
Herr Präsident,
meine Damen und Herren,
vor etwas mehr als zwei Jahren hat die AfD-Fraktion hier im Landtag eine kleine Anfrage zum Förderprogramm von Frauenhäusern gestellt, das die Landesregierung auf den Weg gebracht hatte.
Die Frage, die die AfD damals vor allem umtrieb, war, warum nicht auch Schutzhäuser für Männer in dem Förderprogramm berücksichtigt würden. Und wenn wir auf die zurückliegende Wahlperiode blicken und einmal schauen, welche Aspekte von Gewaltkriminalität die AfD bislang besonders interessiert haben, ist das Ergebnis sehr überschaubar:
Es ging die gesamten fünf Jahre nahezu ausschließlich um Gewalt von Menschen mit Migrationshintergrund. Ein einziges Mal hat sich die AfD noch mit den Frauenhäusern befasst.
Die müssten als Ergebnis der Flüchtlingswelle von 2015 ausgebaut werden, hieß es.
Nun beantragt also die AfD eine aktuelle Stunde zum Thema „Häusliche Gewalt“ und fordert, dass sich die Landesregierung zu diesem Thema positioniert. Wir haben in vielen Ausschusssitzungen oft über Gewalt gegen Frauen gesprochen, wir haben uns mit dem Ausbau von Frauenhäusern und Beratungsangeboten befasst – ich habe das nochmal in den Ausschussprotokollen nachgelesen und kann Ihnen dazu nur sagen: Wenn sich jemand zu diesen Themen nicht positioniert hat, ja nicht einmal geäußert hat – dann waren es die Vertreter der AfD.
Insofern muss man schon sehr optimistisch sein, wenn man diesen Antrag auf Einberufung einer Aktuellen Stunde als das Ergebnis einer plötzlichen und steilen Lernkurve bei der AfD werten will.
CDU und FDP und vor allem auch Frau Ministerin Scharrenbach haben in den vergangenen fünf Jahren viel auf den Weg gebracht, um Frauen vor Gewalt zu schützen und gewaltbetroffenen Frauen zu helfen. Deutlich mehr als Rot-Grün in den sieben Jahren zuvor. Wie bei so vielen Themen wird man aber vermutlich nie an einen Punkt kommen, wo alle sagen, jetzt ist genug getan worden.
Wir haben die Unterstützungs- und Hilfsstrukturen ausgebaut. Mittlerweile gibt es landesweit 64 Frauenhäuser, weitere Plätze werden zusätzlich mit einer Platzpauschale bezuschusst. Erstmals seit 2011 hat die NRW Landesregierung die Sachkostenpauschale erhöht. Insgesamt gibt es 636 Akutschutzplätze.
Zur Abfederung der Corona Pandemie wurden aus dem NRW Rettungsschirm im Rahmen des Förderprogramms für Frauenhäuser auch Zuschüsse zur Aufstockung der Sachkostenpauschale in Höhe von mehr als 2,5 Millionen Euro gewährt.
Die Landesregierung hat im Übrigen die öffentliche Wohnraumförderung auch für die Förderung von Frauenhäusern geöffnet. 5,2 Millionen wurden daraus bereits zur Verfügung gestellt. So wurden 10 zusätzliche Schutzplätze für Frauen geschaffen.
Es gibt jetzt eine Zielvereinbarung mit den Landesarbeitsgemeinschaften der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege und dem der Landesarbeitsgemeinschaft autonomer Frauenhäuser zur Zukunftssicherung der Frauenhäuser. Die Personalkostenzuschüsse für Frauenhäuser werden dynamisiert. Das gilt auch für die Beratungsstellen. Mit mehr als sechs Millionen Euro wurden mehr als 2.000 Vernetzungsprojekte wie Runde Tische und Arbeitskreise gefördert. Es gibt derzeit 62 allgemeine Frauenberatungsstellen und 52 Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt. Seit 2017 ist die Zahl der Akutschutzplätze landesweit um 65 erhöht worden.
Das kann sich wirklich sehen lassen.
Was mir aber Sorgen macht, ist nach wie vor die Zeit nach dem Frauenhaus. In der Zielvereinbarung mit den Landesarbeitsgemeinschaften ist richtigerweise als ein Ziel die Reduzierung der langen Aufenthaltsdauern enthalten. Nun ist es ja nicht so, dass diese so lang sind, weil es so schön im Frauenhaus ist, sondern weil Frauen oft keine Perspektive für die Zeit danach haben. Denn natürlich ist mit häuslicher Gewalt das Ende der Beziehung da, so sollte es eigentlich auch sein. Doch wir alle wissen von Frauen, die in die Beziehung zurückkehren und wissen auch, dass es dort dann sehr oft erneut zu Gewalt kommt. Aber viele Frauen wissen einfach nicht, wo sie sonst hin sollen. Die bislang gemeinsame Wohnung gehört oft dem Täter oder er ist deren alleiniger Mieter, oft ist auch das soziale Umfeld vom Täter definiert. Einerseits will eine gewaltbetroffene Frau oft möglichst viel Raum zwischen sich und den Täter bringen, andererseits gibt es oft gemeinsame Kinder, die sie nicht aus ihrem Freundeskreis und Umfeld reißen will.
Glücklicherweise ist mit den §§ 35, 38 PolG NW die Rechtsgrundlage für eine längerfristige Ingewahrsamnahme bis zu 14 Tagen auch bei häuslicher Gewalt geschaffen worden. Von diesem Instrument wird seit 2019 zunehmend Gebrauch gedacht und es verschafft den betroffenen Frauen Luft und Zeit um Schritte einzuleiten, sich von den Tätern zu lösen. Im Rahmen ihres Bachelor Studiums werden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte übrigens bereits zum Thema „Häusliche Gewalt“ geschult und sensibilisiert.
Dennoch: Wir haben leider nach wie vor sehr oft eine Situation, in der Frauen gleich zweimal Opfer sind – erst durch die Gewalttat selbst, dann durch deren Folgen.
Dagegen helfen leider auch noch so viele Plätze in Frauenhäusern nicht.
Da helfen vielmehr geeignete Wohnungsangebote, da helfen Konzepte zum Schutz dieser Wohnungen und der Frauen selbst, da muss es auch Kontrollen durch die Polizei geben, was Abstandsgebote angeht. Und es geht uns auch darum, häusliche Gewalt im Keim zu ersticken.
Dazu gehört auch die Auseinandersetzung mit traditionellen Geschlechterrollen. Und das fängt schon sehr früh an. Auch wenn von uns keiner mehr glaubt, dass Jungs immer stark sind und nicht weinen und Mädchen schwach sind und sich körperlich nicht wehren könnten, sind solche Überzeugungen immer noch sehr tief verwurzelt.
Präventive Täterarbeit gehört ganz sicher auch dazu, wenn es darum geht, häusliche Gewalt zu verhindern. Warnzeichen von Gewalt müssen rechtzeitig erkannt werden und wenn es zu häuslicher Gewalt kommt, müssen die Handlungsoptionen bekannt sein. Es geht also um Maßnahmen der Prävention von Gewalt durch Sensibilisierung und Weiterbildung. Es geht darum, dass Menschen aus dem sozialen Umfeld Anzeichen und Warnsignale von Gewalt erkennen und wissen, wie sie sich verhalten und notfalls zum Schutz der Betroffenen intervenieren können. Es geht aber auch zum Umgang mit den Tätern. Für gewaltbetroffene Frauen ist es wichtig, wie ihr soziales Umfeld auf das, was sie erzählen, reagieren. Betroffene Frauen müssen das Gefühl und die Sicherheit haben, dass ihnen geglaubt wird. Eine klare Positionierung bestärkt Betroffene auch darin, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Und letztlich geht es um die Selbstbehauptung der betroffenen Frauen und auch um Unterstützungs- und Beratungsangebot für Männer, die in Partnerschaften gewalttätig werden.
Das alles ist viel aufwändiger und komplizierter als der Ausbau von Frauenhäusern und eine der Aufgaben in der nächsten Wahlperiode, die wir angehen werden.
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