Rede zur Aktuelle Stunde: "Nach der Ablehnung des EU-Austrittsabkommens durch das britische Unterhaus: Wie bereitet die Landesregierung Nordrhein-Westfalen auf einen möglichen harten Brexit vor?"

23.01.2019

Anrede,

der Brexit ist und bleibt bedauerlich und ist aus unserer Sicht in der Sache eine schlimme Fehlentscheidung. Gleichwohl müssen wir die – wenn auch sehr knappe – Entscheidung des britischen Volkes akzeptieren.

Sie ist dennoch gegen die eigenen Interessen, sie schadet aber auch dem Projekt Europa, das auf dem Fundament von Frieden, Freiheit und offenem Binnenmarkt beruht.

Aber: es ist auch beklemmend zu sehen, wie die politische Elite eines Landes, das mit als Wiege der modernen Demokratie anzusehen ist, in einer schwierigen Situation kollektiv versagt.
Zunächst haben unverantwortliche Politiker die Zukunft des Landes aus parteitaktischen Gründen aufs Spiel gesetzt. Dann hat eine hoch polarisierte Debatte mit wenig sachlichen Argumenten, die sich kurze Zeit später auch noch als Lüge herausgestellt haben, eine Mehrheitsentscheidung in einem Referendum herbeigeführt.

Dann erst haben die Bürger mehrheitlich festgestellt, dass die Entscheidung doch vielleicht problematisch ist. Und jetzt schafft es die politische Führung durch alle Parteien und Fraktionen nicht, eine geordnete Mehrheitsbildung  für  etwas zustande zu bringen. Weder für einen geordneten Brexit noch für eine andere Option. Geschweige denn für die Option eines zweiten Referendums.

Was können andere tun?
Was kann Brüssel tun: das haben wir in den letzten Monaten erlebt: ein Angebot für eine konsequente, aber faire Trennung unter Wahrung der Interessen der
anderen 27 Mitgliedstaaten zustande zu bringen.

Was kann Deutschland tun: daran weiter mitwirken, sich auf die absehbaren Folgen vorbereiten, von Wirtschaft über Arbeitsmarkt und Hochschulen bis hin zu Landwirtschaft oder Steuer-, Finanz- und Zollsystem.

Und NRW: wir sind eingebunden als größtes Bundesland in die politischen Aktivitäten Deutschlands, wir werben um den Verbleib unserer britischen Freunde in der EU. Und sollte dies nicht gelingen, brauchen wir eine möglichst enge Partnerschaft. Unsere Hand jedenfalls bleibt zu jeder Zeit ausgestreckt.

Die Überschrift der von den GRÜNEN beantragten Aktuellen Stunde kommt eher daher wie eine Kleine Anfrage an die Landesregierung.
Das verwundert auch nicht so sehr. Denn in der Sache sind sich die meisten Abgeordneten dieses Landtags ja einig. Um dann doch noch einen möglichen Dissens zu produzieren, muss man mindestens doch einmal Fragen stellen.

Und der Antrag der AFD disqualifiziert sich schon von ganz alleine. Boris Johnson als Quelle heranzuziehen, der nachweislich mit Falschaussagen vor dem Referendum durchs Land gezogen ist, ist an Lächerlichkeit eigentlich nicht mehr zu überbieten. Aber gut, wenigstens bleiben sie sich treu.

Vieles ist am Montag in einer Sondersitzung des Europaausschusses ausführlich erörtert worden.
Die Landesregierung hat mehr als deutlich gemacht, dass sie sich auf allen Ebenen auf jedes mögliche Szenario vorbereitet. Aber auf manches in der aktuellen politischen Lage in London können wir uns hier nur sehr begrenzt einstellen. Da muss man eben in Szenarien denken. Auch das wissen hier alle im Plenarsaal. Und sogar Herr Remmel lobte die Landesregierung für ihren umfangreichen Bericht.

Die gestern vorgestellte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft im Auftrag des MWIDE hat deutlich gezeigt, dass die große Mehrzahl der Unternehmen auf unterschiedliche Brexit-Szenarien vorbereitet ist und bereits Maßnahmen zur Vorbereitung auf den Brexit getroffen hat. Die Unterstützung der Landesregierung zeigt also Wirkung.
Fazit: Diese Aktuelle Stunde ist also, wieder einmal, nichts mehr als eine Showveranstaltung.
Der Brexit wird uns hart treffen, gar keine Frage, und NRW mit seinen engen Beziehungen und der über Jahrzehnte gewachsenen wirtschaftlichen, finanziellen und kulturellen Bindungen zum Vereinigten Königreich, sicherlich besonders hart.
Vor allem aber wird der Brexit schmerzlich für Großbritannien selber. Wir müssen daher, an allen Stellen, versuchen, die Folgen soweit es geht abzufedern und uns vorzubereiten.
Genau dies tut die Landesregierung.