Oliver Kehrl zu TOP 1 "Schließungswelle beim Kaufhaus-Konzern "Galeria Karstadt Kaufhof"

25.06.2020

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident,

Liebe Kolleginnen und Kollegen

die Nachrichten, die uns in den letzten Tagen von Karstadt Kaufhof erreichen, machen sehr nachdenklich. Landesweit werden wohl 62 der 172 Filialen schließen, 18 davon stehen in NRW vor dem Aus. Für die Beschäftigten des Unternehmens ist die aktuelle Situation mit Sorgen und Zukunftsängsten verbunden. Vermutlich über 5300 Mitarbeiter werden bundesweit ihren Arbeitsplatz verlieren.

Seit vielen Jahren prägen die Geschäfte der Warenhauskette unsere Innenstädte – sind Ankerpunkte in zahlreichen Einkaufsstraßen. Viele Menschen in NRW haben einen ganz persönlichen Bezug zum Unternehmen. Ich bin in Köln in der Innenstadt direkt neben Kaufhof aufgewachsen, mein Bruder hat dort seine Lehre gemacht und seine Frau kennengelernt. Solche Geschichten verbinden viele Menschen in NRW mit Karstadt Kaufhof. 
Bereits seit einigen Jahren hat Karstadt-Kaufhof immer wieder mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen und es wurden immer wieder Um- und Restrukturierungen sowie den Abbau von Arbeitsplätzen innerhalb des Konzerns vorangetrieben. Gerade nach der Entscheidung des Firmensitzes habe ich persönlich viele Gespräche mit der Konzernleitung geführt, gerade auch um den Standort Köln zu stärken.

Neben der für den Einzelhandel insgesamt schwierigen Situation - und mit Sicherheit - ganz besonders - für ein Unternehmen mit Häusern dieser Flächen, wird jedoch auch ganz klar deutlich, dass Karstadt-Kaufhof an vielen Stellen die Zeit verschlafen hat. Es fehlen moderne und relevante Sortimente, um neue Zielgruppen auf die Flächen zu locken. Durch Personalkürzungen wurde leider an vielen Standorten der Kundenservice zunehmend schlechter.
Warenhäuser wie Karstadt-Kaufhof haben sich dem dramatisch geänderten Konsumverhalten der Menschen zu langsam und zu spät angepasst.
Ein weiteres Problem, das die Lage des Konzerns verschärft hat, ist das seit langem Fehlen einer echten digitalen Strategie sowie ein viel zu spät angegangenes und häufig unattraktives Onlinekonzept. Gerade durch die Corona-Zeit ist nochmal ganz klar deutlich geworden, dass erfolgreiche Händler unbedingt eine gute Online-Präsenz benötigen, um auf allen Kanälen für die Kunden sichtbar zu sein.
Und zur Wahrheit gehört auch: Dem Mehrheitsaktionär kommt das Insolvenzverfahren dank Corona vielleicht gar nicht so unrecht.

Nicht nur die aktuelle Situation von Karstadt-Kaufhof macht deutlich, dass sich unsere Innenstädte und damit der stationäre Einzelhandel in einem massiven Wandel in einer massiven Strukturkrise befinden. 
Was sind die Ursachen? Viel zu viel Fläche wurde genehmigt: Neue Einkaufscenter, großformatige Kaufhäuser, Sortimentsausweitungen im Textilbereich bei den Discountern und die in der Vergangenheit häufig leichtfertigen Genehmigungen für Einzelhandel auf der „Grünen Wiese“ stellen eine immer größere Konkurrenz für den lokalen Einzelhandel dar.
Zu viel Fläche - Zu viel Ware – Zu frühe Reduzierungen das ist ein giftiger Mix für alle im Handel.

Hinzu kam dann die übermächtige Konkurrenz des Online-Handels, mit seiner jederzeit absoluten Waren-verfügbarkeit, den unbegrenzten Öffnungszeiten und dem Service der kostenlosen Retouren. Amazon & Co. entzieht den Städten Kaufkräften und Frequenz.
Und an dieser Stelle möchte ich gerne auf das Thema Verkaufsoffene Sonntage zu sprechen kommen. Sie, verehrte Kollegen und Kolleginnen von SPD und Grünen haben Verdi immer in ihrem Kampf gegen verkaufsoffene Sonntage unterstützt und nun stehen Sie hier und weinen Krokodilstränen. Das verwundert uns doch schon sehr und ich frage mich, ob Sie bei Ihrer Agenda auch jemals an die Angestellten im Handel gedacht haben?
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie der ehemalige Chef von Karstadt Kaufhof hier bei uns im Landtag war und uns inständig um verkaufsoffene Sonntage gebeten hat.
Selbstverständlich sind solche Verkaufsoffene Sonntage kein Alleilmittel, aber eben ein wichtiger Baustein um dann Umsätze zu erzielen, wenn im Online-Handel oder in Roermond die großen Umsätze gemacht werden – sonntags!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nun gilt es zu fragen- gerade auch vor dem Hintergrund der massiven Schließungen bei Karstadt Kaufhof – wie kann es weitergehen?
Wir müssen jetzt den Blick nach vorne richten und mit neuen innovativen Konzepten die Weichen für unsere Innenstädte stellen.
Das Wichtigste ist zunächst, dass alle beteiligten Akteure, von der Stadt über das Citymanagement, die Einzelhändler bis hin zu den Vermietern EHRLICH UND ERNSTHAFT an einem Strang ziehen und gemeinsam nach Lösungen suchen.

WAS WOLLEN WIR ALS CDU FRAKTION?
1) Wir müssen die Verantwortung für Mieterbesatz, Mieterstrukturen und Leerstands-Management als städtische Aufgabe etablieren. D.h. die Kommunen sollen sich stärker einmischen und mitmischen.

2)  Wir müssen leerstehende Kaufhäuser und Flächen neu nutzen. Wir brauchen beispielsweise neue Mischnutzungen aus Handel, Handwerk, Gastronomie oder kleinteiliger Produktion.


3)  Ich bin für Temporäre Zwischennutzungen mit kurzfristigen Verträgen. Hierfür kann die kommunale Wirtschaftsförderung bürgen oder kurze Zeit die Miete übernehmen, damit wir dort spannende, innovative Mieter, Pop-Up-Stores oder auch Coworking Spaces bekommen. Die Landesregierung hat u.a. für solche Maßnahmen gestern 70 Millionen Euro zur Belebung der Innenstädte zugesagt.

4) Wir müssen Leerstände in oberen Geschossen umwidmen und umwandeln: In Parkraum, Wohnraum, Seniorenheime oder Logistik-Hubs.
Für die Erdgeschosslagen sind vitale und vielfältige Besatz- und Nutzungsmöglichkeiten zu entwickeln. Hierfür sollten wir zügig Bauordnung, Planungsrecht, ImSchG reformieren. Und in den Kommunen Gestaltungssatzungen prüfen.

5) Wir müssen die Supermarkt-Ketten wieder in die Stadt bringen. Hier geht es um klugen Ausgleich, einerseits dem Lebensmittelhandel ihre Großflächen zu vergrößern. Im Gegenzug wollen wir, dass kleinformatige Supermärkte wieder eröffnen in den Städten, sie bringen die so dringend benötigten Frequenzen zurück.  In meinem Wahlkreis hat mitten im Ort sehr erfolgreich ein 500 qm Discounter eröffnet. Die sagen; „Man expandiert dorthin, wo die Menschen sind“.


6)  Der Städte und Gemeindebund hat völlig zurecht ein Hauptthema für Handel und Städte angesprochen: Es ist die Miethöhe. So wird es insbesondere in den Mittelstädten nicht weitergehen!
Wir brauchen Neue Konstruktive Mietpartnerschaften.  Hierzu gehören verstärkt Gründung von sog. Immobilienstandort-Gemeinschaften. Damit das leichter und besser geht, sollten wir das entsprechende Landes- Gesetz entschlacken und deregulieren.

7) Alle Studien sagen uns: Das wichtigste Thema wird es sein, in den Innenstädten massiv die Aufenthaltsqualität zu erhöhen: Hierfür braucht jede Stadt ein Konzept: Die Besucher und Kunden wollen saubere, ordentliche und sichere Städte. Hierzu können neue digitale Beleuchtungsmodelle eine Rolle spielen. Die Kunden wollen gute Gastronomie, spannende Händler, Grünflächen und tolle Stellen zum Verweilen. Wer sich gern aufhält, verweilt länger und macht mehr Umsatz. Hier muss dringend angesetzt werden.

8)  Wir fordern ein neues Landesweites, digitales Leerstandskataster, in dem alle Marktteilnehmer aktuell alle leerstehenden Ladenlokale einsehen können.

9) Um den Handel vor Ort digital fit zu machen, bedarf es eines stadtweiten offenen, sicheren WLAN als Basis aller digitalen Services: Loyalty, Gutscheine und lokale Plattformen werden so möglich.

10) Zum Abschluss noch mal:
Wir benötigen in jeder Stadt ein gemeinsames City-Management, das alle Akteure aktiv und nachhaltig zusammenbringt: Eigentümer, Stadt, Makler und potentielle Mieter.
Dann schaffen wir es vielleicht, den für jede betroffene Stadt harte Einschnitte durch die Schließungen von Karstadt-Kaufhof und anderer Häuser aufzufangen und entgegen zu steuern.
Corona hat die schwierige Zukunft unserer Städte noch mal wie durchs Brennglas aufgezeigt. Sterben Handel und Städte, geht für die Menschen ein Stück Heimat verloren.
Deshalb müssen Alle Beteiligten dringend neu denken und den Blick schärfen auf die kluge Wiedervermietung leerstehender Flächen. Nur dann gehen in den Städten nicht die Lichter aus.