Peter Preuß zu TOP 2 "Die Grundrente muss kommen – gerechte Renten für alle, die hart gearbeitet haben – Lebensleistung honorieren und Altersarmut bekämpfen!"

21.02.2019

Sehr geehrter Herr Präsident,
verehrte Kolleginnen und Kollegen,

vor gut einem Jahr wurde der Koalitionsvertrag in Berlin unterzeichnet und darin auch Vereinbarungen zur Grundrente getroffen. Es wurde die Beitragszeit von 35 Jahren zugrunde gelegt und als Voraussetzung für den Bezug einer Grundrente eine Bedürftigkeitsprüfung vereinbart. Vereinbart wurde auch, die gesetzlichen Regelungen zu Schonvermögen und selbstgenutzten Wohneigentum zu überarbeiten. Es wurde zudem gemeinsam beschlossen, eine Rentenkommission einzusetzen, die mit hochkarätigen Experten besetzt ist, und die inzwischen ihre Arbeit aufgenommen hat, getragen von der Vorstellung, dass sich das Thema Rente nicht für parteipolitische Auseinandersetzungen eignet.  

Der im vorliegenden Antrag gemachte Vorwurf, wir würden, ich zitiere, „durch falsche Eitelkeiten und Panikmache“ „die große Chance auf eine finanziell bessere Rente und Alterssicherung für Millionen von Menschen verspielen“, ist völlig unpassend. Ich behaupte, dass der vorliegende Antrag etwas mit den schlechten Umfragewerten der SPD und deren innerer Unzufriedenheit zu tun hat. Man will davon ablenken, indem, wie Frau Nahles sagt, „andere sich daran reiben“ sollen. Das sogenannte Sozialstaatskonzept, das noch nicht einmal veröffentlicht ist, kann bestenfalls eine interne Diskussionsgrundlage sein, aber sicher kein Regierungsprogramm (was Frau Nahles übrigens eingeräumt hat). Es ist der innerparteilichen Dynamik geschuldet, die Menschen erwarten aber konkrete Lösungen. 

Es wäre ehrlicher, wenn die SPD ihr eigenes „Sozialstaatskonzept“ erst einmal intern diskutiert und diejenigen, die es sich ausgedacht haben, der Basis erklären, welche Sachverhalte und neuen Ungerechtigkeiten mit dem Vorschlag verbunden sind.

Es ist richtig, dass die große Koalition in Berlin das Problem der nicht auskömmlichen Renten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die 35 Jahre und länger gearbeitet haben, angehen will.

Dazu reicht es allerdings keinesfalls aus, Steuermittel ins System zu stecken. Es bedarf auch arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen, der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit, flexibler Arbeitszeitmodelle und der Stärkung der Tarifautonomie. Nur dadurch kann sichergestellt werden, dass ausreichende Löhne gezahlt werden, die eine angemessene Alterssicherung gewährleisten.

Auch die Anhebung von Entgeltpunkten für bestimmte Lebensleistungen, die nicht mit Beitragszahlungen hinterlegt sind, ist ein gerechtfertigter Ansatz, allerdings auch nicht neu.

Kernstück des Koalitionsvertrages im Zusammenhang mit der Grundrente ist die Lebensleistung und damit verbunden die Bedürftigkeitsprüfung. Nicht jeder, der 35 Jahre gearbeitet und in die Rentenversicherung eingezahlt hat, bedarf der Aufstockung.

Auch ist zu prüfen, welche Ursachen es hat, dass Menschen, die einen Großteil ihres Lebens gearbeitet haben, nach Erreichen der Altersgrenze keine auskömmlichen Renten erhalten, um ihren Lebensunterhalt ohne staatliche Unterstützung bestreiten zu können.
Geringe Löhne, unterbrochene Erwerbsbiographien und Langzeitarbeitslosigkeit sowie prekäre Beschäftigung - Nur wenn wir uns mit den Ursachen befassen, kommen wir zu gerechten Lösungen.

Die Gründe sind vielfältig, die Folgen können im Rahmen der vorgeschlagenen Grundrente fatal sein:

• Wer 34 Jahre und 11 Monate eingezahlt hat, geht leer aus. Es steht zu befürchten, dass hiervon viele Frauen betroffen sein werden, die 35 Beitragsjahre nicht erreichen.

• 35 Jahre Teilzeit, also weniger Arbeitsstunden, werden sich mehr lohnen, als 30 Jahre Vollzeit mit mehr Arbeitsstunden.

• Ohne Bedürftigkeitsprüfung und somit ohne Anrechnung von weiteren Alterseinkommen und Vermögen, werden nur die ohnehin schon gut Situierten belohnt.


Erst, wenn diese Sachverhalte differenziert geklärt sind, lässt sich beurteilen, ob eine staatliche Unterstützung der Rentenversicherung mit Steuergeldern angezeigt ist. Das wird in vielen Fällen so sein, aber eben nicht in allen.

Und es darf nicht sein, dass neue Ungerechtigkeiten geschaffen werden!

Die Sozialdemokraten halten sich nicht an den Koalitionsvertrag. Sie bemühen aus Kalkül mal wieder den Deckmantel der „sozialen Gerechtigkeit“, was bei Teilen der Bevölkerung übrigens gut ankommt – zum Beispiel bei denen, die 35 Jahre den Mindestbeitrag eingezahlt haben, aber vermögend sind. Auch bei denen, die über eine Betriebsrente verfügen, die auf die Rente nicht angerechnet werden soll,
nicht aber bei denen, die leer ausgehen werden.

Vergangene Woche haben SPD und CDU/CSU in Berlin ein erstes Koalitionsgespräch über die Grundrente geführt. Sie gehen aber jetzt her und bringen dieses Konzept mit einem völlig unzulänglichen Antrag hier in das nordrhein-westfälische Parlament. Wohl wissend, dass es sich um eine Bundesangelegenheit handelt und die genannten Probleme dort seriös gelöst werden müssen.

Dazu gehört auch und nicht zuletzt die Frage der Finanzierbarkeit und der Generationengerechtigkeit, denn eins ist doch klar: Bezahlen müssen dieses Sozialstaatskonzept die jungen Leute.

Nichts von dem findet sich auch nur ansatzweise in dem Antrag wieder. Das Sozialstaatskonzept der SPD und der vorliegende Antrag täuschen Lösungen nur vor.

Dieser Antrag kann somit nur abgelehnt werden.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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