Petra Vogt zu TOP 1 "Gewalt gegen Frau und Mädchen - Ein untragbares Leid in unserer vermeintlich moderenen und aufgeklärten Gesellschaft"

30.11.2018

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

ich denke, es ist klar geworden, dass wir von CDU und FDP mit dieser Aktuellen Stunde ein deutliches Zeichen gegen Gewaltausübung jeglicher Form gegen Frauen und Mädchen setzen wollen.

Unsere heutige Gesellschaft hat in den letzten 100 Jahren eine große Entwicklung vollzogen. Gerade haben wir das 100-jährige Frauenwahlrecht gefeiert. Ein Erfolg, der für das heutige Verständnis der Rolle der Frau in der Gesellschaft essenziell war und einen weiteren Schritt näher zum Ziel bedeutete - zur Gleichberechtigung. Umso mehr erschüttern die Zahlen, die belegen, dass zu viele Frauen Gewalt ausgesetzt oder gar ausgeliefert sind. Denn Gewalt gegenüber einem anderen Menschen, bedeutet Machtmissbrauch.

Wir haben in Deutschland Anlaufpunkte für Betroffene, nämlich die Beratungsstellen. Sie bieten Frauen in Not Unterstützung und leisten einen Beitrag von enorm großem Wert. Allen, die sich dort engagieren, möchten wir hier unsere große Wertschätzung sowie unseren Respekt ausdrücken. Sie leisten einen wesentlichen Beitrag, um Frauen bei dem Umgang mit Gewaltsituationen zu helfen. Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ist ein bundesweites Angebot zur Beratung für Frauen, denen Gewalt widerfahren ist.

Doch bevor Frauen eine Beratungsstelle aufsuchen, ist es für manche ein weiter Weg. Oft wird das Hilfetelefon angerufen, aber der Mut sich aus den Gewaltsituationen zu befreien, fehlt häufig.
Aus meiner politischen Arbeit weiß ich, dass es schwer fällt, zu erkennen, dass es Unrecht ist, was einem widerfährt und darauf zu reagieren. Oft sind Frauen emotional zu sehr gebunden, häufiger abhängig vom Mann als umgekehrt oder nicht in der Lage sich selbst aus der Situation zu befreien.

Viele Frauen nehmen die partnerschaftliche Gewalt, der sie ausgesetzt sind, einige Zeit oder sogar länger hin. In der Polizeilichen Kriminalstatistik werden aufgezeigte Fälle von Gewalt abgebildet. 2017 wurden fast 139.000 Menschen Opfer versuchter oder vollendeter Gewalt, wie Mord und Totschlag, Körperverletzungen, Vergewaltigung, Bedrohung, Stalking, Nötigung sowie Zwangsprostitution.
82 Prozent der Opfer sind Frauen. Knapp die Hälfte – 49,1 Prozent – lebte in einem Haushalt mit dem Täter. Generell sei die Gefahr höher, wenn Alkohol, Geldsorgen und psychische Probleme vorhanden sind.

Etwa 138.000 Fälle (Bund) wurden im Jahr 2017 angezeigt; vermutlich sind noch viele weitere Menschen betroffen. (Vorjahreszahlen sind laut LKA nicht zu vergleichen, weil sich die statistische Grundlage geändert habe. Die Dunkelziffer wird höher geschätzt.)
In Nordrhein-Westfalen sind 2017 über 38.500 Menschen Opfer häuslicher Gewalt und etwa 21.000 Frauen Opfer von Körperverletzungen geworden. Zu oft findet Gewalt an dem Ort statt, an dem sie am wenigsten zu erwarten sein sollte. Zu Hause, an dem Ort, an dem jeder Mensch sich eigentlich sicher und geborgen fühlen sollte.

Zu wenige wenden sich direkt an die Behörden. Opfer dieser verabscheuungswürdigen Taten haben häufig Angst oder Scham, sich an die entsprechenden Kontaktstellen zu wenden. Auch Selbstzweifel sind häufig Gründe. Es ist erschreckend, dass die Betroffenen zum Teil eher die Schuld bei sich selbst suchen anstatt beim Täter.

Anrede,
die bekannten Zahlen zeigen also einen begrenzt einsehbaren Ausschnitt aus dem grausamen Alltag, dem womöglich noch viele weitere Frauen ausgesetzt sind. Diese Quote und die damit verbundene Dunkelziffer ist höchst alarmierend und kaum begreiflich für viele von uns, erwartet man doch in einem fortschrittlichen und modernen Land wie Deutschland, dass Gewalt gegenüber Frauen keine Option sein kann.

Alle Formen der Gewaltausübung stellen eine Art der Kontrolle über einen anderen Menschen dar. In einer gleichberechtigen Gesellschaft, wie wir unsere in Deutschland nach dem Grundgesetz verstehen, darf eine solch hohe Zahl der Gewalttaten nicht hingenommen werden.

Lassen Sie uns hier im nordrhein-westfälischen Landtag ein deutliches Zeichen setzen und alle Frauen darin bestärken, dass es falsch und Unrecht ist, dass ihnen Gewalt widerfährt. Dazu hat niemand, und selbstverständlich auch nicht der Partner, mit dem man in einer Beziehung lebt, ein Recht.

 

Es gibt keine Entschuldigung für jemanden, der die Hand gegen jemand anderen erhebt. Wir müssen noch deutlicher machen, dass Frauen, die sich einer solch schwierigen Situation ausgeliefert sehen, diese Gewalt, die ihnen angetan wird, nicht aushalten müssen und ihnen nach besten Möglichkeiten helfen, das auch zu erkennen.
Wir müssen Sie darin bestärken den nötigen Mut aufzubringen, das Schweigen zu brechen und letztlich sich selbst aus der Situation befreien.

Ächtung in jeder Hinsicht gegenüber Gewalt gegen Frauen und Mädchen muss für uns alle selbstverständlich sein.
Die Sensibilisierung für dieses Thema ist unbedingt notwendig, um auf diese Fallzahlen zu reagieren. Beispielsweise, wenn wir etwas registrieren, was uns ungewöhnlich erscheint, es laut wird in der Nachbarswohnung und wir einen Verdacht hegen, dass hier mehr als nur eine alltägliche Auseinandersetzung vorliegt, sollten wir reagieren. Hier kann man das Hilfetelefon anrufen, das berät, welches Vorgehen nun am besten ist.

Meine Damen und Herren,

ich möchte es noch einmal in aller Deutlichkeit sagen und darauf aufmerksam machen, was jeder in unserem Land verinnerlichen sollte: Verübte Gewalt an Frauen und Mädchen hat in unserer Gesellschaft keinen Platz!

Vielen Dank.

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