Britta Oellers zu TOP 14 "Care-Arbeit in NRW sichtbar machen und besser unterstützen"

11.03.2020

Sehr geehrte/r Herr/Frau Landtagspräsident/in,
sehr geehrter Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

am vergangenen Sonntag haben wir den Weltfrauentag begangen – Gelegenheit für viele von uns, sich mit der Situation der Frauen in unserer Gesellschaft auseinanderzusetzen.

Wo stehen wir heute – wo ist noch Luft nach oben?

Meine Damen und Herren, die Frauenbewegung der letzten 40 Jahre hat ohne Frage viel erreicht und vieles auch hart erkämpfen müssen, denn auch wenn wir es mit Elisabeth Selbert einer Frau zu verdanken haben, dass bereits 1949 in Artikel 3 Absatz 2 der Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ in unserem Grundgesetz festgeschrieben wurde, so dauerte es doch noch Jahrzehnte bis dieser Satz im Ehe- und Familienrecht, im Erwerbsleben und in den Köpfen vieler Männer (und Frauen) tatsächlich angekommen war.

In manchen Bereichen ist eine völlige Gleichstellung von Frau und Mann bis heute nicht erreicht. Auch unsere Bundeskanzlerin griff am Sonntag in ihrem Statement zum Weltfrauentag, die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen im Erwerbsleben auf.

Sie appellierte an die Männer, sich stärker in die Sorge- und Familienarbeit einzubringen und die Care-Arbeit so gerechter auf mehrere Schultern zu verteilen.

Insofern ist die Sichtbarmachung und Wertschätzung von Care-Arbeit ein Thema, das uns alle angeht. Deshalb räumt die nordrhein-westfälische Landesregierung diesem Bereich auch einen besonders hohen Stellenwert ein, denn Bundes- und Landesregierung haben auf verschiedenen Ebenen in den vergangen Jahren bereits viele Anreize geschaffen, Familien in der Wahrnehmung der Care-Arbeit zu unterstützen. 

Dabei stehen langfristige Planungssicherheit und stabile Rahmenbedingungen für Familien und pflegende Angehörige und die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Fokus.

Das Elterngeld und die Möglichkeit, Elternzeit zu nehmen, bieten bereits jetzt große Gestaltungsmöglichkeiten für Familien, wenn es um die Vereinbarkeit von Sorgearbeit und Beruf geht. Hinzu kommt der seit Jahren konsequent betriebene Ausbau der Kinderbetreuung. Doch natürlich sind hier auch die Unternehmen am Zug. Flexible Arbeitszeitmodelle und zertifizierte Familienfreundlichkeit machen heutzutage Unternehmen für Fachkräfte attraktiv.

Auch im Bereich der Pflege ist die Landesregierung bereits mit mehreren Unterstützungsangeboten unterwegs, um pflegende Angehörige zu entlasten. Erst vor wenigen Wochen ist z.B. die Heim-Finder-App an den Start gegangen, die es Angehörigen und Pflegebedürftigen ermöglicht, vor Ort nach freien Kurzzeit- und Dauerpflegeplätzen zu suchen.

Pflegestützpunkte im ganzen Land bieten kostenlose Pflegeberatung und leisten Hilfestellung bei der Organisation einer ambulanten Pflegesituation im häuslichen Umfeld.

Ein umfangreiches, digitales Informationsangebot wird ebenfalls derzeit ausgebaut – mit dem Pflegewegweiser NRW ist im Netz schon ein wichtiger Schritt gemacht worden.

Und nicht zuletzt bauen wir derzeit das soziale Quartiersmanagement aus, indem wir stationäre Pflegeeinrichtungen unter dem Aspekt „Miteinander und nicht allein“ ins Quartier öffnen und zu Ankerpunkten ausbauen.

Insofern kann man nicht sagen, dass in den letzten Jahren nicht viel im Bereich der Care-Arbeit passiert ist, so wie es uns der Antrag der Grünen glauben lassen möchte. Denn das Gegenteil ist der Fall!

Nicht vergessen dürfen wir auch, dass es immer noch im eigenen Verantwortungsbereich liegt, wie man Care-Arbeit im Haushalt organisiert. Wenn sich Familien gemeinsam dazu entscheiden, dass ein Elternteil mehr Sorgearbeit leistet als der andere und damit alle Beteiligten zufrieden sind, ist das in Ordnung. Dann verdient diese Entscheidung ebenfalls unsere Anerkennung und unseren Respekt.

Um auf den Beginn meiner Rede zurückzukommen – wo ist noch Luft nach oben?

Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, wir haben in den letzten Jahren im Bereich der Care-Arbeit schon viel erreicht und den Familien gute Angebote gemacht. Aber wir sind uns der Zahlen und den damit verbundenen Konsequenzen für die Frauen in unserem Land natürlich ebenso bewusst wie die Grünen.

Dazu zählt auch, dass Frauen im Schnitt immer noch 21 % weniger verdienen als Männer – hier wirft der „Equal Pay Day“ in der nächsten Woche schon seine Schatten voraus. Auch hier ist definitiv noch Luft nach oben.

Doch Politik hat auch Grenzen, dessen sollte man sich bewusst sein. Ohne ein grundsätzliches Umdenken in den Köpfen von Männern, Frauen und Unternehmen, werden politische Maßnahmen allein nicht dazu führen, dass Care-Arbeit stärker auch von Männern geleistet wird.

Daher freue ich mich auf die Beratungen im Ausschuss und danke für Ihre Aufmerksamkeit!