Bernhard Hoppe-Biermeyer zu TOP 3 "Gesetz zur Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen"

14.11.2018

Sehr geehrte Frau Präsidentin / sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wer den vorliegenden Gesetzentwurf der SPD liest, könnte glauben, dass es zur Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen nur weniger einfacher Umformulierungen bedürfe.

Der Bürger wird entlastet und in den Rathäusern muss sich niemand mehr des ungeliebten Themas annehmen.

Tatsächlich haben Berlin und Hamburg die Straßenausbaubeiträge abgeschafft, weil in den beiden Stadtstaaten der bürokratische Aufwand in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zum finanziellen Ertrag stand.

Für die Städte und Gemeinden im Flächenland NRW hat sich das System der Straßenausbaubeiträge aber grundsätzlich bewährt.

Natürlich kann man sich trotzdem darüber Gedanken machen, das System zu modernisieren.

Eine Frage drängt sich mir in dem Zusammenhang aber auf:

Warum hat die SPD die Straßenausbaubeiträge nicht abgeschafft, als sie die Gelegenheit dazu hatte?

Sieben Jahren rot-grüne Landesregierung reichten nicht aus, um eine Änderung des KAG auch nur in Erwägung zu ziehen.

Schlimmer noch.

In der letzten Legislaturperiode wurden Sie von der CDU mit einem Gesetzentwurf zur Einführung wiederkehrender Beiträge ja direkt auf das Thema gestoßen.

Ihre Reaktion darauf war Nichtbeachtung.

Der seinerzeit zuständige Minister Ralf Jäger widmete der Sache im Plenum ganze drei Sätze.

Dass die SPD jetzt einen Gesetzentwurf vorlegt, der die komplette Abschaffung der Straßenausbeiträge fordert, zeigt nur, wie verzweifelt die Genossen angesichts aktueller Wahlumfragen sein müssen.

Da wird auf den erstbesten Zug aufgesprungen, der ein wenig Popularität verspricht.

Soviel zur Motivation der SPD für diesen Gesetzentwurf.

Kommen wir zum Inhalt Ihres Entwurfs, falls man das überhaupt so nennen kann.

Sie fordern etwas, ohne auch nur ansatzweise Vorschläge zur Umsetzung zu machen.

Ihr Gesetzentwurf ist nicht nur handwerklich schlecht, er wirft auch mehr Fragen auf, als er beantwortet.

Wer in einem Gesetzentwurf bei der Frage nach dem erforderlichen Kostenausgleich auf ein weiteres Gesetz verweist, das Sie nicht mitliefern, bleibt wesentliche Antworten schuldig.

Ihr Gesetzentwurf erklärt nicht einmal, über welche Kostenhöhe wir überhaupt sprechen.

Sie nennen zwar im Gesetzentwurf 112 - 127 Millionen Euro, aber soll das der endgültige Betrag sein, der den Kommunen für den Straßenausbau zur Verfügung gestellt wird?

Oder meinen Sie das gesamte Einnahmepotential, das die Kommunen erheben könnten?

Oder soll die komplette Finanzierung des kommunalen Straßenbaus übernommen werden?

Lieber Kollege Dahm, sagen Sie doch bitte einmal, woher das Land das Geld für die Straßenausbaubeiträge nehmen soll!

Und wer dafür weniger Geld bekommen soll?

Woran sollen wir nach SPD-Meinung sparen?

An den Kitas?

An den Schulen?

An der inneren Sicherheit?

Ihr Gesetzentwurf ist einfach nur purer Populismus!

Nun aber zur Sache.

Im Grundgesetz steht:

„Eigentum verpflichtet.

Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

An diesem Grundsatz orientieren sich die Straßenausbaubeiträge in Nordrhein Westfalen.

Geregelt sind sie im Kommunalabgabengesetz, kurz KAG.

Kommunen sind nach § 8 des KAG NRW verpflichtet, Straßenausbaubeiträge zu erheben.

Straßenausbaubeiträge nach KAG müssen in Nordrhein-Westfalen immer dann von Anliegern bezahlt werden, wenn Straßen ausgebaut, verbessert oder von Grund auf saniert werden.

Unterhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten sind dagegen keine Verbesserung.

Hierfür zahlen die Städte und Gemeinden alleine.

Jede Kommune hat zudem eine eigene Straßenausbaubeitragssatzung.

Darin wird zum Beispiel zwischen den Straßentypen Anliegerstraße und Hauptverkehrsstraße unterschieden.

Grundsätzlich gilt hier: Je höher der Nutzen, den der Anlieger von der Straße hat, umso höher ist sein Beitrag.

Von Kommune zu Kommune können die prozentualen Anteile für denselben Straßentyp aber stark differieren.

Je nach Beitragssatzung würden die Städte und Gemeinden also auch unterschiedlich stark von einer Abschaffung der Straßenausbaubeiträge profitieren.

Das ist ungerecht und würde die kommunale Familie auseinanderdividieren.

Als ungerecht würden auch die Anlieger die Abschaffung empfinden, die gerade erst einen hohen Anliegerbeitrag bezahlt haben.

Würden wir die Straßenausbaubeiträge komplett abschaffen, würde die Gesamtheit aller Steuerzahler dafür aufkommen müssen.

Der Städte- und Gemeindebund geht in einer Schätzung von einem jährlichen Betrag im hohen dreistelligen Millionenbereich aus.

Steuern müssten deutlich angehoben werden, um die wegfallenden Beiträge zu kompensieren.

Unter Beitragsgerechtigkeit verstehen wir etwas anderes.

Für eine Beibehaltung des Systems der Straßenausbaubeiträge spricht, dass sich das System über Jahrzehnte bewährt hat und entsprechend rechtssicher ist.

Anliegerbeiträge sind für Städte und Gemeinden ein ganz wichtiges Instrument, um die Verkehrsinfrastruktur aufrecht zu erhalten.

Und bereits jetzt haben die Kommunen einige Möglichkeiten, den Bürgern entgegen zu kommen.

Zum Beispiel die Stundung der Beträge oder das Abschließen von Ablöseverträgen mit den Anliegern vor Beginn der Bautätigkeit.

Und natürlich haben die Kommunen Spielraum, wie hoch sie die Beteiligungs-Prozentsätze für die unterschiedlichen Arten von Straßen festlegen.

Dennoch sind die Straßenausbaubeiträge aktuell ein viel diskutiertes Thema.

Und das fast deutschlandweit.

In vielen Bundesländern wird über eine Abschaffung oder Neuregelung der Straßenausbaubeiträge diskutiert.

Wir als Abgeordnete erhalten vermehrt Bürgeranfragen zu diesem Thema.

Die an uns herangetragenen Anliegen nehmen wir sehr ernst.

Leider gibt es Einzelfälle, in denen hohe Summen von den Anliegern gefordert werden, besonders im ländlichen Raum, wo mitunter sehr lange Straßenabschnitte auf wenige Anlieger umgelegt werden.

Deshalb denken wir schon seit geraumer Zeit über eine Modernisierung des KAG-NRW nach.

Ziel sollte es sein, eine Regelung zu schaffen, die die Bürgerinnen und Bürger entlastet und die zugleich rechtssicher ist.

Der von der SPD vorgelegte Gesetzentwurf schießt da eindeutig übers Ziel hinaus.

Die regierungstragenden Fraktionen von CDU und FDP wollen keinen vorschnellen Aktionismus.

So komplex dieses Thema ist, so komplex sind auch die Lösungsmöglichkeiten und ihre Vor- und Nachteile.

Wir schauen dabei natürlich auch auf die Erfahrungen, die andere Bundesländer gemacht haben.

Und bei weitem nicht jede landauf landab vorgenommene Veränderung ist nachahmenswert.

So hat etwa das Land Bayern die Straßenausbaubeiträge vor einigen Monaten zwar komplett abgeschafft, aber organsiert ist die Gegenfinanzierung noch nicht.

Ansätze für mögliche Lösungen – wie etwa flexiblere Zahlungsmodelle und evtl. Härtefallregelungen – werden bereits von uns diskutiert.

Sie sehen, wir sind in unseren Überlegungen schon bei konkreten Lösungsansätzen.

Es bedurfte also des SPD-Gesetzentwurfs nicht.

Sie bringen den Gesetzentwurf ohnehin nicht ein, um den Diskurs voranzutreiben und vernünftige Ideen beizusteuern, sondern einzig und allein, um sich nun als „Bürger-Versteher“ aufspielen zu können.

Dieser Gesetzentwurf wird der Problematik nicht annährend gerecht und darum lehnen wir ihn ab.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!