Simone Wendland zu TOP 5 „Hausdurchsuchungen bei Beleidigungsdelikten in Nordrhein-Westfalen: Umfang, Verhältnismäßigkeit und Vergleich mit anderen Straftaten“

05.11.2025

Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

88 einzelne Fragen auf 82 Seiten beantwortet von der Landesregierung- ich weiß nicht, ob alle hier im Plenum das gelesen haben. In jedem Fall möchte ich aber die AFD-Fraktion dringend bitten, die Antwort der Landesregierung auf ihre große Anfrage an ihre Kollegen in Berlin weiterzugeben und nicht nur Ihren Redebeitrag für Ihre social media Arbeit zu nutzen. Denn in Berlin wird sie dringend gebraucht. Ich erkläre mal warum:

In den letzten sechs Jahren gab es in NRW fast eine halbe Million Strafverfahren wegen Beleidigung, also wegen Verstoßes gegen §185 StGB.

Im Zuge der Ermittlungen zu diesen Verfahren gab es in diesen sechs Jahren in ganz NRW 5 Hausdurchsuchungen – 5, nicht 50.000, nicht einmal 5.000 oder 500.
Die AFD im Bundestag hat aber gerade einen Gesetzentwurf eingebracht, nach dem Hausdurchsuchungen bei Ehrverletzungsdelikten generell untersagt werden sollen. Hundertfach, ja massenhaft habe es solche Hausdurchsuchungen gegeben, behauptetet die AFD in der dortigen Debatte. Da wurden dramatischste Umstände bei diesen vielen Hausdurchsuchungen geschildert, bei denen arme Menschen nächtens aus dem Bett geklingelt wurden und gerade noch rechtzeitig an der Tür waren, bevor diese zerstört wurde.
Jetzt muss man sich fragen, woher man bei der AFD derlei Situationen so genau kennt, wenn es doch so gut wie keine Hausdurchsuchungen gab.
Denn wo sollen die stattgefunden haben?
Wenn man den Königsberger Schlüssel als Maßstab nehmen würde, hätte es bundesweit 24 Hausdurchsuchungen wegen §185 StGb gegeben – aufgerundet und in sechs Jahren. Oder anders ausgedrückt: Alle drei Monate eine in ganz Deutschland.
Ich will es mal so sagen: Sie sollten von den Fake News Profis lernen. Die machen wenigstens nicht den Fehler und hinterfragen ihre eigenen Fake News.
Spätestens dann kommt die Wahrheit nämlich ans Licht oder wie hier – ins Plenum.

Auch die Mär von massenhaften Anzeigen durch Politiker hat sich als falsch herausgestellt. Ganze 34 Anzeigen von Mitgliedern der Landesregierung gab es in den letzten sechs Jahren und wir können uns vorstellen, was alles über unsere Kabinettsmitglieder gepostet wird und was für Emails sie erhalten.
Wir können es ja auch in der Anlage nachlesen.
Bei der Gelegenheit ein Wort zu dieser Zusammenstellung:
Meine Hochachtung gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Justizministeriums, die diese Antwort erstellt haben. Es gibt wahrlich schönere Aufgaben, als mehr als 40 Seiten mit den schlimmsten Beleidigungen zusammenzustellen.
Ich werde nichts davon hier wiederholen.
Nur soviel:
Nicht jede Wortschatzerweiterung ist erstrebenswert.
Aus der Großen Anfrage ist also die große Blamage geworden.
Deshalb vermute ich auch, dass die AFD-Fraktion meiner Bitte nicht entsprechen wird. Aber irgendwie wird die Antwort schon nach Berlin kommen.
Unsere Kollegen freuen sich auch darüber.

Sie von der AFD haben einmal mehr gezeigt, dass es Ihnen nicht darum geht, Probleme zu lösen oder gar unser Gemeinwesen voranzubringen. Sie wollen das Vertrauen in unsere Institutionen und ihre Repräsentanten zerstören.  Sie kritisieren, dass sich Politiker gegen Beleidigungen wehren,
dabei ist aber ihre Parteivorsitzende eine derjenigen, die besonders viele Anzeigen stellt.
Und dann beklagen sie die Vielzahl der Verfahren.
Sie fragen ja auch – ganz im Gestus des besorgten Steuerzahlers – nach den Kosten für eine Hausdurchsuchung. Durchschnittlich 162,13 Euro. Wir können sicher davon ausgehen, dass die Beantwortung Ihrer Anfrage mit 88 Fragen auf 82 Seiten deutlich teurer gewesen ist, als alle fünf Hausdurchsuchungen zusammen. Vielleicht kann die Landesregierung ja dazu noch Auskunft geben.
Bei allem Ärger über diese überflüssige Anfrage und den Aufwand, den sie ausgelöst hat, sollten wir nicht vergessen, dass das eigentliche Thema mehr als wichtig und relevant ist:
Hass und Hetze, kulminiert in den abscheulichsten Beleidigungen vergiften unser gesellschaftliches und politisches Klima. Dem sollten wir uns gemeinsam entgegenstellen:
Im Kleinen und Privaten, im Großen und Öffentlichen und wenn es sein muss auch mit den Mitteln des Rechtsstaates. Denn Demokratien können und müssen viel ertragen, das heißt aber nicht, dass Demokraten sich alles gefallen lassen müssen.

Themen