
Sehr geehrte/-r Frau/Herr Präsident/in,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wir beschäftigen uns heute mit einer Thematik, die uns in den letzten 5 Jahren ¬– und sogar schon in der Zeit davor – nicht nur in NRW, sondern bundesweit beschäftigt hat.
Daher frage ich mich nach dem ersten Lesen des Antrags von ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, drei Dinge.
Erstens: In ihrem Koalitionsvertrag auf Bundesebene geben sie an, das „Sanktionssystem der Ersatzfreiheitsstrafe mit dem Ziel von Prävention und Resozialisierung überarbeiten“ zu wollen
(S. 106 KoaV SPD, B90 und FDP).
Sie haben es also in der Hand hier etwas zu unternehmen! Dieses Thema scheint im Bund allerdings auf der Prioritätenliste nicht ganz oben zu stehen. Bislang haben wir dazu jedenfalls nichts gesehen!
Zweitens: Beim Blick in die Ziffern 2 ff. ist eins offensichtlich: Entweder übersehen Sie, was sich bereits getan hat oder sie suggerieren einen gesetzlichen Handlungsbedarf, der nicht gegeben, nicht umsetzbar oder rechtlich gescheitert ist.
Aber der Reihe nach:
Zur Frage der Beratung, Information und Unterstützung (Ziffer 2), stellt das Ministerium bereits ausreichende Informationen in zahlreichen Sprachen online zur Verfügung.
Ihre Forderung unter Ziffer 3 geht völlig am Bedarf vorbei. Angebote freier Arbeit wurden bisher nur sehr selten wahrgenommen.
Auch ihre Forderung zur Senkung der Umrechnungsmaßstäbe auf maximal drei Stunden pro Tagessatz (Ziffer 4) ist de facto erst im November 2021 auf 5 Std., in besonders schweren Fällen auf drei Stunden, reduziert worden.
Über Beratungs- und Unterstützungsangebote (Ziffer 5) wird im gerichtlichen Verfahren bereits zum frühestmöglichen Zeitpunkt informiert.
Gleiches gilt für den Einsatz von Fallmanagern (Ziffer 6). Diese können bereits jetzt mit einbezogen werden.
Kein rechtlicher Handlungsbedarf besteht für Ziffern 7 und 8, die Vorschläge der Ziffer 9 sind rechtlich nicht möglich und Ziffer 10 ist bereits rechtlich gescheitert.
Drittens: Was bleibt dann eigentlich noch von ihrem Antrag?
Einzig und allein Ziffer 1 ihres Antrags!
Dort fordern sie, dass sich die Landesregierung auf Bundesebene dafür einsetzen solle, Schwarzfahren zu entkriminalisieren.
Diese Forderung zeigt wiederum, dass ihr Antragstitel bereits falsch ist!
Ihnen geht es offenkundig NICHT um die Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen, SONDERN um die komplette Abschaffung dieser Sanktion!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Ersatzfreiheitsstrafen sind Freiheitsstrafen, die vollzogen werden, wenn eine vom Gericht verhängte Geldstrafe nicht gezahlt wird.
Also, wenn eine Geldstrafe nicht eingetrieben werden kann.
De facto stellt die Ersatzfreiheitsstrafe damit eine Absicherung der Wirksamkeit gerichtlich verhängter Geldstrafen dar!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir leben in einem Rechtsstaat. In diesem muss sich JEDER Mensch an Gesetze halten. Auch schwierige Umstände ändern daran nichts!
Diese stellen auch für die Betroffenen – metaphorisch passend gesagt – gerade KEINEN Freifahrtsschein dar!
Es ist daher keine Lösung, finanzschwachen Menschen durch eine Abschaffung der EFS zu suggerieren eine Vielfalt von Delikten begehen zu können, ohne eine entsprechende Strafe zu erwarten.
Und wir sprechen hier nicht nur über das Schwarzfahren, sondern auch über Eigentums- und Begehungsdelikte!
Wir alle wissen, unser ÖPNV in NRW funktioniert auf dem Konsens, unsere Fortbewegung solidarisch zu finanzieren. Diese Solidarität fällt bei einer Verharmlosung des Schwarzfahrens irgendwann weg!
In den Debatten der Vergangenheit kam dabei häufig der Vergleich zwischen Schwarzfahren und Falschparken auf. Anders als das Falschparken, besteht beim Schwarzfahren aber eine enge Verwandtschaft zum Betrug!
Die Täter erschleichen sich auch hier eine Leistung. Die Rechtsgutsverletzung, die dabei bestraft werden muss, liegt im Vermögensschaden des Verkehrsträgers.
Entsprechend liegt ein höherer Unrechtsgehalt vor, dem in einem Rechtsstaat durch das Strafmaß beigekommen wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
dieser Antrag ist in vielen Punkten bereits überholt. Die Initiative auf Bundesebene steht aus. Wir werden mit Interesse verfolgen, was sich hierzu tut!
Ihren heutigen Antrag lehnen wir ab.
Empfehlen Sie uns!