Angela Erwin zu TOP 7 "Zweites Gesetz zur Änderung des Juristenausbildungsgesetzes NRW"

03.11.2021

Herr Präsident / Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

ob bei der Bekämpfung von Kindesmissbrauch und Clankriminalität, beim Schutz von Bürger- und der Erweiterung von Verbraucherrechten oder auch bei der Verbesserung des Opferschutzes in Nordrhein-Westfalen – Geschäftsgrundlage dieser Koalition war von Beginn an die Stärkung unseres Rechtstaates in jedweder Hinsicht. Dies haben wir unterlegt, durch einen beispiellosen Stellenzuwachs bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften dieses Landes, den wir gemeinsam mit der Landesregierung, insbesondere unserem Justizminister Peter Biesenbach, organisiert haben und der für eine erhebliche Entlastung unserer Justiz an vielen Stellen gesorgt hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

dieser Rechtsstaat wird dabei getragen von den starken Schultern vieler gut ausgebildeter, hochmotivierter und unabhängiger Juristinnen und Juristen. Sie sind „conditio sine qua non“ für ein funktionierendes Gemeinwesen und die Durchsetzung des Rechts in unserem Land.

Die deutsche Juristenausbildung ist eine der besten und renommiertesten auf der ganzen Welt. Gleichsam muss sie, damit dies so bleibt, an die Herausforderungen der heutigen Zeit angepasst und modernisiert werden.

Dieses Ziel verfolgen CDU und FDP mit der Novellierung des JAG und dem darauf bezogenen Änderungsantrag unserer Fraktionen. Es geht uns ausdrücklich nicht nur um die Herstellung einer besseren Vergleichbarkeit von Studium, Referendariat und Staatsexamina zwischen den Bundesländern. Diese gewährleisten wir mit formalen Anpassungen etwa bei der Frage des Freischusses und der Wertung der mündlichen Prüfung im Examen. Hierin aber erschöpft sich unser Verständnis einer gelungenen JAG-Reform nicht.

Vielmehr geht es uns um eine bessere Vorbereitung der Studierenden sowie Referendarinnen und Referendaren auf eine juristische Arbeitswelt, die sich durch Europäisierung und Internationalisierung des Rechts sowie durch eine zunehmende Digitalisierung der Arbeitsabläufe in den vergangenen Jahren stark verändert hat und sich weiter verändern wird. Beispielhaft will ich deshalb aus unserem Änderungsantrag den klaren Pfad zum E-Examen benennen, den wir für die Prüfungsämter verbindlich gehen. Wir werden die Ableistung von Examensklausuren am Computer ab dem Jahr 2024 für alle Kandidatinnen und Kandidaten in NRW ermöglichen. Keine Richterin in Deutschland, kein Staatsanwalt, keine Rechtsanwältin und kein Beamter verfassen ihre Urteile, Anklagen, Schriftsätze und Bescheide per Hand. Hierauf sollte auch die juristische Ausbildung Rücksicht nehmen.

Meine Damen und Herren,

größere Bedeutung wird in Zukunft auch der Teilnahme von Studierenden  an besonderen Studienleistungen zugemessen, die über das klassische „Lehrbücher wälzen“ hinausgehen wird. Insbesondere Verfahrenssimulationen, sog. Moot Courts, oder auch studentische Rechtberatungen ermöglichen schon in einem frühen Stadium der Ausbildung, sich mit der praktischen Tätigkeit eines Juristen sowie ihrer Bedeutung für das Gemeinwesen vertraut zu machen. Sie ermöglichen den fachlichen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen anderer inländischer wie ausländischer Fakultäten. Und sie stellen auch Berührungspunkte und damit Empathie mit den Menschen her, die auf rechtliche Unterstützung angewiesen sind.

Aus diesen Gründen wollen wir die Teilnahme an solchen Angeboten fördern. Dieser für die Ausbildung wertvolle Blick über den Tellerrand darf für die Großzahl der Studierenden nicht aufgrund des im Jura-Studiums grundsätzlich hohen Arbeits- und Lernpensum von theoretischer Natur bleiben. Studierende, die sich hier engagieren wollen, entlasten wir unter bestimmten Voraussetzungen, indem wir ihr Engagement bei der Erfüllung der formalen Studienziele gleichwertig wie eine klassische Studienleistung, etwa eine Hausarbeit, gewichten oder auch auf die Freiversuchsmeldung anrechnen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

im gemeinsamen Koalitionsvertrag haben CDU und FDP ihr Verständnis einer guten Juristenausbildung mit dem gemeinsamen Ziel hinterlegt, die kritische Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und internationalen Bezügen des Rechts an den Universitäten zu stärken. Während der Ausbildung des juristischen Nachwuchses wird der Grundstein für eine gerechte und unabhängige Justiz gelegt, die im System der Gewaltenteilung die Freiheit und Rechte des Einzelnen vor Übergriffen des Staates schützt. Und wie wichtig eine unabhängige Justiz für unser Gemeinwesen ist, hat uns Deutsche nicht nur unsere eigene Geschichte gelehrt. Auch aktuelle Eingriffe europäischer Nachbarn in die Unabhängigkeit der Justiz stimmen uns nachdenklich und bestärken uns gleichsam in der Überzeugung, dass wir stolz auf unsere Juristenausbildung sein können.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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