Nordrhein-Westfalen in Europa: Erste Impulse setzen – grenzüberschreitende Kooperation mit den Niederlanden und Belgien intensivieren, den europäischen Zusammenhalt fördern, die strukturellen Verknüpfungen ausbauen

16.11.2017
Dr. Ralf Nolten MdL zu TOP 14

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wer in Borken, Kleve, Heinsberg oder Aachen lebt, für den sind niederländische und belgische Städte wie Venlo, Roermond oder Lüttich ganz nah. Viele Menschen denken und leben ihren Alltag grenzüberschreitend. Wohnen hier, arbeiten dort, nutzen die Feiertage zum Einkauf beim Nachbar. Es sind noch Barrieren da – anders ist die geringere Wirtschaftsleistung in den Grenzregionen nicht zu erklären. Fragen wir uns: Was wissen wir – jeder Einzelne von uns – vom Baurecht, vom Schulwesen, vom Gesundheitswesen oder von den politischen Entscheidungsprozessen unserer Nachbarn? Dabei bergen die kulturelle Vielfalt, andere Planungs- und Gestaltungsansätze in der Wirtschafts- und Strukturpolitik, vor allem aber in der Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik Chancen. Chancen für uns alle. Wir wollen, dass v. a. die jungen Menschen stärker davon Gebrauch machen. Sie sollen und müssen die überzeugten Europäer von morgen werden.

Hierfür ist die sprachliche Kommunikationsfähigkeit von Bedeutung. Wer wohnt auf deutscher Seite in Grenznähe und kann niederländisch sprechen? Vermutlich nicht viele. Kollege Bergmann ist da, wie er uns jüngst bewiesen hat, eine glänzende Ausnahme. Mit einem Tag der niederländischen Sprache in den Schulen und Kommunen können wir dazu beitragen, dass es wieder populär wird, niederländisch zu lernen. Denkbar ist auch das Lernen in Sprachtandems außerhalb der Schule, längere Austauschaufenthalte im Nachbarland.

Europaschulen, wie es sie mittlerweile doch in großer Zahl in den EUREGIOs gibt, lenken den Blick über die Grenzen. Aber erst die EUREGIO-Profilschulen haben Partner auf der jeweils anderen Seite. Hier fehlt es meist an geeignetem Lehrmaterial. Vielleicht sind Dependance-Schulen, Lehrerpools, Module zur Kultur und Geschichte des Nachbarn bis hin zu Doppelabschlüssen realisierbare Optionen. Hieran muss bei der Ausbildung angeknüpft werden: mit berufsbezogenen e-learning-Modulen, mit Euregiokompetenz-Praktika, mit Aufbaulehrgängen, wenn signifikante Unterschiede in der Ausbildung vorhanden sind. Klar strukturierte Anpassungslehrgänge können fehlende Inhalte vermitteln. Wir wollen anbieten, dass niederländische oder belgische Azubis, die sich vorstellen können in Deutschland zu arbeiten, bereits in deutschen Berufsschulen Module belegen. Der Berufseinstieg soll so ganz einfach möglich sein.

Es gibt ungefähr 3000 unterschiedliche Berufe. 2850 von diesen Berufen sind nicht reglementiert. Für einen niederländischen Anstreicher, der sich bei einer deutschen Firma bewirbt, gibt es keine großen Probleme. Spezielle Arbeitsvermittlungsagenturen wie EURES, die Grenzgänger-Infopunkte helfen ihm bei der Arbeitssuche und –aufnahme.

Anders sieht es bei den 150 reglementierten Berufen aus. Besonders in den Bereichen Bildung, Erziehung und im Gesundheitswesen variieren die Ausbildungsinhalte und –zeiten. Der Landtag hat sich vor zwei Jahren explizit mit der Situation bei den Gesundheits- und Altenpflegern beschäftigt. Es wäre sehr sinnvoll, sich ab und zu etwas von den Niederländern abzuschauen. Damit meine ich nicht die Fußballkünste. Aber die Anerkennung deutscher Abschlüsse geschieht dort deutlich schneller und pragmatischer. Da müssen wir aufholen!

Zum Schluss zur Hochschulbildung: Alleine in der Euregio Maas-Rhein sind über 120.000 Studierende an den verschiedenen Hochschulen, Hunderttausende im weiteren Umfeld. Wir wünschen mehr Unterstützung für internationale Bachelor- und Masterstudiengänge über neue Europa-Studiengänge hinaus. Warum muss ein Bonner Student, der im Double-Degree-Programm mit Wageningen unterwegs ist, zweimal, hier wie dort, Semesterbeiträge zahlen? Für unsere benachbarten Bundesländer haben wir eine Ausnahmeregelung – für den Bonner Agrarstudenten ist Wageningen aber näher als jede andere vergleichbare deutsche Agrarfakultät!

Wenn ich einen Wunsch frei habe: Arbeiten wir an der Harmonisierung der Semesterzeiten! Im regulären Zeitplan bekommen Sie faktisch keine internationale Summer School hin. Weg mit unserem deutschen Sonderweg, so wie es die KMK auch schon mehrfach gefordert hat. Her mit verbindlichen Umrechnungsschlüsseln für die Noten.

Die EUREGIOs sind im Bildungsbereich hervorragende „Labore für Europa“. Die Nachhaltigkeit ihrer Arbeit müssen wir sichern für den Fall, dass es keine Fortführung der Projekte im INTERREG-Programm VI für sie gibt. Wir wissen, dass die EUREGIO‘s einige trennende Regelungen nicht selbst ausräumen können. Das muss die Landesebene tun. Wir wollen dies mit Nachdruck angehen und laden alle, denen vitale Grenzregionen und Europa am Herzen liegen, zur Mitarbeit ein.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!