Thomas Schnelle zu TOP 4 "Abrissmoratorium für Garzweiler-Dörfer jetzt – das Rheinische Revier braucht eine zukunftsfeste Leitentscheidung!"

27.08.2020

[Anrede]

Es ist richtig und wichtig, dass wir die Anliegen der Betroffenen in und an den Tagebauen immer wieder im Blick behalten und da, wo die Umsiedlung noch im Gange ist insbesondere deren Sozialverträglichkeit immer wieder beachten und in den Vordergrund stellen.
Der Antrag von Bündnis 90 / Die Grünen vom heutigen Tag ist jedoch insbesondere hinsichtlich Garzweiler II und der betroffenen Dörfer fast inhaltsgleich zur Begründung ihrer Aktuellen Stunde vom 29. Mai diesen Jahres. Meine Rede von damals hätte ich daher heute in der gleichen Form halten können.
Vor ca. 10 Jahren hätte ich aus dieser Region eine solche Initiative zur Rettung der Dörfer noch begrüßt, auch das habe ich schon hier mehrfach gesagt.
Ihre jetzigen Forderungen kommen für die Gesamtheit der Dörfer aber 10 Jahre zu spät und auch der jetzige Antrag macht erneut deutlich: Die Ergebnisse der Kohlekommission spielen für Bündnis 90 / Die Grünen keine Rolle mehr und diese Ergebnisse haben wahrscheinlich auch nie eine Rolle für sie gespielt.
Ich habe es bereits in meiner letzten Rede dargestellt:
Für uns stehen die bisher getroffenen Entscheidungen auf der Bundesebene in Einklang mit den Entscheidungen der Kohlekommission. Diesen Kompromiss gilt es nun umzusetzen. Hierin wurden auch die Stilllegungspfade beschlossen, aus denen sich die noch benötigten Kohlemengen ergeben. Hieraus ergibt sich auch die überwiegende Notwendigkeit des Kohleabbaus im Bereich Garzweiler II. Auch dies ist gutachterlich belegt (Frontier Economics)
Ich denke, dass ihre jetzt immer wieder vorgebrachten Anträge ihrer Gewissenberuhigung dienen, da sie in der Zeit ihrer Verantwortung nichts zur damals noch möglichen Rettung der Dörfer beigetragen haben. Trotz vollmundiger anders lautender Wahlkampfphrasen.
Die Politik in NRW aber hat sich über Jahrzehnte für die Braunkohle als wichtigsten Träger der Energieversorgung des Landes entschieden. Davon in 17 Jahren auch unter ihrer Verantwortung. Ich muss es auch hier nochmal wiederholen: Vor 4 Jahren hat auch Bündnis 90 / die Grünen den Menschen in den Umsiedlungsorten gesagt, dass sie ihre Heimat verlieren werden und umsiedeln müssen.
Ich habe es in meiner Rede im Mai-Plenum gesagt, an vielen anderen Stellen auch und wiederhole es hier auch nochmal:
Ich habe großes Verständnis für die Bewohnerinnen und Bewohner in Keyenberg, Kuckum, Ober- und Unterwestrich und Berverath, die sich gegen ihre Umsiedlung stemmen und gerichtlich dagegen vorgehen. Ich habe großes Verständnis dafür, wenn man z.B. um den Erhalt eines alten, erstklassig erhaltenen Vierkanthof kämpft, da man diesen an anderen Orten so nicht wiederfindet und hier eine adäquate Entschädigung nicht möglich ist.
Ich maße mir auch nicht zu, für DIE oder alle Betroffenen in den Orten sprechen zu können. Allerdings kann ich die Dinge schildern, so wie ich sie in vielen Gesprächen oder aus anderen Quellen mitgeteilt bekommen habe.
Hierzu die neuen Zahlen, die das Verhalten der überwiegenden Zahl an  Betroffenen zeigen:
Von 585 Anwesen sind in 490 Fällen Einigungen mit RWE erzielt worden. Das sind 84 % und dies sind 22 bzw 4 % mehr als bei meiner Rede im Mai.  Zu weiteren 31 Anwesen laufen Gespräche, Gutachten liegen zu insgesamt 552 Anwesen vor, dies entspricht 94 %.
Das zeigt, dass der große überwiegende Teil der Bewohnerinnen und Bewohner mit dem alten Dorf abgeschlossen hat, fast immer mit schwerem Herzen.
Es zeigt auch, die Dörfer sind aufgrund ihrer Leitentscheidung aus 2016 schon zerstört. Sie sehen das, wenn sie in den Dörfern sind.
Sprechen sie doch mal mit diesen Menschen, die die Umsiedlung nach langem Kampf gegen den Tagebau angenommen haben und die nun solche Diskussionen wie die um ein Abrissmoratorium mitbekommen.
Ich höre dann oft die Aussage: Das kann ja jetzt wohl nicht sein, dass das alles umsonst gewesen ist! - Oder - Ich will nicht, dass mein Haus, was ich selber gebaut habe, nun von anderen bewohnt wird. So oder ähnlich sind dann die Aussagen.
Die Sozialverträglichkeit einer Umsiedlung zeigt sich auch daran, dass ein Dorf in seiner Struktur an seinen neuen Ort umzieht. Das Vereine, Institutionen, Kirche etc in ihrer Gänze umziehen.
Daher muss die Umsiedlung nun auch gerade aus dem Sinne der Sozialverträglichkeit weitergehen. Ansonsten würde man dem überwiegenden Teil der Menschen dort einen Bärendienst erweisen.
Ich möchte hier auch nochmal meinen Dank für die Menschen in den Dörfern aussprechen, die sich bei all den bestehenden eigenen Problemen der Umsiedlung daneben auch für das Weiterleben der Dorfgemeinschaften am neuen Ort einsetzen.
Eindeutig falsch ist ihre Aussage im Antrag, die Landesregierung hätte den versprochenen Dialog mit den Menschen in den Umsiedlungsdörfern auch nach zwei Jahren nicht wie versprochen aufgenommen.
Unser Ministerpräsident Armin Laschet war der erste Ministerpräsident überhaupt, der die Betroffenen vor Ort besucht hat. Zuletzt (vor ca 14 Tagen)  war Minister Pinkwart vor Ort und hat auch mit Vertretern von „Alle Dörfer bleiben“ in Keyenberg gesprochen.
Es sind aufgrund der Corona-Krise Videokonferenzen mit Vertreterinnen und Vertretern der Tagebauranddörfern geführt worden. Diese wurden mir von den Beteiligten als sehr konstruktiv geschildert. 
Für diesen Dialog bin ich der Landesregierung ausdrücklich dankbar.
Und ich kann es ihnen auch nicht ersparen, dass sie den Menschen am Tagebaurand Abstände von teilweise unter 100 m zugemutet haben.

Bei den Erkenntnissen zu denen sie heute im Gegensatz zu 2016 in Sachen Braunkohle gekommen sind und ihre jetzigen Forderungen wäre es doch sicherlich auch 2016 ein Leichtes gewesen, solche Belastungen für die Betroffenen schon damals zu vermeiden. Dies wird die jetzige Landesregierung in einer angepassten Leitentscheidung jetzt ändern und auf die Belange der Tagebauranddörfer eingehen. Denn auch für uns ist jeder Quadratmeter nicht abgebaggertes Land ein gewonnener Quadratmeter, immer aber alles unter den Vorgaben des Kohlekompromisses.
Die Leute vor Ort aber gehen mit den Kommunen am Tagebaurand den Strukturwandel an und machen erste Planungen für die Zeit nach der Braunkohle. Dies war eindrucksvoll in der letzten Woche bei einem 6 tägigen Workshop des Zweckverbandes „Landfolge Garzweiler“ unter dem Titel „Innovation Valley“ zu sehen. Die Kommunen, die Region und das Land sind hier auf dem Weg.
Ihren Antrag  wird die CDU Fraktion ablehnen.


Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

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