Oliver Krauß zu TOP 13 "Konferenz zur Zukunft Europas"

16.06.2021

Anrede,

Von meiner Heimat in Alfter aus bin ich mit der Bahn in einer Stunde und 45 Minuten am Landtag. Zum Bahnhof Brüssel-Midi fahre ich zwei Stunden und 45 Minuten. Europa ist Lebenswirklichkeit. Der ICE 10 (oder der ICE 14) fährt nicht über Düsseldorf. Das geht direkt.

Am 9. Mai ist die Konferenz zur Zukunft Europas gestartet: Ein „an die Bürgerinnen und Bürger gerichteter, nach dem Bottom-up-Ansatz geführter Prozess“.

Es handelt sich nicht um einen „basisdemokratischen Bürgerkonvent“ – darauf ist hingewiesen worden – sondern um ein mehrstufiges Verfahren, an dem die regionalen, nationalen und europäischen Akteure beteiligt sind.

Entscheidend ist, dass viele Mitbürgerinnen und Mitbürger aus allen sozialen Wirklichkeiten starke Ideen und Voten einbringen – offen, inklusiv, ohne Denkverbote, ohne ein Verbotsschild vor institutionellen Reformen.

Im April wurde die digitale Plattform der Konferenz eröffnet, in 24 Amtssprachen. Die letzte mir bekannte Registrierung zählt 4.500 Ideen und 17.000 Teilnehmer, die sich direkt Gehör verschaffen. Kampagnenmaterial steht zur Verfügung. Es gibt Regie für eigene Veranstaltungen.

Am vergangenen Montag haben unser Europaminister und die Bonner Oberbürgermeisterin die Bürgerdebatte in NRW gestartet. Die Konferenz wird auf verschiedenen Ebenen realisiert, baut Reichweite auf.

Es geht um Vollgas für den intensiven Zukunftsdialog. Knapp 20 Jahre nach dem Verfassungskonvent, 17 Jahre nach dem Scheitern des Verfassungsvertrages, zwölf Jahre nach Lissabon erlebt die Gemeinschaft eine Zäsur. Covid-19 hat den Reformbedarf noch tiefer eingeschrieben.

Meine Damen und Herren,

Akzeptanz und Erfolg der Europäischen Union sind auf das Zusammenspiel der Akteure angewiesen, europäisch, national, aber auch regional. In der Verantwortungsgemeinschaft hat die Gliederung Vorfahrt, die die sachgerechte Lösung mit dem höchsten Maß an Menschlichkeit und Nähe verbindet: die kleinere vor der größeren.

Die angemessene Reaktion bewahrheitet sich an der Praxis vor Ort. In den Hoch-Zeiten der Pandemie hat gerade die Partnerschaft zwischen NRW und den BeNeLux-Staaten besonders geholfen: Funktionalität, Solidarität, offene Grenzen – anders als irgendwo sonst.

Der Antrag, den die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hier vorlegt, formuliert zutreffend: Nordrhein-Westfalen hat als Grenzland ein besonderes Interesse an der Konferenz – ebenso als das Industrieland Nummer 1 in der Bundesrepublik, mit den wichtigen Aufgaben des Strukturwandels.

Die europäische Gemeinschaft ist in Vielfalt geeint. Sie macht nicht aus Vielem Eines. Sie bewahrt für jede und jeden die Heimat. Sie ist Garant der Friedensordnung, begründet in dem positiven Bild vom Menschen. Im globalen Zeitalter verteidigt die europäische GEmesie die Sicherheit ihrer Bürgerinnen und Bürger.

Zusammenhalt und Koordination in Europa sind existenziell, um die großen Aufgaben zu lösen: Krisenfestigkeit, Armutsmigration, digitaler Wandel, Durchsetzung sozialer Standards, der Klimawandel. Die Kommissionspräsidentin hat deutliche Worte gefunden: „Grundlegendes muss sich ändern, damit auch die nächste Generation weiterhin Natur um sich hat.“

Für den heutigen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, im Dienst des Ausbaus der Konferenz, sind wir dankbar. Mit dem Antrag „Die Rolle der Regionen in Europa stärken“ haben wir bereits eine parlamentarische Beschlussfassung: mit Mandat für den Ausschuss der Regionen.

Bedauerlich sind in der vorliegenden Initiative die blanken Reflexe als Ergebnis richtiger Schlüsse: Die Solidargemeinschaft soll für Lizenzen aufkommen, für Anmietungen, für noch mehr Informationsmaterial.
Es fehlen Differenzierungen, Synergien und die gemeinsame Aktion, die gesucht wird. Die Solidargemeinschaft soll anscheinend nur bezahlen.

Den Konferenz-Gedanken lebendig zu machen, zivilgesellschaftliches Engagement zu unterstützen, Vorhaben zu verabreden: Das ist DNA des europapolitischen Engagements in NRW – Europawoche, europaaktive Kommunen, Europaschulen, "Europa bei uns zuhause", „Europa erleben und lernen".

Die unbürokratischen und effektiven Lösungen, die eine gestärkte EU auszeichnen: genau die bleibt der Antrag schuldig. In diesem Sinne ist er gut gedacht, aber (noch) nicht gut gemacht.

Lieber Herr Kollege Johannes Remmel, in der Diskussion um den Aufbau eines Stipendienwerks – im Austausch mit dem Vereinigten Königreich – haben Sie sinngemäß angemerkt, dass die gemeinsame Initiative ein gutes Signal ist, wenn man in der Zielsetzung nicht weit auseinander liegt.
In der Zielsetzung oft nicht weit auseinander lagen wir übrigens mit unserem Kollegen Rüdiger Weiß, der leider sein Mandat niedergelegt hat. Rüdiger Weiß hat in diesem Haus konstruktiv, aus fester europäischer Überzeugung und gemeinsinnig argumentiert. Dafür möchte ich ihm auch von dieser Stelle herzlich danken. Seine Stimme wird fehlen und ich wünsche ihm und seiner Familie alles Gute.

Nichtsdestotrotz freuen wir uns auf die konstruktive Beratung des Antrags im Ausschuss.

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