Rainer Deppe zu TOP 4 "Artenvielfalt in NRW schützen – Landesnaturschutzgesetz erhalten!"

20.03.2019

Sehr geehrte Präsident! Meine Damen und Herren!


Wir freuen uns, dass sich aktuell wieder mehr Menschen für Artenschutz und Artenvielfalt
interessieren. Da sind ja nicht nur die 1,8 Mio. Menschen, die in Bayern das Volksbegehren
unterschrieben haben.
Wir bedanken uns zum Beispiel bei den Nachbarschaftsinitiativen und Bürgervereinen, die in
diesen Wochen bei den Aktionen Frühjahrsputz Müll aus der Landschaft sammeln, den leider
Gottes Andere dort hinterlassen haben. Es ist den Menschen nicht gleichgültig, was in unserer
Landschaft passiert – und das ist gut so.
Die Landwirte berichten von einem beginnenden Interesse an Bienenweide-Patenschaften. Für
nur 25 EUR pro Jahr bieten Landwirte an, 100 m² Bienenweide anzulegen und zu pflegen. Was
noch etwas fehlt, ist der Massenandrang. In die Hofläden kommen immer noch mehr Menschen,
um Obst, Fleisch, Käse oder Eier zu kaufen, als um zu erklären, dass sie eine Bienenweide
anlegen.
Schon 69.612 Menschen haben die Petition von Bauer Willi „Gemeinsam für Bienen und Klima“
unterzeichnet. Er hat vollkommen Recht. 300.000 Landwirte sind für etwa die Hälfte der Fläche
in Deutschland zuständig. Aber wir brauchen auch den Beitrag der anderen Hälfte. Schön wäre
es, wenn daraus Handlungen resultieren würden. Aber auf mit dem Robotermäher kurz
geschorenem Rasen oder Steingärten leben nun mal keine Insekten oder andere Tiere.
In Ihrem Antrag zeichnen Sie erneut das unzutreffende Bild vom dramatischen Artenrückgang.
Sie wissen genau, dass das nicht korrekt ist. In der Antwort des damaligen Ministers Johannes
Remmel auf meine Kleine Anfrage (Drucksache 16/12150) von 2.6.2016 steht es doch: Mehrere
hundert wildlebende Arten haben sich in den letzten Jahrzehnten wieder so positiv verbreitet,
dass sie in Nordrhein-Westfalen von der ‚Roten Liste‘ gestrichen werden konnten. Darunter
sind auch bekannte Arten wie beispielsweise Feldhase, Biber, Fischotter, Wildkatze, Uhu,
Rotmilan, Schwarzstorch.
Für uns heißt kompetenter Naturschutz aber auch, über die Misserfolge und über die
Artenrückgänge zu sprechen und vor allem Ursachen zu erkennen und dann Lösungen zu
finden. Wenn der Bestand von Bachforelle und Bachneunauge sich verbessert und im gleichen
Zeitraum der von Aal und Äsche sich verschlechtert – dann muss das Gründe haben. Wenn
Störche zunehmen, die Uferschnepfe aber zurückgeht – dann gibt es Ursachen. Wenn der
Feldhase zunimmt und die Haselmaus abnimmt – dann gibt es Gründe. Und die müssen wir
erkennen und die Schlussfolgerungen ziehen.
Und da sage ich Ihnen: das geht nicht damit, die Natur sich allein zu überlassen. Das Recht des
Stärkeren war bisher nicht das Erfolgsmodell für Artenvielfalt. Prozessschutz ist kein
Allheilmittel. Die wertvollsten Landschaften, die größte Artenvielfalt haben wir gerade dort, wo
die Natur eben nicht sich selbst überlassen wurde, wie bei mir vor der Haustür in der Wahner
Heide. Ohne die Pflege durch Rinder, Schafe, Ziegen, durch regelmäßiges Mähen, durch
Beseitigung von Bäumen und dem Kirschlorbeer wäre die Heide längst verbuscht, so dass viele
Arten ihren Lebensraum verloren hätten.
So verrückt das klingen mag. Die Westfälischen Nachrichten schrieben am 28. Februar: Der
Panzer ist der beste Naturschützer. Da ging es um den Truppenübungsplatz Dorbaum, zu
dessen Erhalt das Umweltministerium gerade eine neue Vereinbarung unterschrieben hat. Das
gleiche gilt für die Senne; eines der wertvollsten Gebiete in Nordrhein-Westfalen. 5.000 Arten
finden wir dort. Das Gebiet wollen wir so vielfältig erhalten, wie es jetzt ist. Wir wollen und
müssen den Lebensraum erhalten. Das geht nicht mit einem Nationalpark, weil dort
Prozessschutz gilt und spezialisierte Lebensräume verloren gingen. Die Biologische Station hat
uns dies ja vor Ort schon vor Jahren erklärt.
Das Selbstüberlassen von Flächen und dann Abwarten, was passiert, führt weder per se zu einer
größeren Artenvielfalt, noch haben wir die Zeit für Jahrzehnte andauernde Misserfolge.
Wir brauchen eine Intensivierung des Naturschutzes. Naturschutz, der klar die Ziele benennt,
die für ein bestimmtes Gebiet erreicht werden sollen, und dann müssen wir das konsequent
umsetzen.
Das geht am Besten im Konsens. Dass das funktioniert, dass Konsens entstehen kann, haben
wir im Bergischen Land gezeigt. Dort haben unter Federführung der Biologischen Station drei
Landwirtschaftsorganisationen und drei Naturschutzverbände die Bergische Zielvereinbarung
„Landwirtschaft und Naturschutz“ geschlossen.
Auch Aussetzen von Arten darf nicht länger ein Tabu sein. Aber dann muss man auch die
Rahmenbedingungen schaffen, dass es gelingen kann. Wir setzen seit 1998 Lachse aus, bringen
die Gewässer in Ordnung und kümmern uns um die Lebensräume in den Flüssen. Trotzdem
kommen wir leider nur in Trippelschritten voran. Wir verbessern den Lebensraum für Lachse,
aber den größten Feind, den Kormoran, lassen wir unbehelligt. Dann wundern wir uns, dass wir
nicht nach vorne kommen; aber gleichzeitig der Kormoran sich gleichzeitig explosionsartig
vermehrt hat.
Oder nehmen Sie den relativ unscheinbaren Ameisenbläuling, eine Rote Liste Art. Der lebt in
einer Symbiose mit einer Pflanze, dem Großen Wiesenknopf und der Roten Gartenameise.
Also reden wir tabulos über die Erfolge und die Misserfolge des Naturschutzes. Die Natur
braucht Handeln und die Menschen erwarten klare Antworten. Was hilft der Biodiversität
wirklich? Wie können wir Lebensraum für mehr Arten schaffen? Und vor allem lassen wir die
Vermutungen und Anschuldigungen sein.
Sie ernten damit ausschließlich Resignation, so wie sie in dem aktuellen Song der Rockband
„Die Ärzte“ zum Ausdruck kommt: "Los komm, wir sterben endlich aus, denn das ist besser für
die Welt; der letzte Drink, der geht aufs Haus…“. Pessimistischer geht es nicht mehr.
Wir resignieren nicht. Und meine Bitte an Sie von SPD und Grünen: Kommen Sie raus aus Ihren
ideologischen Gräben. Lassen Sie uns gemeinsam überlegen: Was muss in einem modernen
Naturschutzgesetz stehen? Ich freue mich auf die spannende und wichtige Aufgabe in den
nächsten Monaten.

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