Charlotte Quik zu „Opferrechte stärken: Koordinierung schaffen und Aufarbeitung von Missbrauchsdaten unabhängig und ohne Einflussnahme ermöglichen!“

24.11.2022

Sehr geehrte Frau Präsidentin / sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Sehr geehrte Frau Präsidentin / sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Missbrauchsskandal hat das Vertrauen der Menschen in die Kirche massiv erschüttert. Eltern glaubten, dass ihre Kinder in der kirchlichen Jugendarbeit besonders gut aufgehoben sind. Stattdessen sind ihre Kinder in diesem – vermeintlichen geschützten Lebensraum „Kirche“ - Opfer widerwärtiger Taten geworden mit zum Teil lebenslangen Folgen für Körper und Seele.

Auf der Internetseite der Katholischen Kirche liest man von Astrid Mayer. Sie ist als Kommunionkind von ihrem damaligen Pfarrer missbraucht worden und hat Jahrzehnte gebraucht, bis sie darüber reden konnte. Heute engagiert sie sich unter anderem in Organisationen wie ECA ("Ending Clergy Abuse") und im Betroffenenbeirat des Fonds Sexueller Missbrauch.

30 Jahre nach der Tat hat sie diese beim Bistum Aachen angezeigt und dort – wie sie selber sagt – „nichts Gutes“ erfahren. Sie habe die Missbrauchskommission damals als völlig gefühllos und als reine Täterschutzkommission erlebt.

Dort habe es lapidar geheißen man habe den aktuellen Pfarrer befragt sowie den Pfarrgemeinderat und die können sich gar nicht vorstellen, dass da damals was gewesen sein könnte.

Man habe ihr dann noch vorgeworfen, sie habe ja eine Therapie gemacht und die angezeigten Ereignisse seien ihr dort vielleicht eingeredet worden. Sie solle doch die Anzeige zurückziehen. Das habe sie völlig umgehauen.

Es habe auch niemanden in der Kommission gegeben, der irgendwie psychologisch geschult gewesen sei und auch nur ein wenig Gespür dafür gehabt hätte, was das für sie als Opfer bedeutet habe in dieser ganz heiklen Situation. Da brauche man Gesprächspartner mit Einfühlungsvermögen und Hilfe - echte Seelsorge eigentlich. Auch in der Gemeinde sei sie die „Nestbeschmutzerin“ gewesen.
 
Es ist gut, dass die Justiz hier mehr als genau hinsieht. Die katholische Kirche hat sich dieser Diskussion gestellt – allerdings steht sie hier noch sehr am Anfang.

Es bedarf nicht nur des Willens, dieses Thema aufzuarbeiten und Resultate daraus für die Zukunft zu ziehen, sondern man muss sich auch intensiv den Opfern annehmen. Diese brauchen die volle Unterstützung mit spezifisch geschultem und unabhängigen Personal, aber auch – dort, wo es nötig ist - einen finanziellen Ausgleich. Traumatisierung stürzt viele auch in den finanziellen Abgrund.
 
Es ist aber unser aller Engagement gefordert, damit wir Kinder und Jugendliche zukünftig besser schützen können, weil es sich dabei um eine gemeinschaftliche Aufgabe handelt.

Diese Diskussion muss wesentlich differenzierter geführt werden. Der vorliegende Antrag urteilt zu einseitig. Hier gilt es nichts zu beschönigen, aber man sollte – trotz aller Ereignisse - keinen Generalverdacht gegenüber der katholischen Kirche aussprechen.

Sie kümmert sich professionell, die Aufklärung der Missbrauchskrise konsequent voranzutreiben. Das muss man anerkennen. Das sage ich auch ganz persönlich als gläubiges Mitglied der katholischen Kirche im Bistum Münster. Gerade hier wurden mit der Missbrauchsstudie unter Leitung von Prof. Großbölting und der klaren Positionierung von Bischof Felix nach Vorstellung der Ergebnisse neue Maßstäbe gesetzt. Ich will nicht verhehlen, dass ich mir das auch mit Blick auf das Bistum Köln wünschen würde.

Der vorliegende Antrag erweckt zudem den Eindruck, dass sexueller Missbrauch fast ausschließlich ein Problem der katholischen Kirche sei. Dem ist mitnichten so. Wir sprechen hier - leider – von einem gesamtgesellschaftlichen Problem. Missbrauch gibt es auch in anderen Bereichen, wie z.B. im Sport oder Ehrenamt.

Wir alle erheben gegenüber der Kirche zurecht einen hohen moralischen Anspruch. Umso bedeutender fallen die Verfehlungen in ihren Reihen auf. Der Vorgang und die daraus resultierende Aufgabe sind allerdings zu komplex, als dass man sie ausschließlich aus einem Blickwinkel betrachten sollte. Das wird diesem immensen Problem nicht gerecht.

Die katholische Kirche hat sich dieser Diskussion gestellt und erste Resultate daraus gezogen. Sie hat die Maßnahmen zur Prävention sexualisierter Gewalt in ihren eigenen Reihen bereits intensiviert seit Bekanntwerden der Missbrauchsfälle und Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch von 2013 formuliert sowie eine einheitliche Rahmenordnung Prävention auf den Weg gebracht. Die Prävention vor sexualisierter Gewalt ist zum integralen Bestandteil der kirchlichen Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen geworden.

Die Prävention in den (konfessionsgebundenen?) Schulen braucht ein Schutzkonzept - der Umgang miteinander muss immer wieder reflektiert, überprüft und weiterentwickelt werden. Es müssen Bedingungen geschaffen werden, die das Risiko von sexualisierter Gewalt mindern.

Ein institutionelles Rahmenschutzkonzept ist partizipativ unter Beteiligung von Eltern- und Schülervertretern, Schulleitungen und Lehrervertretern, Vertretern der Mitarbeitervertretungen, Mitarbeitenden der Schulabteilung sowie der Koordinationsstelle Prävention im Erzbistum Köln entstanden. Alle Eltern und alle Mitarbeitenden haben sich verpflichtet, diese verbindliche Orientierung zur Prävention vor sexualisierter Gewalt verpflichtend einzuhalten.

Gerade der Lebensraum „Schule“ braucht eine Kultur des Respekts und der Achtung für die Würde jedes Menschen und jedes Kindes, deshalb bedarf es eines Verhaltenskodex für kirchliche Schulen. Sie brauchen Regelungen für Situationen, die für sexuelle Gewalt leicht ausgenützt werden können, denn alle an der Schule Tätigen tragen gemeinsam Verantwortung.

Prävention beginnt stets bei Erwachsenen, d.h. Lehrern, Eltern und Verwandten. Die Präventionsmaßnahmen an kirchlichen Schulen haben daher das gesamte Umfeld der Kinder und Jugendlichen im Blick (Elternarbeit, Schulung von Referendaren, Einarbeitung von Junglehrern, regelmäßig zu wiederholende Schulungen).

Regelmäßige Fortbildungen für Mitarbeiter sind daher schon heute verpflichtend und werden durch den Schulträger vermittelt. Sie sollen dazu befähigt werden, Hinweise auf sexuellen Missbrauch zu erkennen und mit diesen angemessen umzugehen. Sie sollen aber auch dazu befähigen, Dritte über diese Themen zu informieren. 


Transparenz ist eine weitere Säule der Prävention: Ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis muss als Voraussetzung für eine Einstellung in den Schuldienst aller kirchlichen Schulträger gelten – dies muss alle fünf Jahre erneut vorgelegt werden. Neben der fachlichen Qualifikation ist auch die persönliche Eignung der Bewerber ausschlaggebend: Das Thema „Prävention von sexualisierter Gewalt an Schulen" ist einer der Schwerpunkte im Bewerbungsgespräch. Die Schulleitung stellt damit sicher, dass die neu eingestellten Lehrkräfte mit den schulischen Besonderheiten zur Prävention von sexualisierter Gewalt vertraut gemacht werden. Die  Präventionsfachkraft unterstützt hierbei.

Eine letzte große Säule der Präventionsarbeit ist die Wissenschaft: Ende diesen Jahren ist mit Ergebnissen der Evaluierung durch externe Wissenschaftler zu rechnen. Diese werden dann ebenfalls neue Erkenntnisse und – damit verbunden - Aufträge mit sich bringen.

Nordrhein-Westfalen lässt die Opfer nicht alleine, sondern hält für Betroffene vielfältige Angebote vor, um den verschiedenen Bedürfnissen zu entsprechen. Die Kirche hat einiges auf den Weg gebracht, um zukünftig ein breiteres Präventionsnetz zu spannen, aber sie wird zukünftig noch viel Ausdauer und Konsequenz zeigen müssen, um diese Missbrauchsskandale zu bewältigen.

Die nordrhein-westfälische Landespolitik sollte sie dabei maximal unterstützen und sehr differenziert hinsehen. Diesem Anspruch wird der vorliegende Antrag leider nicht gerecht.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

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