Bernhard Hoppe-Biermeyer zu TOP 15 "Zweites Gesetz zur Änderung des Abschiebungshaftvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen"

10.07.2019

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

eins vorweg: Das Fixieren von Ausreisepflichtigen ist nur im Notfall und als letztes Mittel kurzfristig anzuwenden - und auch nur dann, wenn alle vorherigen Deeskalationsversuche wirkungslos geblieben sind und weitere mildere Mittel nicht mehr zur Verfügung stehen. In der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige in Büren – kurz UfA – ist das in den letzten anderthalb Jahren nach meinem Wissen genau zweimal vorgekommen.

Büren ist derzeit die einzige Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige in ganz Nordrhein-Westfalen.

Das Abschiebungshaftvollzugsgesetz ist also ein Gesetz exklusiv für diese Einrichtung.

Abschiebungshaft ist eine bedrückende Situation für alle Beteiligten. Für einige Ausreisepflichtige ist es vielleicht sogar eine scheinbar hoffnungslose Situation. Leider kann es dadurch bei den Untergebrachten in Einzelfällen zu Gewaltausbrüchen und Selbstverletzungen kommen.

In Büren können aktuell 160 Ausreisepflichtige untergebracht werden. Es ist unumstritten, dass diese Menschen als Abschiebehäftlinge besonders schutzwürdig sind.

Die UfA hat die Pflicht, den Schutz der dort untergebrachten Personen und ihrer Rechte zu gewährleisten.

Das Abschiebungshaftvollzugsgesetz enthält auch jetzt schon eine Regelung für Fixierungen.

Inzwischen aber hat sich das Bundesverfassungsgericht mit der Fixierung von psychisch Kranken beschäftigt. Die Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts für 5- und 7-Punkt-Fixierungen in geschlossenen psychiatrischen Einrichtungen werden mit dem jetzt vorliegenden zweiten Gesetz zur Änderung des Abschiebungshaftvollzugsgesetzes in Nordrhein-Westfalen berücksichtigt.

Es geht also darum, wie bei einer Fixierung von Ausreisepflichtigen zu verfahren ist.

Das Grundgesetz schützt die Freiheit der Person. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Eine 5-Punkt- bzw. 7-Punkt-Fixierung von nicht kurzfristiger Dauer ist nach diesem Urteil ein Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit.

Um beiden Verpflichtungen der UfA gerecht zu werden, also sowohl für die Unversehrtheit der Personen sorgen zu können, als auch den Schutz der Grundrechte sicherzustellen, müssen die gesetzlichen Regelungen präzisiert werden.

Die Zweite Änderung des Abschiebungshaftvollzugsgesetzes regelt eindeutig, unter welchen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen eine Fixierung angewendet werden darf.

Bei jeder Fixierung ist zu prüfen, ob und wie lange diese erfolgen muss, um eine akute erhebliche Selbstgefährdung oder eine akute Gefährdung Dritter abzuwenden.

Fixierungen, durch die die Bewegungsfreiheit der Untergebrachten nicht nur kurzfristig aufgehoben wird, bedürfen der vorherigen ärztlichen Stellungnahme und richterlichen Anordnung. Nur wenn Gefahr in Verzug ist, darf die Leitung der Einrichtung die Anordnung vorläufig treffen. Die richterliche Entscheidung und die ärztliche Stellungnahme sind dann aber unverzüglich nachzuholen. 

Der Richtervorbehalt in Verbindung mit dem weitreichenden richterlichen Bereitschaftsdienst schützt die Untergebrachten und ihre Rechte.

Die Betroffenen müssen außerdem nach Beendigung der Maßnahme auf die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung hingewiesen werden.

Das Definieren der Maßgaben bringt allen Beteiligten in diesen bedauerlichen Situationen mehr Sicherheit. Neben den Betroffenen auch den Beschäftigten, die die Sicherheit haben, dass sie geeignete Maßnahmen ergreifen können und dürfen, um gefährliche Situationen, sowohl für sich selbst als auch für die Untergebrachten, zu entschärfen.

Zudem besagt die neue Regelung, dass eine Eins-zu-eins-Betreuung gewährleistet sein muss und eine besondere Dokumentationspflicht einzuhalten ist. So sind sowohl die Gründe der Maßnahme als auch die Art und Dauer der Fixierung umfassend dokumentiert und können nachträglich überprüft werden.

Das zweite Gesetz zur Änderung des Abschiebungshaftvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen schafft also mehr Sicherheit und Rechtssicherheit für alle Beteiligten.

Im Integrationsausschuss wurde der Gesetzentwurf mit den Stimmen der regierungstragenden Fraktionen von CDU und FDP und bei Enthaltung der anderen Fraktionen angenommen.

Der seit gestern vorliegende Änderungsantrag von SPD und Bündnis90/Die Grünen scheint mir nicht praxisgerecht zu sein, weil das Hinzuziehen von besonders qualifizierten Ärztinnen oder Ärzten bzw. Dolmetscherinnen und Dolmetschern dazu führen kann, dass notwendige Maßnahmen auch zum Selbstschutz der Betroffenen nicht oder zu spät ergriffen werden können.

Es scheint mir hier im Übrigen auch nicht ratsam, einen unbestimmten Rechtsbegriff, wie ihn der Begriff „qualifiziert“ darstellt, neu in das Gesetz aufzunehmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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