Peter Preuß MdL zu TOP 12

11.07.2018
Ausführungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

das im Dezember 2016 beschlossene Bundesteilhabegesetz ist ein Meilenstein hin zu einer inklusiven Gesellschaft. Dieses Gesetz müssen wir nun in Nordrhein-Westfalen umsetzen.

Es geht nicht um „Sonderregelungen“ für Menschen mit Behinderung, sondern es geht um deren tatsächliche Teilhabe und um Partizipation auf Augenhöhe. Und es geht darum, die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung aus dem „Fürsorgesystem“ der Sozialhilfe zu lösen.


Die Ziele des vorliegenden Gesetzes sind:

• Die Fachleistungen für erwachsene Menschen mit Behinderungen sollen künftig bei den überörtlichen Trägern, den Landschaftsverbänden, gebündelt werden.
• Die existenzsichernden Leistungen sollen grundsätzlich auf der örtlichen Ebene verbleiben, unabhängig vom Alter und von der Wohnform.
• Für den Bereich der Teilhabe an Arbeit („Budget für Arbeit“, „andere Leistungsanbieter“) wird die Zuständigkeit bei den Landschaftsverbänden gesehen.
• Die neuen Instrumente „Andere Leistungsanbieter“ und „Budget für Arbeit“ stellen Alternativen zur Beschäftigung in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung dar.
• Die Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen sollen enger in die verschiedenen Prozesse wie zum Beispiel die Verhandlung der Rahmenverträge eingebunden werden.  


Kurz gesagt: Das Ziel sind einheitliche Lebensverhältnisse in gleich hoher Qualität für alle Menschen mit Behinderungen und damit eine deutliche Verbesserung der Lebenssituation unabhängig von Alter oder Wohnort.

Dies können wir jetzt erreichen indem wir eindeutige Zuständigkeiten und einen vereinfachten Zugang zu den Leistungen der Eingliederungshilfe schaffen. Die gesellschaftliche Teilhabe und die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen werden so gestärkt.


Die klaren Regelungen zu den Zuständigkeiten sind auch notwendig, um Verzögerungen bei der Gewährung von Leistungen zu vermeiden. Bewährte Strukturen und Angebote sollen hierbei erhalten und weiterentwickelt werden. Finanzielle Mittel sollen nicht in die Entwicklung neuer Strukturen oder in die Verwaltung gesteckt werden, sondern den Menschen direkt zugutekommen.

Im Sinne des Bundesteilhabegesetzes trennt der Gesetzentwurf die Zuständigkeit für die Unterstützung, nämlich in die Fachleistungen und die existenzsichernden Leistungen. Die Existenzsicherung soll bei den Kommunen verbleiben.

Zur Vermeidung von Problemen an der Schnittstelle zwischen Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege, die durch den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und den Teilhabecharakter der Pflege größer geworden sind, sollen die Landschaftsverbände und die Kreise und kreisfreien Städte entweder als Träger der Eingliederungshilfe oder ergänzend als Träger der Sozialhilfe immer dann auch Leistungen der Hilfe zur Pflege erbringen, wenn Menschen mit Behinderung gleichzeitig Eingliederungshilfe erhalten. Dies gilt unabhängig von Alter und Wohnform.

Über die Frage der Zuständigkeit für die Frühförderung von Kindern mit Behinderung im Vorschulalter war noch zu entscheiden. Diese Aufgabe und die Weiterentwicklung der Frühförderung werden nun bei den Landschaftsverbänden angesiedelt.
Ebenso spezielle Fachleistungen, wie die Fremdunterbringung in Einrichtungen oder Pflegefamilien oder die Kindertagesbetreuung werden den Landschaftsverbänden jetzt offiziell zugewiesen.

Die Zuständigkeit für Kinder und Jugendliche, bis diese die Schule abgeschlossen haben und in Studium oder Arbeit wechseln, verbleibt bei den Kreisen und kreisfreien Städten.
So wird sichergestellt, dass diese Kinder und Jugendlichen und ihre Familien ganzheitlich im Blick der Jugendhilfe bleiben und die Kommunen ihre Angebote für alle Kinder inklusiv weiterentwickeln können. Wirkliche Teilhabe im unmittelbaren Lebensraum der Kinder und Jugendlichen wird so möglich.

Die Leistungen für die Schulbegleitung in den Händen der Kommune ermöglichen eine individuellere Herangehensweise. Durch den engen Austausch mit der Schulaufsicht oder die kommunale Trägerschaft ist man über den Umfang der Barrierefreiheit der Schulen, die Zusammensetzung von Klassen und Lehrerteams informiert. So kann individuell auf Änderungen der Rahmenbedingungen oder die Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen reagiert werden.
Durch die Möglichkeit des Poolens von Leistungen kann die Schulbegleitung mit den vorhandenen und erfahrenen örtlichen Anbietern weiter erhalten und verbessert werden.

Aus den genannten und schlüssigen Gründen lehnen wir die vorliegenden Änderungsanträge von SPD und Grünen ab.

Wir werden jedoch die Wirkung des Gesetzes in den kommenden Jahren genau anschauen und bewerten. Es wird sich zeigen, ob und in welchen Bereichen weitere Anpassungen notwendig sein werden.

Das Bundesteilhabegesetzt und das vorliegende Ausführungsgesetz für Nordrhein-Westfalen sind viel mehr als die Summe ihrer Paragraphen und sie sind viel mehr als das Ergebnis von Politik.
Zahlreiche Menschen waren in den vergangenen Jahren am Gesetzgebungs-Prozess auf Bundes- und Landesebene beteiligt. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle bedanken, bedanken für die zahlreichen konstruktiven Gespräche, die Kritik und Änderungsvorschläge. Alle Beteiligten haben daran mitgewirkt, dass wir heute ein gutes Ausführungsgesetz für Nordrhein-Westfalen vorliegen haben und darüber entscheiden werden.


Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

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