Heike Troles zu TOP 1 „Gewaltschutz für Frauen wirksam erweitern“

20.02.2025

Sehr geehrter Herr Präsident/Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich bedanke mich zunächst einmal bei meinen Vorrednerinnen von CDU und Grünen – und ich danke Frau Ministerin Paul für ihre Worte.

Diesen schließe ich mich ausdrücklich an.

Denn ja:
Gewalt gegen Frauen ist kein individuelles Schicksal.
Gewalt gegen Frauen ist ein gesamtgesellschaftliches Problem.
Sie betrifft uns alle:
- Familien,
- Kinder,
- das gesellschaftliche Miteinander.

Sie zerstört Leben, raubt Perspektiven und hinterlässt körperliche und seelische Wunden, die oft nie vollständig heilen.

Stellen Sie sich eine Frau vor – nennen wir sie Anna.
Anna ist 35 Jahre alt, Mutter von zwei Kindern.
Sie erlebt Gewalt in den eigenen vier Wänden.
Erst waren es Demütigungen und Kontrolle, dann die erste Ohrfeige.
Irgendwann folgen die Faustschläge, das Einsperren, die Todesdrohungen.
Eines Nachts packt Anna ihre Kinder, verlässt ihr Zuhause und sucht Schutz.
Doch das Frauenhaus in ihrer Nähe hat keinen Platz mehr. „Versuchen Sie es woanders“, sagt man ihr.
Aber woanders ist zu weit weg, zu gefährlich. Anna bleibt – und kehrt zurück in die Hölle, aus der sie fliehen wollte.

Meine Damen und Herren, so etwas darf in unserem Land nicht passieren!
360 Frauen wurden im Jahr 2023 in Deutschland Opfer eines Femizids.

Das bedeutet, dass nahezu jeden Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet wurde - nur weil sie eine Frau ist.

Gewalt gegen Frauen ist kein Randproblem, kein Einzelfall, keine Privatsache. Sie ist kein Tabuthema und erst recht keine Bagatelle.
Es ist eine traurige Realität, die sich durch alle gesellschaftlichen Schichten zieht. Und es ist unsere Aufgabe, alles zu tun, um Frauen und Kinder zu schützen.

Deshalb ist das Gewalthilfegesetz, dem der Bundesrat am 14. Februar zugestimmt hat, ein Meilenstein.
Zum ersten Mal gibt es einen bundesweiten Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder.
Das ist die größte Veränderung im Gewaltschutz seit Jahrzehnten. Gleichzeitig übernimmt der Bund nun auch finanzielle Verantwortung. Das ist ein starkes Signal!
Dieses Gesetz bringt uns der vollständigen Umsetzung der Istanbul-Konvention einen entscheidenden Schritt näher.

Doch, meine Damen und Herren, ein Gesetz allein schützt keine Frau vor Gewalt. Ein Gesetz allein schafft keine zusätzlichen Frauenhausplätze, bildet keine Fachkräfte aus und sorgt nicht für mehr Sicherheit auf den Straßen oder im digitalen Raum.
Jetzt kommt es auf die Umsetzung an.

Die Länder und Kommunen stehen vor der Herausforderung, die bestehenden Schutzstrukturen weiter auszubauen, denn der Rechtsanspruch tritt erst 2032 in Kraft.

In dieser Zeit müssen wir sicherstellen, dass die Hilfestrukturen nicht nur erhalten, sondern weiterhin gestärkt werden.

Und genau da beginnt unsere Verantwortung!
Wir in Nordrhein-Westfalen sind hier längst bundesweit Vorreiter und Vorbild.

Denn wir verfügen über eine gewachsene und differenzierte Gewalthilfeinfrastruktur, die wir kontinuierlich ausbauen. Darauf bin ich stolz.

Unser Bundesland hat in den letzten Jahren viel erreicht:
Frau Schulze-Föcking hat es eben schon angesprochen.
• Wir haben die Zahl der Frauenhausplätze seit 2018 kontinuierlich erhöht – von 578 auf mittlerweile 703 Plätze.
• Wir fördern aktuell 62 allgemeine Frauenberatungsstellen, 57 Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt und spezialisierte Einrichtungen für Opfer von Menschenhandel, Zwangsheirat und Genitalverstümmelung.
• Allein in diesem Jahr stellt das Land über 33 Millionen Euro für Frauenhäuser, Beratungsstellen und Fachstellen bereit.
• Wir haben die anonyme Spurensicherung ausgebaut, damit Frauen Beweise sichern können, ohne sofort eine Anzeige erstatten zu müssen.

All das zeigt: Wir handeln!
Wir reden nicht nur über Gewaltschutz, wir setzen ihn um.
Und trotzdem wissen wir: Es reicht noch nicht.
Der Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung bedeutet, dass Bund und Länder in den kommenden Jahren weiter in die Hilfestrukturen investieren muss.
Denn was nutzt ein Rechtsanspruch, wenn es zu wenig Plätze in Frauenhäusern gibt?
Was bringt Beratung, wenn Frauen keinen Zugang zu Fachkräften haben?
Und wie können wir Gewalt langfristig bekämpfen, wenn Täter nicht konsequent zur Verantwortung gezogen werden?

Unser Ziel ist klar:
Frauen und Kinder müssen sich sicher fühlen können.

Dabei kann Gewaltschutz nicht allein von den Ländern und der kommunalen Familie gestemmt werden.

Lassen Sie uns deshalb gemeinsam sicherstellen, dass das Gewalthilfegesetz nicht nur ein politisches Versprechen bleibt, sondern tatsächlich Leben rettet.
Aber das geht nur mit einer langfristigen und verlässlichen Finanzierung!
Der Bund stellt bis 2036 insgesamt 2,6 Milliarden Euro zur Verfügung. Das ist gut. Aber was passiert danach? Gewalt endet nicht an einem Haushaltsjahr. Unsere Verantwortung endet nicht an einer Legislaturperiode. Deshalb fordern wir eine dauerhafte Finanzierung über 2036 hinaus!

Lassen Sie uns dieses Gesetz als Anfang sehen – und weiterkämpfen. Für eine Gesellschaft, in der Frauen nicht mehr um ihr Leben fürchten müssen.
Vielen Dank.