
Sehr geehrte Frau Präsidentin / sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
soziale Netzwerke sind mittlerweile aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Auch und gerade Kinder und Jugendliche sind bei TikTok und Instagram unterwegs und kommunizieren über Messenger-Dienste. Bei allem Segen der Digitalisierung:
Es gibt auch Schattenseiten der sozialen Netzwerke.
Eine davon ist, dass soziale Medien für sexistische Gewalt eine geeignete Plattform bieten. Die Anonymität des Internets macht dieses Phänomen zu einem echten Problem in unserer Gesellschaft.
Neben Cybermobbing und Cybersexismus ist das sogenannte Cybergrooming eine besonders grausame Erscheinungsform. Rund 250.000 Kinder haben in Deutschland bereits Erfahrungen damit gemacht. Täter schreiben über Online-Plattformen gezielt Kinder und Jugendliche an. Einigen Tätern geht es dabei um die sexuelle Interaktion über das Internet; andere versuchen, sich auch im realen Leben mit den Kindern zu treffen, um sie dann sexuell zu missbrauchen.
Cybergrooming ist in Deutschland eine Straftat, auch wenn es nicht zu direkten sexuellen Handlungen kommt. Schon der Versuch, mit einem Kind im Internet aus sexuellem Interesse in Kontakt zu treten, kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden. Aus Scham werden jedoch nur wenige Täter angezeigt. Die Auswirkungen sind dramatisch: Jedes fünfte betroffene Kind oder Jugendliche hat Suizidgedanken.
Der vorliegende Antrag geht an diese breitgefächerte Problemstellung heran - an der einen und anderen Stelle leider zu einseitig, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Der Nutzen einer Datenbank zum Monitoring verschiedener Formen digitaler Gewalt erscheint hier fraglich.
Es ist charakteristisch für diese Art der Delikte, dass sie im Dunkelfeld liegen. Die Polizei NRW könnte zu einer solchen Datenbank nur Daten aus dem Hellfeld – also Taten, die der Polizei bekannt wurden – beitragen. Die Daten wären somit nicht umfassend valide bzw. würden lediglich einen Ausschnitt der Gesamtsituation darstellen.
Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben das Problem erkannt und engagieren sich bereits mit vielfältigen Initiativen gegen digitale Gewalt, insbesondere, wenn sie sich gegen Kinder, Jugendliche und Frauen als besonders vulnerable Personengruppen richtet.
Viele Forderungen des vorliegenden Antrags werden von der Landesregierung bereits umgesetzt:
So wurde zur Gleichstellungsministerinnen-Konferenz (GFMK) 2020 der Beschlussvorschlag „Diskriminierung durch Algorithmen vermeiden durch mehr Prävention und Transparenz“ eingebracht und einstimmig angenommen.
Darüber hinaus wurden zur qualitativen und strukturellen Weiterentwicklung des Hilfenetzes für von Gewalt betroffene Frauen durch die Landesregierung die Finanzmittel seit Amtsantritt 2017 kontinuierlich um insgesamt 7,3 Millionen Euro auf rund 30,2 Millionen Euro erhöht.
Den über 185 landesseitig geförderten Opferunterstützungseinrichtungen wurden in den Jahren 2020 und 2021 zusätzlich 4,1 Millionen Euro aus dem NRW-Rettungsschirm zur Verfügung gestellt.
Eine Beratungsstruktur, die sich auf technische Möglichkeiten der Prävention spezialisiert, ist landesweit bereits innerhalb der polizeilichen Kriminalkommissariate Kriminalprävention und Opferschutz (KK KPO) und der entsprechend zuständigen Organisationseinheiten vorhanden.
Eine Kampagne zur sexuellen Nötigung / Erpressung von Kindern und Jugendlichen im Internet wurde bereits 2017 entwickelt.
Zudem informiert das Opferschutzportal der Landesregierung über Cybercrime und Digitale Gewalt.
Strategien für eine schnelle Strafverfolgung mit dem Ziel der Erhöhung der Anzeigebereitschaft der geschädigten Frauen und Mädchen werden bereitserarbeitet.
In der polizeilichen Aus- und Fortbildung ist die Thematik der digitalen Gewalt schon heute fest und umfassend verankert.
Schulen sind bereits durch den „Aktionsplan für Demokratie und Respekt – entschieden gegen Diskriminierung und Gewalt“ seit 2019 aufgefordert, Schutzkonzepte gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch zu erstellen. Sie tragen schon heute maßgeblich zur digitalen Bildung und Aufklärung bei.
Die Landesregierung wird darüber hinaus noch in diesem Frühjahr eine Gesamtstrategie veröffentlichen, um das Schutz- und Hilfesystem für betroffene Frauen bedarfsorientiert weiterzuentwickeln.
Geschädigten strafbarer digitaler Gewalt in sozialen Netzwerken wird künftig mit Einführung der Meldepflicht der Provider die Last der Erstattung einer Strafanzeige abgenommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
dies sind nur einige Beispiele dessen, was bereits von der NRW-Landesregierung auf den Weg gebracht wurde.
Vieles ist noch zu tun.
Das Internet soll ein offener Raum bleiben, indem jeder Mensch seine Meinung äußern kann, ohne damit rechnen zu müssen, beleidigt oder bedroht zu werden.
Dennoch ist es Aufgabe der Politik, ein gesellschaftliches Klima, rechtliche Rahmenbedingungen und breitgefächerte Hilfsangebote zu schaffen, damit Gewalt im Internet – nicht nur gegen Mädchen und Frauen - verurteilt, öffentlich gemacht und bestraft wird. Insofern freuen wir uns auf die weiteren Beratungen im Ausschuss.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
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