Oliver Krauß zu TOP 16: Austausch schafft Freundschaft und Verständnis – ein Stipendienwerk/-programm zur Aufrechterhaltung der Austauschbeziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und dem Vereinigten Königreich

03.05.2021

Anrede,

es „flackert etwas vor den Augen, wenn man am Bildschirm sitzt. Aber dieses Feuer wärmt nicht“. Es entsteht keine „Erlebnisgemeinschaft“. In den Worten des Sprach- und Literaturwissenschaftlers Gerhard Priesemann klingt an, dass der persönliche Bildungsaustausch mehr hat als intellektuellen Zweck. Der Abschlussbericht der Enquete-Kommission Brexit präzisiert das, wenn er den Wunsch von „authentischen […] sozialen Sprachkontexten“ zitiert.

Am 23. August werden wir das Jubiläum begehen „75 Jahre Nordrhein-Westfalen“: Mit Robert Birley, dem kulturpolitischen Berater der seinerzeitigen britischen Militärregierung, wird maßgeblich verbunden, dass Bildungspolitik in der Nachkriegszeit eine Sache der Besinnung wird – und nicht nur ein Durchsetzen von Re-Edukation. Als Geschichtslehrer in Eton hat Birley angefangen. Im Jahr 1947 wird er kulturpolitischer Berater der britischen Militärregierung. Nach der Abschottung vom Rest der Welt – „quite cut“ – geht es ihm darum, Universitäten wieder in Kontakt zu bringen: als Repräsentanten von Zivilisation – gegen eine Stumpfheit, „ohne Überlegung die Meinungen und [die] Vorurteile anderer […] anzuerkennen“.

Ein Flyer des Deutschen Akademischen Austauschdienstes – der als Nationale Agentur die Hochschulzusammenarbeit über Erasmus+ verantwortet – weist darauf hin, dass die DAAD-Außenstelle London im Mai 1952 wiedereröffnet, noch bevor die Bundesrepublik mit dem Vereinigten Königreich diplomatische Beziehungen aufnimmt.

Die historische Einordnung verdeutlicht, dass die gute internationale Ordnung auf Vertrauen baut. Das läuft über enge persönliche Beziehungen. Umgekehrt wird Bildung Schlüssel für ein frei bestimmtes Leben.

Das Vereinigte Königreich bleibt bei dem Forschungsprogramm „Horizon Europe“ dabei, steigt aus dem Erasmus+-Programm aber aus: und das als Gründungsnation dieses Studierendenaustausches in der EU (seit 1987).

Bei der Diskussion um den Antrag „30 Jahre Erasmus-Austausch in Nordrhein-Westfalen“ – im März 2018 – haben Sie, lieber Kollege Johannes Remmel, die „große europapolitische Einigkeit“ unterstrichen, die uns in der demokratischen Mitte verbindet. Auch wenn wir in der Einzelheit damals nicht beieinanderlagen.

Es gibt jedoch keine zwei Meinungen im Blick auf den überragenden Wert des Bildungsaustauschs in Europa: Vorurteil zu überwinden, Persönlichkeit zu entwickeln, Integration zu schaffen.

Eine weitere Teilnahme des Vereinigten Königreiches als Programmland hätten wir uns sehr gewünscht. Von Erasmus+ – der Abschlussbericht macht das deutlich – profitieren nicht zuletzt junge Menschen, die zum Beispiel aus „finanzschwachen [..] Familien“ kommen.

Der vorliegende Antrag kennzeichnet Hürden von Studiengebühren, von Antragstellung, von Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen. Diese Einschränkungen – wenn das Vereinigte Königreich in der neuen Programmgeneration nicht mehr dabei ist – belasten den akademischen Austausch, die Interaktion zwischen Schulen und in besonderer Weise den Bereich der beruflichen Bildung.

Das Vereinigte Königreich war im Jahr 2018 das wichtigste Zielland für Auszubildende aus der Bundesrepublik. 41 Prozent der Lernenden, die den Rahmen von Erasmus+ genutzt haben, haben den Weg über den Ärmelkanal gewählt. Danach kommt Spanien als Zielland: mit zehnprozentigem Anteil. Der Abschlussbericht der Enquetekommission hat vorausschauend angezeigt, dass der VK-Proporz nicht ohne Weiteres aufzufangen ist.
Zudem besteht weiterhin unser großes Interesse, die Auslandsmobilität in der Berufs- und Meisterausbildung zu entwickeln. Wenn nur fünf oder sechs Prozent unserer Auszubildenden Erfahrungen im Ausland sammeln – Minister Karl-Josef Laumann hat das sehr deutlich gemacht – ist das einfach zu wenig („einfach schlecht“, im Plenum am 29.04.2021).

Über die Vergabe von Stipendien wollen wir Wege neu ebnen, die der Rückzug des Vereinigten Königreichs aus dem Erasmus+ - Programm beschädigt. Von der gegenüberliegenden Seite ist das Turing-Programm konzipiert worden. Bislang sind 53 Prozent der britischen Auslandsmobilität über Erasmus+ gelaufen. Unilaterale Ansätze sollen in Zukunft wieder zusammengebracht werden. Unterhalb der nationalen Ebene stellen wir uns an die Seite der Landesregierung, sich dafür einzusetzen. In der Wirtschaft wollen wir Partner gewinnen.

Ich bitte um ein positives Votum für unseren Antrag. Die subsidiären Lösungen liegen als Bausteine daneben, die strategische Partnerschaften der Hochschulen, der Fächer des englischsprachigen Studienangebots, die neue Mobilisierung der Austauschs in Sport, Kultur, der sozialen Aktivität. Das ist ein europäisches Erneuerungsprojekt, das Existenzvoraussetzungen Nordrhein-Westfalens festigt. Auf die Beratungen im Ausschuss freue ich mich.

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