Britta Oellers zu TOP 9 „Care-Arbeit in NRW sichtbar machen und besser unterstützen“

11.11.2020

Sehr geehrte/r Herr/Frau Landtagspräsident/in,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Sichtbarmachung und Wertschätzung von Care-Arbeit ist unbestreitbar ein wichtiges Thema, das die Lebenswirklichkeit vieler Menschen in unserem Land widerspiegelt. In den vergangenen Monaten haben wir uns deshalb in den zuständigen Fachausschüssen intensiv mit dem uns vorliegenden Antrag beschäftigt und auch eine sehr aufschlussreiche Expertenanhörung zu diesem Thema durchgeführt.

Die im Antrag formulierten Ziele zur Sichtbarmachung und Unterstützung von Care-Arbeit werden allerdings von der Landesregierung bereits aktiv in den jeweils zuständigen Ressorts verfolgt, sofern sie in Landesverantwortung liegen. Ein Antrag ist aus unserer Sicht hierzu deshalb nicht notwendig.

Langfristige Planungssicherheit und stabile Rahmenbedingungen für Familien und pflegende Angehörige und die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf stehen für die Landesregierung dabei im Vordergrund. Aspekte der Care-Arbeit sind deshalb zum Beispiel auch Bestandteil des nordrhein-westfälischen Altenberichts, der in jeder Legislaturperiode als Gesamtanalyse zur Lage älterer Menschen in Nordrhein-Westfalen erarbeitet und veröffentlicht wird.

Zwei Aspekte aus dem Antrag zielen auf bundesgesetzliche Regelungen, auf die ich hier nur kurz eingehen möchte:

Hinsichtlich Vereinbarkeit von Sorgearbeit in den Familien und Berufstätigkeit wurde der Gestaltungsrahmen durch die Bundesregierung in den letzten Jahren konsequent ausgebaut. Das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz bietet zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten sowohl hinsichtlich des Bezugs von Elterngeld als auch der Elternzeit. Nach den vorliegenden Daten ist allerdings erkennbar, dass nur ein relativ kleiner Teil der Eltern derzeit die Gestaltungsmöglichkeiten des ElterngeldPlus und des Partnerschaftsbonus nutzt. Die Bundesregierung hat darauf reagiert und aktuell einen Entwurf zu einer Änderung des entsprechenden Gesetzes vorgelegt, mit dem vorhandene Hindernisse z.B. bei der Nutzung des Partnerschaftsbonus beseitigt werden sollen.

Auf der letzten Arbeits- und Sozialministerkonferenz Ende 2019 wurden darüber hinaus bereits die Einführung verbesserter Pflegezeitregelungen sowie eine Lohnersatzleistung für Pflegende thematisiert. Die Länder haben im Rahmen eines einstimmig gefassten Beschlusses zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf die Bundesregierung gebeten, mögliche Lösungsansätze zu prüfen, zu denen auch eine steuerfinanzierte Lohnersatzleistung gehören kann.

Auch die Landesregierung ist im Bereich der Pflege bereits mit zahlreichen Unterstützungsangeboten unterwegs, um pflegende Angehörige zu entlasten. Pflegestützpunkte im ganzen Land bieten kostenlose Pflegeberatung und leisten Hilfestellung bei der Organisation einer ambulanten Pflegesituation im häuslichen Umfeld. Begleitet wird dies durch ein umfangreiches, digitales Informationsangebot – mit dem neuen Pflegewegweiser NRW ist seit dem letzten Jahr im Netz schon ein wichtiger Schritt gemacht worden.

Den Ausbau dieser Angebote hat die Landesregierung mit der Verordnung über die Anerkennung von Angeboten zur Unterstützung im Alltag und Förderung der Weiterentwicklung der Versorgungsstruktur in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr weiter vorangetrieben.
Und nicht zuletzt bauen wir derzeit das soziale Quartiersmanagement aus, indem wir unter anderem stationäre Pflegeeinrichtungen unter dem Aspekt „Miteinander und nicht allein“ ins Quartier öffnen und zu Ankerpunkten ausbauen.

Neben der Förderung von Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Familien und pflegende Angehörige setzt sich die Landesregierung für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Pflege und Beruf ein. Dabei fördert sie auch die Belange von Vätern, um sie in ihren unterschiedlichen Rollen und Aufgaben zu stärken und eine partnerschaftliche Aufteilung von Care-Arbeit zu ermöglichen.

Im Rahmen der Landesgleichstellungspolitik ist die berufliche Gleichstellung von Frauen und Männern und ihre Potenzialentwicklung ein wesentlicher Handlungsschwerpunkt. Gleichberechtigte berufliche Chancen sind dabei eine wesentliche Grundlage für eine partnerschaftliche Wahrnehmung von privater Sorgearbeit. Um eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen (und Männer) zu erreichen, beraten landesweit 16, vom Gleichstellungsministerium mit Landes- und EFRE-Mitteln geförderte Kompetenzzentren „Frau und Beruf“ kleine und mittlere Unternehmen u.a. dabei, eine lebenslauforientierte Personalpolitik zu verfolgen.

Meine Damen und Herren, wie Sie selbst sehen, sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene sind die Weichen zur verstärkten Unterstützung von Familien in der Care-Arbeit bereits gestellt. Familien können für eine bessere Vereinbarkeit von Familienleben und Beruf oder als pflegende Angehörige bereits auf zahlreiche Unterstützungsangebote des Landes zurückgreifen oder z.B. die Gestaltungsmöglichkeiten des Bundeselterngeld – und Elternzeitgesetzes nutzen.

Den uns vorliegenden Antrag lehnen wir deshalb ab, weil er aus unserer Sicht nicht (mehr) notwendig ist. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!