Ralf Nettelstroth zu TOP 5 "Mehr Verkehrssicherheit, bessere Luft und weniger Lärm.."

16.06.2021

Anrede,
Jede neue Überlegung zur Geschwindigkeitsreduzierung sollte mit der Betrachtung der Realitäten beginnen.
Richtig ist, dass derzeit die zulässige Regelgeschwindigkeit in geschlossenen Ortschaften bei Tempo 50 km/h liegt. Richtig ist aber auch, dass die Kommunen berechtigt sind von dieser Regelgeschwindigkeit nach unten abzuweichen, wenn eine verkehrliche Notwendigkeit besteht, wie bei besonderen Umständen oder einer konkreten Gefahrensituation.
Solche Umstände und Gefahrensituationen haben die Kommunen vielfach ausgemacht und gerade in Wohngebieten 30er-Zonen eingerichtet. Ferner wurden in den letzten Jahren vor Schulen, Alteneinrichtungen, Kindergärten oder Bereiche mit starker Fußgängerquerung die Temporeduzierung auf 30 Km/h eingeführt, meist auch mit großer Zustimmung der Kommunalpolitiker vor Ort.
Diese Maßnahmen und das Verkehrsaufkommen insgesamt führen dazu, dass sich die Durchschnittsgeschwindigkeit in Städten jedes Jahr im Schnitt um rund 1,2 % reduzieren, so dass z.B. in Köln die Durchschnittsgeschwindigkeit bei 38 km/h und in Düsseldorf bei 36 km/h liegt, mit weiter abfallender Tendenz.
Eine These des Grünenantrages ist, dass Schadstoffe bei Tempo 30 reduziert würden. Dies ist bereits deshalb schon äußerst fragwürdig, weil Fahrzeuge für die selbe Strecke bei gleichbleibend Tempo 30 rund 67 % länger unterwegs sind und in dieser Zeit zusätzliche Abgase erzeugen. Bei der Berücksichtigung von Halten, Stoppen und Anfahren würde sich die Reisezeit um gut 25 % verlängern. Ferner spielt bei Emissionen neben dem Fahrzeug- und Motortyp die Verkehrs- und Straßensituation eine große Rolle. Bei einer geringeren zulässigen Höchstgeschwindigkeit werden die Fahrzeuge nicht im optimalen Betriebszykluss betrieben. So haben Studien festgestellt, dass der Kohendioxid-, Stickoxid- und Feinstaubausstoss bei bis zu 40 km/h höher ausfällt als darüber hinaus. Bei Modellberechnungen wurde so ermittelt, dass in Stuttgart bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 33,5 km/h die Emissionen in allen drei Bereichen bei 12 – 15 % höher ausfallen als in Bremen bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 39,2 km/h.
Eine weitere These des Grünenantrages ist, das Lärm reduziert würde. Studien dazu kommen zu dem Ergebnis das bei gleichbleibender Durchschnittsgeschwindigkeit von 30 km/h, der Maximalpegel um bis zu 7 dB(A) gemindert werden könne. So der Idealfall unter Laborbedingungen. Tatsächlich kommt es jedoch maßgeblich auf den Straßenbelag und die Fahrweise an. Beschleunigungsvorgänge mit hohen Drehzahlen gerade in den unteren Gängen oder wiederholte Bremsvorgänge relativieren die jeweilige konkrete Lärmreduktion auf allenfalls noch 2dB(A). Die Abrollgeräusche der Reifen wird allenfalls bei einer Geschwindigkeit von mehr als 50 km/h relevant, weil erst dann das Abrollgeräusch das Motorengeräusch übertönt.
Die dritte These des Grünenantrages ist, dass die Verkehrssicherheit erhöht würde. Dazu gibt es wenige aussagekräftige Studien, weil der Einfluss der Geschwindigkeit auf das Unfallgeschehen nicht eindeutig nachweisbar ist. So ereignen sich die meisten Unfälle meist an Knotenpunkten, wo bereits eine geringere Geschwindigkeit gefahren wird. In Münster sind z.B. 86 % der Unfälle an Kreuzungen oder Einmündungen zu verorten.
Die generelle Einführung der Temporeduzierung auf 30 km/h würde dazu führen, das Kommunen nur noch bedingt Verkehrssteuerung betreiben können. Bei gleicher Geschwindigkeit auf Haupt- und Nebenstraßen nutzt der MIV die kürzeste Route und fährt verstärkt durch Bereiche, die bewusst im Verkehrsaufkommen reduziert werden sollten. Die Bündelungswirkung von Hauptstraßen würden dadurch marginalisiert. Ferner würde auch die Aufmerksamkeit abnehmen, da die generelle Regelung den Fahrer die bewusste Wahrnehmung der Geschwindigkeitsreduzierung und des jeweiligen Grundes nimmt und damit letztlich auch seine Bereitschaft sich an solche Regelungen zu halten.
Entscheidend ist aber auch, das Tempo 30 bei einer generellen Einführung für alle Verkehrsteilnehmer gilt. Der ÖPNV erhebt daher oft Einwände bei derartigen Überlegungen, weil Busse und Straßenbahnen mehr Fahrzeit benötigen, die Taktfahrpläne nicht mehr funktionieren und teils zusätzliche teure Busse und Bahnen nebst Personal eingesetzt werden müssten, welche den jeweiligen Kostendeckungsgrad weiter absenken und die unmittelbare oder mittelbare Subventionierung durch die kommunalen Haushalte erhöht. Wegen längerer Reisezeiten nimmt die Attraktivität des ÖPNV ab und gleichzeitig steigen die Kosten für längere Betriebszeiten. Dies bedeutet eine Schwächung des Umweltverbundes.
Ferner müsste die gesamte Verkehrsplanung überarbeitet werden, so dass die Koordinierung der Lichtsignalanlagensteuerung insgesamt nach Verkehrsflussmodellen neu gerechnet und eingerichtet werden müsste.
Spannend ist die erhöhte Vereinnahmung von Ordnungswidrigkeitsentgelten bei Geschwindigkeitsüberschreitungen, die bei Tempo 30 eher zu erwarten sind. Dies gilt auch deshalb, weil neben dem MIV nun auch die Radfahrer ins Visier der Behörden geraten können. Mit einem Pedelec oder E-Bike schneller als 30 km/h unterwegs zu sein, ist ein leichtes, so dass die Grünen wahrscheinlich bald die Einführung von Nummernschildern für Fahrräder einfordern werden, um der Geschwindigkeitssünder auch vollumfänglich habhaft zu werden. Eine weitere Schwächung des Umweltverbundes wäre die Folge.
Wir freuen uns jedenfalls auf die ausführliche Diskussion im Fachausschuss und werden der Überweisung dorthin natürlich zustimmen.

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