Strukturbruch in der Windindustrie vorbeugen – für eine Bürgerenergie, die diesen Namen verdient

15.11.2017
Dr. Christian Untrieser zu TOP 2

Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren!

32% des in Deutschland verbrauchten Stroms erzeugten im Jahr 2016 erneuerbare Energien. Damit tru¬gen erneuerbare Energien mehr zur Stromerzeugung bei als die anderen Energieträger. Bis zum Jahr 2025 soll dieser Anteil auf 40% bis 45% wachsen. Zehn Jahre später sollen es 55% bis 60% sein. So sieht es das aktuell geltende Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Ener¬gien, kurz EEG, vor.

Eines ist klar: Wir werden zur Absicherung auch weiterhin konventionelle Kraftwerke brau¬chen. Für die erneuerbaren Energien gilt: Wer von einem Nischenakteur zum relevantesten Player im Strommarkt geworden ist und diesen zukünftig noch stärker dominieren wird, der kann nicht so gefördert werden wie zu Beginn des Markteinstiegs, sondern der muss sich im Wettbewerb behaupten.

Die EEG-Novelle der Großen Koalition in 2016 hatte genau dies zum Ziel. Die erneuerbaren Energieformen sollten an den Markt herangeführt werden, und das Instrument hierfür war und ist der Einstieg in einen Ausschreibungsmechanismus.

Herr Sundermann, ich habe gerade vernommen, dass Sie sagten, grundsätzlich seien Sie nicht gegen die Ausschreibung.

– Das ist gut. Wenn ich mir allerdings Ihren Antrag ansehe und feststelle, dass Sie, wie schon im Bundesrat im November 2015, fordern, dass Windenergieprojekte bis 6 MW oder sechs Anlagen von den Ausschreibungen ausgenommen werden sollten – die sogenannte Deminimis-Regelung, die das EU-Recht zweifellos vorsieht –, dann muss ich sagen: Sie nehmen eine Vielzahl dieser Anlagen wieder aus dem Wettbewerb heraus, den wir gerade eingeführt haben.

Insofern ist das eine Rolle rückwärts. Das würde der positiven Entwicklung, die erneuerbaren Energien in dem Bereich gemacht haben, geradezu entgegenstehen.

Die Ausschreibungen haben nach den ersten Erfahrungen ein Ziel erreicht: Die Förderkosten sind zum Teil sehr stark gesunken. Wir stellen fest, dass die Gebotswerte bereits jetzt deutlich unter den administrativ festgelegten Werten des früheren EEG liegen. Durchschnittliche Zuschlagswerte bei Wind-Onshore lagen im Mai 2017 bei 5,71 Cent pro Kilowattstunde, danach im August bereits bei 4,28 Cent. Die ausgeschriebenen Volumina wurden jeweils deutlich überzeichnet. Geradezu eine Sensation brachte die erste Ausschreibung für Windkraft auf See: Hier gewann ein Gebot für sage und schreibe null Cent Förderung.

Noch eine weitere Lehre lässt sich aus den ersten Ausschreibungen ziehen: das deutliche Übergewicht von vermeintlichen Bürgerenergieanlagen. Was ist passiert? Eine Regelung, die gut gemeint war, und die kleine Bürgerenergiegesellschaften vor ungleichem Wettbewerb mit großen professionellen Anbietern schützen sollte, ist von einem strategisch bietenden Unternehmen ausgenutzt worden. Ging das BMWI ursprünglich von 10 % Zuschlägen für Bürgerenergiegesellschaften aus, so sind es tatsächlich über 90 %, und hier überwiegend ein Konsortium, das gezielt Gesellschaften formte und Menschen einband, die eben nicht Bürger im jeweiligen Gemeindegebiet waren.

Das Modell wurde deswegen attraktiv, weil Bürgerenergiegenossenschaften zwei große Vorteile in den Ausschreibungsverfahren haben: Erstens können sie ohne Genehmigung nach Bundes-Immissionsschutzgesetz an den Ausschreibungen teilnehmen, zweitens haben sie zwei Jahre länger Zeit, um die Anlage zu errichten.

Die Folge hiervon ist, dass die Windenergiebranche ab dem Jahr 2019 einen flächendeckenden Auftragseinbruch im Inlandsgeschäft befürchten muss; denn die im Jahr 2017 gewonnenen Gebote werden nun erst zwei Jahre später realisiert. Betrieben und Mitarbeitern droht eine gefährliche Unterauslastung. Das war nie der Wille des Gesetzgebers, und genau da gilt es anzusetzen.

Die von mir beschriebene Situation wurde vom Gesetzgeber allerdings schon erkannt. Für die ersten beiden Ausschreibungsrunden im Jahr 2018 werden die Privilegien der Bürgerenergiegesellschaften weitestgehend ausgesetzt. Im Detail bedeutet das: Man braucht eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung, und die Verlängerung des Realisierungszeitraums um zwei Jahre gilt auch nicht für diese Runden.

Weiterhin können Sie selbstverständlich davon ausgehen, dass im Rahmen einer neuen EEG-Reform, die demnächst in Berlin angegangen werden muss, die Regelungen für Ausschreibungen im Bereich der Windkraft überarbeitet und natürlich auch Fehlanreize korrigiert werden.

Damit erweisen wir uns als verlässlicher Partner der Branche. Wir stehen zu unserer Zusage, die Windenergie mit Maß und Mitte auszubauen und Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit, Kosten und Akzeptanz gleichermaßen in den Blick zu nehmen.

Vielen Dank