Martin Sträßer zu TOP 10 „Zerrbild Klimawandel – Schüler vor falscher Klimaalarmistik schützen“

30.01.2025

Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!

Wir müssen uns heute mit einem Antrag befassen, der sich – so die Lesart der antragstellenden Fraktion – mit „bewusst ideologisierten Inhalten“ in Schulbüchern befasst.
Es ist schon paradox, dass sich ausgerechnet eine Fraktion, die nur davon lebt, mit Fake-News und einseitiger Propaganda vor allem in sozialen Netzwerken wie TikTok Desinformationskampagnen zur Zersetzung unserer freiheitlichen Demokratie zu betreiben, sich hier als Zensurwächter und Hüter der Informations- und Meinungsfreiheit aufspielt.

Und die schlecht verdauliche Kirsche auf der Torte ist, dass die Rede dazu von einem Abgeordneten gehalten worden ist, der in seinen hier gehaltenen Reden noch nie auch nur den Versuch gemacht hat, Informationen und Meinungen gelten zu lassen, die seinem eigenen verschrobenen Welt- und Menschenbild widersprechen. Da macht sich der Bock doch selbst zum Gärtner.

Ich möchte dennoch die Gelegenheit nutzen, einiges zu den Rahmenbedingungen zu sagen, unter denen – mit oder ohne Schulbücher – in unseren Schulen unterrichtet wird.

Den rechtlichen Rahmen für die schulische Bildung setzen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und die Landesverfassung Nordrhein-Westfalen. In diesem Jahr feiern wir das 75-jährige Bestehen unserer Landesverfassung.

Deshalb möchte ich hier zunächst einmal den einschlägigen Artikel 7 zitieren:
„(1) Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zum sozialen Handeln zu wecken, ist vornehmstes Ziel der Erziehung.
(2) Die Jugend soll erzogen werden im Geiste der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit, zur Duldsamkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen, zur Verantwortung für Tiere und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, in Liebe zu Volk und Heimat, zur Völkergemeinschaft und Friedensgesinnung.“

Das Schulgesetz in Nordrhein-Westfalen hat auf dieser Grundlage den Bildungs- und Erziehungsauftrag für unsere Schulen präzisiert.

Dazu gehört auch, orientiert am Beutelsbacher Konsens von 1976, die Auseinandersetzung mit kontroversen Themen in Schule und Unterricht, damit Schülerinnen und Schüler lernen können, selbstständig und eigenverantwortlich zu handeln.

Das Ziel von Bildung und Erziehung muss es sein, dass sich junge Menschen auf der Grundlage gesicherter Tatsachen eine eigene Meinung bilden können, sie anderen gegenüber vertreten können und zugleich die Meinung anderer zu achten. Es geht darum, auf der Basis eigenen Wissens und eigener Fertigkeiten im Umgang mit anderen Menschen, die eigene Persönlichkeit zu entwickeln und zugleich Verständnis sowie Toleranz gegenüber den Lebensmodellen anderer Menschen zu haben.

Mit dem Antrag versucht die AfD den Eindruck zu erwecken, als würde von Seiten des Staates, insbesondere bei den für Bildung und für den Einsatz von Schulbüchern zuständigen

Stellen, systematisch an einer Umerziehung junger Menschen gearbeitet, in dem ihnen wesentliche Informationen – hier zum Thema Klimawandel – vorenthalten würden. Das ist nicht nur falsch, sondern im wahrsten Sinne vorgeschoben. Denn hinter dem vorgeschobenen Beispiel kommt wieder nur das alte Bild zum Vorschein und dient nur dem Ziel der Verächtlichmachung und Zersetzung unserer demokratischen Strukturen.

Was die Fraktion vom rechten Rand unter Vielfalt der Informations- und Meinungsvielfalt versteht, müssen wir doch alle tagtäglich lesen, sehen und hören – vor allem in den sogenannten sozialen Medien. Sie wollen nicht die Vielfalt, sondern die Hoheit über die Informationen. Sie wollen möglichst große, aber zugleich enge Meinungsblasen, die den freien Austausch verhindern. Wir möchten diese Blasen zum Platzen bringen.

Ich möchte kurz zu den beiden Schulbüchern kommen, die sie als Anlass genommen haben, ihre Verschwörungstheorie in Sachen Klimawandel zu untermauern. Für die Kritik, die in dem zitierten Artikel aus der „Welt“ geäußert wird, habe ich durchaus in weiten Teilen Verständnis. Ich habe – aufgrund des Artikels – den Eindruck, dass die dort zitierten Schulbücher wirklich nicht das breite Spektrum an Informationen und Meinungen öffnen.

Aber genau das kann ein einzelnes Schulbuch auch nicht leisten. Und es muss es auch nicht. Im Gegensatz zu ihnen setze ich hier auf die Kompetenzen unserer Lehrkräfte in den Schulen. Es ist nämlich keinesfalls so, dass ein einziges Schulbuch die Grundlage des gesamten Unterrichts und die einzige Quelle für Informationen ist. Die Unterrichtspraxis sieht nach meiner Erfahrung in der Regel deutlich anders aus.

In der Regel stehen Schulbücher nicht für sich allein, sondern werden durch weitere Lernmaterialien und Quellen ergänzt oder diesen gegenübergestellt. So sagt es auch der Medienkompetenzrahmen für unsere Schulen, der als zu erlernende Kompetenz u.a. aufführt: „Informationen, Daten und ihre Quellen sowie dahinterliegende Strategien und Absichten zu erkennen und kritisch zu bewerten“.

Sie selbst haben die gerade zitierte Kompetenz, „Quellen sowie dahinterliegende Strategien und Absichten zu erkennen und kritisch zu bewerten“ bei der Erstellung ihres Antrags außeracht gelassen:
Denn der zitierte Medienbeitrag der „Welt“ enthält gar keinen Bezug zur Schulbuchauswahl in Nordrhein-Westfalen. Der Westermann-Verlag vertreibt das Lehrbuch mit diesem Titel in verschiedenen Bundesländern. Diese Varianten für die Bundesländer unterscheiden sich, das sollte bekannt sein.

Welche Ausgabe der Autor des zitierten „Welt“-Artikels vorliegen hatte, erfahren wir nicht. Zugelassen für welches Bundesland? Welches Erscheinungsjahr? Welche Auflage? All das wären notwendige Angaben, um eine Quellenprüfung vornehmen zu können.

Außerdem nennt der Autor des Artikels in der Regel genau eine Quelle zur Widerlegung vermeintlicher falscher Aussagen. Mit der Anführung einer einzigen Quelle, die eine Gegenposition vertritt, kann ich aber nicht belegen, dass eine Position insgesamt von der Wissenschaft abgelehnt wird.

Um dem Autor des Artikels jetzt aber in Schutz zu nehmen: Er wollte und konnte keine wissenschaftliche Abhandlung zum Klimawandel leisten. Er wollte nur darauf hinweisen, dass nach seiner Auffassung andere Informationen und Meinungen zu kurz kommen. Das ist sein gutes Recht und bedarf auch ständiger

Überprüfung, auch in Verfahren zur Freigabe von Schulbüchern. Um Ihn ein weiters Mal in Schutz zu nehmen: Er wollte sicher nicht, dass die AfD ihn zum Kronzeugen vermeintlich einseitiger Information in Sachen Klimawandel an unseren Schulen macht.

Kommen wir zum Beschlussteil Ihres Antrags. Dort sind sie einerseits bemüht, die aus Ihrer Sicht „populistischen Falschdarstellungen“ in Schulbüchern zu kritisieren und fordern mehr „wissenschaftliche Objektivität“.

Ich möchte ihnen genau das entgegenhalten und empfehle ihnen abschließend, ihren eigenen Antrag erneut auf populistische Falschdarstellungen und wissenschaftliche Objektivität hin zu überprüfen.
Wir haben das getan und unser Ergebnis ist klar.
Wir lehnen den Antrag ab. Vielen Dank!