Angela Erwin zu TOP 8 "Die Psychosoziale Prozessbegleitung als reguläres Mittel des Opferschutzes im Strafverfahren durchsetzen"

18.12.2019

Herr/ Frau Präsident/-in,
meine Damen und Herren,

ich freue mich, dass die AfD uns kurz vor dem Abschluss dieses Jahres noch einmal die Möglichkeit gibt, über die zentrale Bedeutung von Opferschutz und Opferhilfe für die Rechtspolitik der NRW-Koalition zu sprechen. Opferschutzbeauftragte, Umsetzung des Landesaktionsplan für Gewalt gegen Frauen, Stärkung der Bekanntheit verschiedener Hilfsangebote – bereits im Novemberplenum habe ich in meiner Rede zur psychosozialen Prozessbegleitung, die fundamentalen Linien unserer Opferschutzpolitik einführend nachgezeichnet.

Heute sind wir uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, das haben die Beratungen im Rechtsausschuss gezeigt, fraktionsübergreifend darüber einig, dass die psychosoziale Prozessbegleitung eine wichtige Stütze für Opfer schwerster Straftaten sein kann. Und wir sind uns auch darüber einig, dass dieses Hilfsangebot nicht in dem Maße in Anspruch genommen wird, wie wir uns das nach der Einführung durch den Bundesgesetzgeber gewünscht hätten.

Auf dieser Grundlage haben die Fraktionen von CDU, FDP und Grünen im November mit einem gemeinsamen Antrag verschiedene Forderungen an die Landesregierung gerichtet, um die Bekanntheit der psychosozialen Prozessbegleitung zu erhöhen. Informationsangebote in einfacher Sprache sowie in Fremdsprachen, eine öffentlichkeitswirksame Werbekampagne, vereinfachte Antragsformulare.

Im Zentrum unseres Forderungskatalogs aber steht die Entwicklung eines einheitlichen Verfahrens, mit dem jedes Opfer einer schweren Straftat im Sinne des § 397a StPO im sich anschließenden Strafprozess über das Angebot der psychosozialen Begleitung informiert und aufgeklärt wird.

Diese Herangehensweise wird unserem Grundverständnis gerecht, dass Menschen über die Inanspruchnahme von Hilfe frei und in Selbstbestimmung entscheiden, dass sich auch Opfer von Straftaten aktiv FÜR und eben nicht nur GEGEN etwa entscheiden können sollen.
Um solche Entscheidungen treffen zu können braucht es aber vor allem eines: eine ausreichende Informationsgrundlage. Und genau das haben wir mit unserem Antrag eingefordert.

Der Vorteil gegenüber dem heutigen Antrag der AfD, eine Beiordnung von Amts wegen vorzunehmen, liegt auf der Hand. Für die Umsetzung muss kein Bundesrecht geändert werden. Wenn es darum geht, die Inanspruchnahme der psychosozialen Prozessbegleitung zügig auszubauen, kann man sich darüber streiten, ob ein zeitintensives Verfahren im Bundesrat zur Abstimmung und Mehrheitsfindung zwischen den Ländern eine sinnvolle Lösung darstellt.

Viel entscheidender aber ist, dass ihr Antrag auch sonst nur scheinbar und nur formalgesetzlich weitergeht, als das was wir bereits im Novemberplenum beschlossen haben.

Sie wollen die Prozessbegleitung nicht auf Antrag, sondern von Amts wegen für jedes betroffene Opfer einer der Katalogstraftaten anordnen. Sind die Menschen aber umfangreich informiert, kennen sie die psychosozialen Prozessbegleitung, werden sie – so sie denn wollen – das Hilfsangebot ohnehin in Anspruch nehmen. Dann wird eine Beiordnung von Amts wegen keinen Mehrwert haben.
Nehmen sie das Angebot auf dieser Grundlage aber bewusst nicht in Anspruch, macht es wenig Sinn, sie über eine Beiordnung von Amts wegen dazu zu zwingen und ihnen die bürokratische Hürde des Opt-Outs aufzuerlegen.

ABER, meine Damen und Herren, auch wir haben mit unserem Antrag im November ganz bewusst entschieden, dass wir das Antragserfordernis jedenfalls für MINDERJÄHRIGE Verletzte einer Straftat abschaffen wollen. Minderjährige können naturgemäß den Wert von Hilfsangeboten, die Bedeutung und Tragweite eines Strafprozesses und ihre Rolle in diesem noch nicht in all ihren Facetten überblicken. Deshalb besteht für sie ein besonderes Schutzbedürfnis, welches in unseren Augen eine Abkehr vom Antragserfordernis rechtfertigt. Für diese Änderung wird sich die Landesregierung auf Bundesebene einsetzen.

Unterm Strich, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden wir den Antrag aus besagten Gründen also heute ablehnen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und uns allen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest.

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