklassen gehen und Fragen über ihr alltägliches Leben und ihre jeweilige Religion beantworten und so mit hartnäckigen Vorurteilen aufräumen können, bekam eine sehr positive Resonanz seitens der Schülerinnen und Schüler.

Dass ausgerechnet Ihre Fraktion sich beim Thema Maßnahmen und Projekte gegen Antisemitismus so prominent zu Wort meldet, ist wirklich mehr als ironisch, ja sogar zynisch. Was für Lösungsansätze hat Ihre Fraktion? Warum hat Ihre Fraktion nicht die Dringlichkeit gesehen, die Initiative ergriffen und einen Antrag zum Antisemitismus-Beauftragten gestellt? Alle anderen Fraktionen kamen auf diese Idee.
Sie nicht. Vielleicht, weil sie zu der Partei gehören, die die Shoah nur als „einen Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte sieht…

Der Psychologe und Islamexperte Ahmad Mansour, der im Übrigen vor zehn Tagen an dem von unserer Fraktion initiierten und ausgerichteten Werkstattgespräch zum Thema „Antisemitismus - Herausforderungen, Ursprung, Prävention“ einen Vortrag hielt, sagte, dass wir „ganz neue Narrative“ schaffen müssten, um dem offenen Antisemitismus gerade im Hinblick auf illiberale Muslime zu begegnen. Und eine solche Möglichkeit bieten eben die Projekte der gemeinnützigen GmbH JuMu. Unserer Fraktionsvorsitzender Bodo Löttgen hat im Juni-Plenum zu einem anderen Thema gesagt, es sei besser „miteinander zu sprechen […] als gegeneinander zu schweigen“ und so sehe ich das – gerade bezogen auf die Kooperation zwischen Juden und Muslimen; und nicht zu vergessen Christen – auch.

Wir hätten hier im Plenum zu diesem Randthema Ihrer Überschrift allerdings keine Aktuelle Stunde gebraucht, lieber Kollege Keith und Fraktion. Eine Kleine Anfrage an die Landesregierung wäre hier der richtige Weg gewesen – vielleicht wären Sie dann immerhin in Ihren fünf Unterfragen auf den Punkt gekommen.