Raphael Tigges zu TOP 3 "Ein klares Bekenntnis für die Fusionstechnik..."

24.08.2023

Sehr geehrter Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Klar ist, werte Kolleginnen und Kollegen, dass wir in diesem hohen Haus alle das Ziel verfolgen, und das auch unsere Aufgabe ist, Rahmenbedingungen zu setzen, die das Erforschen neuer und nachhaltiger Energiequellen möglich machen.

In Anbetracht des Klimawandels und vieler geopolitischer Unsicherheiten ist es zweifellos auch von entscheidender Bedeutung, unsere Energieversorgung in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen im Speziellen auf stabile und umweltfreundliche Füße zu stellen.

Was aber zur Erreichung dieses Ziels nicht beiträgt ist, sich dabei auf nur ein Thema zu fokussieren, ja gar zu fixieren.

Ich hätte mir gewünscht, dass die FDP mit dem gleichen Elan das Tempo der Zukunftskoalition von CDU und Grünen hier in NRW beim Ausbau der erneuerbaren Energien unterstützt hätte, statt es bei jeder Gelegenheit zu kritisieren und zu torpedieren.

Denn was wir gerade jetzt brauchen, ist der beschleunigte Ausbau von leistungsstarken, kurzfristig zur Verfügung stehenden Energiequellen aus erneuerbaren Energien, um den Energiebedarf zu decken und dem Klimawandel zu begegnen.

Dass die FDP sehr fusions-fixiert scheint, zeigt, dass sie erst Anfang diesen Jahres einen Antrag zur Fusionsforschung eingereicht haben, dem eine Diskussion im Ausschuss und eine Anhörung im Mai folgte. Somit ist das Thema bereits in der parlamentarischen Debatte.


Aus der Anhörung haben auch Sie sicherlich mitgenommen, dass die Fusionstechnologie eben keine kurzfristige Lösung zur Deckung unserer Energiebedarfe ist und die Forschung dazu noch in den Anfängen steckt.

Und was auch aus der Anhörung hervorging ist, dass die kommerzielle Anwendung der Fusionstechnologie erst in 25-35 Jahren realisierbar ist, bevor die Fusionstechnik möglicherweise einen spürbaren Beitrag zur Energieversorgung leisten kann.

Wir stehen gerade an dem Punkt, wo Chancen und Risiken abgewogen und erforscht werden, auch diese Technologie ist nicht ganz ohne Risiken und Nebenwirkungen.

Beide Formen der Fusionstechnologie, also sowohl die Trägheitsfusion, als auch die Magnetfusion, könnten mittlerweile theoretisch realisiert werden, jedoch stehen wir vor dem ernüchternden Fakt, dass beide Ansätze derzeit noch keine positive Energiebilanz aufweisen können, wenn man die Energie betrachtet die aufgewendet werden muss, um die Prozesse in Gang zu setzen.

Von den notwendigen Elementen ist Deuterium ausreichend in Wasser vorhanden, aber Tritium für die Fusionsreaktoren muss aus „Kernspaltungsreaktoren“ gewonnen werden, mit den damit verbundenen Risiken und Kosten, und ist derzeit nur begrenzt verfügbar.

Die schwarz-grüne Landesregierung verfolgt dagegen einen Ansatz der technologieoffenen Forschung. Sie setzt sich dafür ein, Technologien zu fördern, die zeitnah CO2-Emissionen senken und eine klimaneutrale Produktion ermöglichen können und auch schon in der Gegenwart Energieproduktion leisten können.

Statt alles auf eine Technologie zu setzen, die noch nicht marktreif ist, sollten wir uns auf die ganzheitliche Steigerung der Effizienz konzentrieren und den Ausbau bestehender erneuerbarer Energien ebenso verfolgen, wie auch das Erproben neuer Möglichkeiten.

Vielleicht macht ja auch der technologische Fortschritt bei den erneuerbaren Energien die Fusionstechnologie obsolet bevor sie vollständig entwickelt ist. 35 Jahre können in der Forschung eine lange Zeit sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir haben in Nordrhein-Westfalen eine exzellente Forschungslandschaft, wie am Forschungszentrum Jülich im Bereich der Magnettechnologie oder beim Fraunhofer-Institut für Lasertechnologie in Aachen. Diese Institute sind Teil einer weltweit eng vernetzten Forschungsgemeinschaft und arbeiten bereits an dem gemeinsamen Ziel, die Grundlagen für effiziente Kernfusionskraftwerke zu schaffen.

In Südfrankreich entsteht gerade mit dem internationalen Fusionreaktor „Iter“ ein Gemeinschaftsprojekt mehrerer Staaten, an dem auch die Europäische Union beteiligt ist (so auch NL, Belgien und die Bundesrepublik).

Auch die schwarz-grüne Landesregierung steht selbstverständlich weiterhin im kontinuierlichen Austausch mit den im Bereich der Fusionstechnologie relevanten Akteurinnen und Akteuren und versteht es als Teil ihrer energiepolitischen Verantwortung, die Thematik ungeachtet ihrer vergleichsweise langfristigen Perspektive weiter zu verfolgen und - soweit notwendig und sinnvoll - zu unterstützen.

 


In diesem Kontext ist es jedoch entscheidend, dass wir unsere begrenzten Ressourcen (und die Haushaltseinbringung hatten wir ja gestern) klug einsetzen und solche Mega-Projekte wohl auch kaum alleine schultern können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP,

Sie verweisen ja gerne auf die Initiativen Ihrer Ministerin für Bildung und Forschung in Berlin. Aber bis auf viel heiße Luft und Ankündigungen, runden Tischen und Positionspapieren ist zu dem Thema Fusionsforschung noch nicht viel gekommen.

Frau Stark-Watzinger ist nach den Meldungen zu den Forschungserfolgen bei der Fusionstechnologie auf den fahrenden Zug aufgesprungen und hat zwar medienwirksam viel angekündigt, aber nichts geliefert auf dessen Basis wir in den Bundesländern, so auch in NRW, aufbauen könnten.

Werte Kolleginnen und Kollegen der FDP, es fällt mittlerweile auf, dass alles das, was in Berlin nicht umgesetzt wird oder Sie in der Ampel nicht durchgesetzt bekommen, dem Land aufs Auge drücken wollen.

Wir wollen Frau Starck-Watzinger und Sie auf Bundesebene daher nicht aus der Verantwortung lassen, zunächst mal die Rahmenbedingungen, die gesetzlichen Grundlagen und vor allem auch die finanzielle Beteiligung des Bundes für derartige Megaprojekte wie ein Demonstrationskraftwerk auf den Weg zu bringen. Denn ohne finanzielle Beteiligung des Bundes wird es in diesem investitionsintensiven Bereich nicht gehen.

Und noch eins lässt mich etwas fragend zurück.

In ihrem Antrag fordern Sie sage und schreibe 1 Mrd. Euro aus den Strukturfördermitteln für das rheinische Revier (von insgesamt 14,8 Mrd. €). Also rund 7 % der Mittel in das Projekt eines wohlgemerkt „Demonstrationskraftwerks“ zu stecken. Was aktuell keine oder kaum wirtschaftliche Effekte hätte und bislang in der Region mit der Zielrichtung so nicht diskutiert wurde.

Zum Beispiel wurde das Projekt Iter in Südfrankreich am Anfang mit 4,7 Mrd. Euro kalkuliert, mittlerweile liegt das Projekt bei etwa 15 Mrd. m.W.

Vielleicht sollten Sie Ihren Kalkulationsansatz noch prüfen, ob der überhaupt richtig ist und nicht nur Augenwischerei.

Und vielleicht erklären Sie uns auch nochmal die in Ihrem Antrag aufgeführte Forderung, sich gemeinsam mit Forschung und Industrie in die Standortsuche für ein Demonstrationskraftwerk in „Deutschland“ einzutreten.
Zwar mit dem Ziel in NRW, aber formuliert ist es ergebnisoffen.

Gleichzeitig buchen Sie dann schon, obwohl Sie ergebnisoffen in Deutschland suchen wollen, in Ihrem Antrag Mittel aus dem Strukturfördermittel Rheinisches Revier in die Realisierung eines Demonstrationskraftwerkes um, dessen Standort noch gar nicht verortet ist.

Sollen dann Strukturfördermittel aus NRW auch woanders in Deutschland, oder gar NL oder Belgien eingesetzt werden?

Gewundert hat mich auch, dass Sie jetzt eine Mittelumschichtung einfordern in ein langfristiges Forschungsprojekt, wo erst in 25-35 Jahren der Effekt für Energieerzeugung, Wirtschaft und Arbeitsplätze zu sehen ist.

Ihre bisherigen Forderungen waren immer, dass die Mittel zügig, sprich kurzfristig, für Arbeitsplätze und den akuten Strukturwandel zur Verfügung stehen müssen. Das wäre in diesem Fall wahrscheinlich nicht so.

Und ja, die Strukturfördermittel für das rheinische Reviers sollen viele Bereiche des kurzfristig anstehenden Strukturwandels abdecken und stehen nur bis 2038 zur Verfügung, also für max. noch 15 Jahre. 

Gleichen Sie doch mal ab, ob Ihre Forderung in das zugrunde liegende Leitbild, die Förderzeiträume und die Förderbedingungen aus der Bundes- und Landesförderung für die Entwicklung des rheinischen Reviers passt.

Zum Beispiel zur Schaffung von Arbeitsplätzen, Verkehrsinfrastruktur, Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge, Gesundheits- und Kultureinrichtungen, Städtebau, Digitalisierung und Mobilfunkausbau und vieles mehr.

Wir haben ja die Möglichkeit das ganze Thema in den beteiligten Ausschüssen nochmal zu diskutieren.

Dem versperren wir uns nicht, dann haben Sie da die Möglichkeit, aus der jeweiligen Fachsicht die Defizite Ihres Antrags nochmal zu erkennen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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