Oliver Krauß zu TOP 1 Aktuelle Stunde „Risikofaktor Brücken – Mehr Tempo bei Planung, Sanierung und Bau machen“

25.05.2023

Anrede,
sehr geehrter Herr/Frau Kollege/Kollegin, die Fraktionen sind doch schon gestern informiert worden, dass der Ministerpräsident heute Morgen bei der Jahrestagung des Deutschen Städtetages ist. In diesen herausfordernden Zeiten, in denen es wichtiger denn je ist, dass alle staatlichen Ebenen - Bund, Länder und Kommunen - eng und gut zusammenarbeiten, ist es richtig und wichtig, dass der Ministerpräsident beim Städtetag ist. Darüber dürfte hier in diesem Haus doch kein Zweifel bestehen. Dass sie so tun, als wüssten sie nicht, wo der MP ist, und dass sie versuchen, den Ministerpräsidenten hier unredliche Motive zu unterstellen, ist unlauter und billig."
Apropos billig bzw. teuer. 16,5 Millionen Euro im Jahr 2017 –  im Jahr 2021 sind es 53,3 Millionen Euro. Das ist der Etat bei den Bundesstraßen. Bei den Landesstraßen stehen im Jahr 2017 acht Millionen Euro zu Buche – und im Jahr 2021 sind es 21,3 Millionen.
Diese Zahlen nennt die Landesregierung im März letzten Jahres dem Kollegen Andre´ Stinka auf die Kleine Anfrage: Wie viele Landes- und Bundesmittel stehen in NRW für die Instandsetzung der Brückenbauwerke zur Verfügung?
Die Verkehrsinfrastruktur in NRW wurde jahrelang auf Verschleiß gefahren. Egal wer regiert hat. Egal, welcher Verkehrsträger - Straße, Schiene, Schleuse. Mobilität hatte kaum eine Lobby. Das gehört zu einer ehrlichen Aufarbeitung dazu, selbst wenn nun einige den Untersuchungszeitraum vor 2016 ausblenden wollen.
Fest steht:
Von 2017 an hat die NRW-Koalition einen Planungs- und Bauhochlauf verantwortet. Kontinuierliche Steigerung für die Erhaltungsmaßnahmen im Landeshaushalt, grundhafte Sanierung, Rekordetats.
Lieber Henning Höne, lieber Marcel Hafke, warum leugnen Sie unsere gemeinsamen Erfolge? Wir waren Partner in der NRW-Koalition, um den Sanierungsstau in unserem Land Schritt für Schritt aufzulösen. Im Mai 2018 haben wir das Infrastrukturpaket I gemeinsam auf den Weg gebracht: Bonus-Malus-Regelungen, 24/7-Baustellen, Verkürzung von Bauzeiten.
Wir waren im März 2021 beim Infrastrukturpaket II zusammen: mit der Planungsbeschleunigung für die Radwege. Professor Andreas Pinkwart – Ihre Partei – verantwortet als Wirtschaftsminister 8 Entfesselungspakete.
Vom Masterplan bis zu den „10 Punkte[n] zur Beschleunigung“ von Ministerin Ina Brandes: Wir haben gemeinsam Tempo gemacht, um aufzuholen, umzubauen, den Strukturwandel zu schaffen, urban und im ländlichen Raum.
Die Schlussfolgerung, dass aus der gemeinsamen Studie der IHK’s und der RWHT Aachen, „ein akuter erheblicher Instandhaltungsbedarf“ folgt, ist unbestritten, aber nicht neu. Ralf Stoffels, Präsident der IHK NRW war auf Vorschlag der CDU/CSU-Bundesfraktion bei einer Expertenanhörung im Bundestag eingebunden, als es um die Gesetzesinitiative der Union „zur weiteren Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren an Brücken auf Bundesfernstraßen“ geht.
Es ist Konsens, dass wir mehr in den Erhalt unserer Infrastruktur investieren müssen. Auch wenn es an Erkenntnis und Geld nicht fehlt, werden wir Jahre, wenn nicht Jahrzehnte brauchen, den Sanierungsstau der Vergangenheit aufzulösen. Selbst wenn wir genug Personal und genug Material hätten: Der Verkehr in NRW käme bei so vielen Baustellen auf Jahre vollständig zum Erliegen. Uns fehlen Fachkräfte. Deshalb hat die Landesregierung eine umfassende Fachkräfteoffensive gestartet.
Und wir sind zu langsam. Planungs- und Genehmigungsverfahren dauern weiterhin zu lange, bei Schiene, Wasserstraßen, Bundesfernstraßen und bei Brücken.
Zu der Verantwortung für Nordrhein-Westfalen gehört das ehrliche Bild. Dass der Bund in NRW „weniger als die Hälfte der erforderlichen Zahl an Autobahnbrücken saniert“ hat, ist kein Vorwurf an den Bundesverkehrsminister, hat unser Minister Oliver Krischer klargestellt: Denn der hat „das Problem auch nur geerbt“. Das ist ehrlich.
Doch vor wenigen Wochen stand Oliver Krischer in der Kritik, weil er es war, der die notwendigen Brückensanierungen in unserem Land eingefordert hat, als Volker Wissing, der FDP-Bundesverkehrsminister die Zustimmung für 66 Baumaßnahmen von überragendem öffentlichen Interesse erwartet hat. Dabei ging es ausschließlich um Maßnahmen des vordringlichen Bedarfs mit Engpassbeseitigung. Die heutige aktuelle Stunde belegt doch einmal mehr, dass ein überragendes öffentliches Interesse ebenso bei den dringend notwendigen Brückensanierungen besteht.
Die Ministerpräsidentenkonferenz, Hendrik Wüst und Stephan Weil, haben beim Bundeskanzler interveniert, dass der gemeinsam verabredete „Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“ endlich zustande kommt. Doch die Arbeitsgruppe unter Leitung des Bundes ist bis heute nicht einmal vom Bund eingeladen worden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
es fehlt nicht an „Gipfeln“ oder an Expertise. Auf Bundesebene gab es am 10. März 2022 bereits einen „Brückengipfel“ mit viel Ernüchterung. Ich zitiere aus dem Zukunftspaket leistungsfähige Autobahnbrücken mit ganz pauschalen Forderungen: „Moderne Brücken, leistungsfähige Infrastruktur“, „weniger Bürokratisierung, mehr Digitalisierung“, „Dialog statt Konfrontation“, „länger nutzen – weniger Kosten“, „gemeinsam handeln – weniger Kosten“, „besser planen – schneller planen“.
Entscheidend bleibt, dass wir im Verkehrshaushalt an die Grenzen des Leistbaren gehen, um unsere Verkehrswege schnell und erfolgreich zu erneuern: bedarfsgerecht, sozial lohnend, mit wirtschaftlicher Dividende, aber mit Umweltverträglichkeitsprüfungen, da wo sie notwendig sind zum Erhalt der Lebensgrundlagen.
Bei aller Ambition, die wir haben, müssen wir die Finanzlage und den Schuldenstand im Blick behalten halten. Es muss klar sein – bei jeder Definition von Leistung oder „Sondervermögen“ –, wer dafür aufkommt.
Die Handlungsbereitschaft, noch mehr Tempo beim Aufholen zu haben, im Bestand zu erneuern und Lücken zu schließen, ist seit dem Jahr 2017 landespolitische Priorität in Nordrhein-Westfalen.
Alle Verkehrsmittel sind im Blick, um Effizienz zu steigern.
Über den Zustand der Brücken im Zuge von Bundes- und Landesstraßen hat das NRW-Verkehrsministerium den Verkehrsausschuss des Landtags am 1. März 2023 unterrichtet. Über das Schadensbild, die Erwartung der Kosten, die finanziellen Mittel, die Bauwerksprüfung, die Strukturierung, um abzuarbeiten und aufzuholen.
Potenziale, um besser zu werden und noch mehr Tempo zu gewinnen, müssen in allen Bereichen genutzt werden. Den antragstellenden Fraktionen bestätigen wir in diesem Sinne das Problembewusstsein. Mehr bieten Sie in dieser Aktuellen Stunde nicht an. Leider.

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