Ralf Nolten zu TOP 1 „Städtische und ländliche Räume nicht länger gegeneinander ausspielen! – Landesregierung muss Interessen besser zum Ausgleich bringen“

31.03.2023

Sehr geehrter Damen und Herren!

Tja, da bei dem dürren Antrag heute habe ich mich gefragt: wo ist der aktuelle Aufhänger, der Anlass, der über den für gestern Abend angesetzten Antrag zum Dorferneuerungsprogramm hinaus diese Aktuellen Stunde begründet?

Erster Absätze des Antrags geben vor, sich über zwei Presseartikel mit einem Verteilungsproblem von Wohnbedarfen zu beschäftigen unter Hinweis auf ländliche Wohnungsleerstände.
Vor zwei Jahren war es die AfD, die genau mit diesem verqueren Ansatz zur Flüchtlingsunterbringung um die Ecke kam. Die Faktenlage hat sich seitdem nicht verändert:

Ja, Leerstandsquoten von 3 ½ Prozent finden sich im Sauer- und im Lipper Land. Sie finden sich aber auch in Hagen, Remscheid, Solingen und Mönchengladbach. Münster hat nur 1 1/2 % - ähnlich wie Borken, Coesfeld, Wesel und Steinfurt. Neben mittelbaren Ursachen wie wirtschaftlichen, politischen und planerischen Rahmenbedingungen sind für den Einzelfall schwierige Eigentumsverhältnisse, Lage und Bausubstanz, Gebäude- und Grundstückswerte entscheidend.

Ihre  Situationsbeschreibung ist - mehr denn je - jenseits der Realität: Warum glauben Sie rufen die Bürgermeiste landauf, landab um Unterstützung bei der Flüchtlingsunterbringung? Wegen der vorhandenen Leerstände? Sie haben schon mitbekommen, dass alleine im letzten Jahr über eine Viertelmillion Flüchtlinge in NRW eine Bleibe gefunden haben?

Ja, und da finden sich in Ihrem Antrag furchtbar schlaue Sätze wie „Wir müssen die lokale Wirtschaft ankurbeln. Wo neue Arbeitsplätze geschaffen werden, werden potenzielle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sein.“ Nehmen Sie bitte zur Kenntnis: bei einer Arbeitslosenquote in NRW von 7,2 % liegen die Quoten in den Bezirken Höxter bei 4,4, in Monschau bei 3,9, in Borken und im sauerländischen Schmallenberg bei 2,7 %.

Wirtschaftlich sind die ländlichen Kommunen im Schnitt nicht soviel schlechter aufgestellt, auch dank unserer gemeinsamen Politik:
Mit der Ausgleichs- und Unterhaltungspauschale, der Aufstockung der Abwassergebührenhilfe, die endlich ein klein wenig den tatsächlich höheren Bedarfen durch ein Mehr an Straßen, Kitas, Schulen in dünnbesiedelten Bereichen Rechnung tragen.
Mit einer Finanzausstattung  die dazu geführt hat, dass bis zur Ukrainekrise alle NRW-Kommunen ihre Liquiditätskredite um über 20 % zurückführen konnten.

Ja, punktuell sind einzelne Regionen im Land benachteiligt, wenn es um Akademiker, um Fachkräfte in bestimmten Bereichen geht. Um den „Klebeeffekt“ zu stärken, gibt es im Gesundheitsbereich die neue medizinische Fakultät OWL, die Landarztquote, die Niederlassungsprämie, die Einzelförderung zur gezielten Förderung der  Versorgungsstruktur.

Telemedizinische Komponenten mit den entlastenden Versorgungsassistenten sichern Versorgungsqualität in der Fläche wie auch die neue Krankenhausplanung. Merken Sie was? Während Sie Probleme beschreiben, sind wir mit den Strukturen vor Ort doch längst mit Lösungen unterwegs.

Auch hinsichtlich der Verkehrsanbindung lohnt der differenzierte Blick:  Gefühlt lebt jeder Zweite in NRW im Ländlichen. Meinen wir verkehrsmäßig schlecht angeschlossene Lagen in Eifel, Süder- und Weserbergland, sind es weniger als 2 % der Bevölkerung.

Weder ländliche, noch städtische Wohnungsmärkte weisen homogene Strukturen und Trends auf. So steht es in der Antwort auf die Große Anfrage zu ländlichen Räumen von August 2021. Jung kauft alt, Dorv-Läden oder Bürgerbusse: wir unterstützen die Initiativen. Die Bürgerbus-Initiativen bekommen übrigens in der Summe heute nahezu das Doppelte an Förderung als noch vor Jahren.

Wir fördern die Initiativen vor Ort über das NRW-Programm Ländlicher Raum, die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes. Das Programm „Dritte Orte“ fördert Orte für Kultur und Begegnung in ländlichen Bereichen.

Kein Programm macht das so deutlich wie das Heimatprogramm, bei dem übrigens über die Hälfte der Förderungen in die kleineren Kommunen gehen.

Ländliche Räume sind nicht wie bei Ihnen Problemzonen, sondern Chancenräume. Wir haben das begriffen.

Warum wird das längst überholte uralte Stadt-Land-Dichotomiemodell bei der FDP nun wiederbelebt?

Wie ist es zu erklären, dass der in  die heutige Debatte überführte Antrag lautet „Den ländlichen Raum stärken statt vernachlässigen!“,
der Antrag zu dieser Aktuellen Stunde aber in der Überschrift markig formuliert: „Städtische und ländliche Räume nicht länger gegeneinander ausspielen“  und mit keinem einzigen, mit keinem einzigen Satz aufzeigt, wo denn diese aktive Benachteiligung stattfindet?

Mich beschleicht das Gefühl: die Provinzwahlen in den Niederlanden mit dem starken Abschneiden der BoerBurgerBeweging ermuntern die FDP, sich hier und heute in die Brust zu werfen. Die FDP als Retterin der Landwirtschaft, des Ländlichen, so ihr Tagtraum.

Aber auch das hat leider keine Tagesaktualität.