Oliver Kehrl zu TOP 2: Herausforderungen in der Justiz begegnen. Digitalisierung und Legal Tech in der Lehre vorantreiben. Nachwuchskräfte stärker fördern

30.04.2021

Sehr geehrte Frau Präsidentin / sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

bereits vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie – und dem damit verbunden Aufschwung und der Beschleunigung der Digitalisierung in den unterschiedlichsten Bereichen unseres Lebens - hat die Digitalisierung auch auf dem Gebieten des Rechts und der Justiz Einzug gehalten. Durch die Pandemie, hat sich dieser Trend – gerade im Bereich der Juristenausbildung – rapide beschleunigt.

Digitalisierung spielt im Bereich der Justiz in vielen Bereichen mittlerweile eine Rolle. Das klassische Bild, des in Bergen von Akten blätternden Juristen wandelt sich aktuell so schnell wie selten zuvor. Deshalb ist es wichtig, dass dieses Thema sich auch in der Ausbildung von Juristinnen und Juristen widerspiegelt.

Dieses muss auf unterschiedlichen Ebenen geschehen. Zum einen muss es um neue Lehrformate und die digitale Vermittlung von Lehrinhalten gehen. Hier sehen wir gerade – auch in anderen Fächern – einen massiven Wandel, der das Studieren grundlegend verändert und der für Studierende – gerade nach dem Ende der Pandemie - viele Chancen bieten kann. Hier müssen wir nun schauen, welche Vorteile sich aus den neuen Lehrformaten ergeben, was kann weiterentwickelt werden, wo besteht die Möglichkeit der Vernetzung von Hochschulen und damit eine Erweiterung von Lehrangeboten und Lehrinhalten – z.B. durch Fremdsprachen, Zusatzqualifikationen oder eine stärkere interdisziplinäre Ausrichtung?

Neben den Lehrformaten müssen wir aber auch schauen, ob die Inhalte der jetzigen Juristenausbildung die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Justiz in allen Facetten abbilden.

Bisher spielt zum Beispiel das Thema der Künstliche Intelligenz (KI) in der deutschen Juristenausbildung eine untergeordnete Rolle, aber das Thema wird immer wichtiger. Und dies nicht nur auf einer Seite. KI greift in unser aller Leben immer weiter ein. Sei es als Fahrassistent, im Bereich des autonomen Fahrens in unseren Autos oder im digitalen Handel zur „Optimierung“ von Kauferlebnissen. All dies sind Beispiele, bei denen jeder von uns mit KI konfrontiert ist. Dieses bietet Vor- und Nachteile und es bedarf der Regelungen, um Bürgerinnen und Bürger bei der Ausübung und Wahrung ihrer grundlegenden Rechte zu schützen. Deshalb ist es wichtig, dass diese Inhalte auch in der Juristenausbildung eine Rolle spielen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
an dieser Stelle möchte ich bei der KI bleiben und noch auf einen anderen Aspekt hinweisen. KI und die Nutzung von Algorithmen finden wir nicht nur in Automatisierungsprozessen in der Wirtschaft, nein, sie hat mittlerweile auch Einzug in unsere Verwaltungen, bei Ermittlungsbehörden und in der Justiz gehalten. Und hier sind wir beim Thema Legal Tech.

Legal Tech kann zum Beispiel dabei helfen, dass Verbraucher Rechtsansprüche schneller durchsetzen können. Mit Hilfe dieser Digitalisierungsprozesse kann somit eine konsumentenrechte Rechtsprechung umsetzten werden. Damit kann unsere Justiz als Ganzes besser, schneller und damit auch gerechter agieren.

Ein gutes Beispiel hierfür ist die Firma RightNow, mit der wir uns ausgetauscht haben und an deren Geschäftsmodell deutlich wird, dass Legal Tech bereits heute Realität ist. Derartige Legaltech-Start-Ups wollen Rechtsansprüche von Verbrauchern durchsetzen, in dem sie in großen Mengen deren Forderungen gegen Airlines, Fitnessstudios oder Kreditkarten- Unternehmen aufkaufen und diese Rechtsansprüche der Kunden - nach Prüfung auf Plausibilität und mit Hilfe von Algorithmen - auch mit Hilfe von KI und Big Data automatisiert gegenüber den Firmen geltend macht. Kunden kann so schnell zu ihrem Recht verholfen werden und gleichzeitig schont dieses Modell die Ressourcen der Justiz. Wir sehen Legal Tech nicht als Gegner der Rechtsanwälte, sondern als wichtige Ergänzung gerade beim intelligenten Verbraucherschutz. Künstliche Intelligenz, richtig eingesetzt, macht unser Leben an vielen Stellen besser.
Gute Beispiele sind auch die vom Minister Biesenbach voran getriebene Modelprojekte im Bereich KI. Zum einen wird KI bei der Ermittlungen zur Bekämpfung von Kindermissbrauch eingesetzt. Dort wo die Ermittler sich mit riesigen Mengen an Daten befassen müssen, sind Algorithmen und KI eine Möglichkeit der Beschleunigung der Ermittlungsarbeit und damit des Opferschutzes. Ein weiteres Modellprojekt betrachtet den Einsatz von KI im Justizvollzug zur Suizidprävention.

Diese Entwicklungen werden auch das Berufsbild der Juristen in den kommen Jahren maßgeblich verändern. Deshalb ist es wichtig, dass Jura Studentinnen und Studenten in ihrer Ausbildung auch auf die Frage, wie KI, in rechtliche Urteile und Entscheidungsprozesse einfließen kann und darf vorbereitet werden. Deshalb sollten auch Lehrinhalte wie „juristisches Projektmanagement, KI im Recht, Legal Tech oder Legal Design“ verstärkt in der Ausbildung der Juristinnen und Juristen enthalten sein.
Deshalb appellieren wir an die Landesregierung, hierzu in einen Dialog mit den Hochschulen und den juristischen Fakultäten zu treten.  
   
Zentral ist für uns dabei aber auch - und das möchte ich an dieser Stelle ganz klar sagen - dass wir die Hochschul-Lehre immer an die Anforderungen der Zeit anpassen müssen. Das Recht auf die Freiheit der Lehre muss selbstverständlich unangetastet bleiben.

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