Christos Katzidis zu TOP 3 "Häuslicher Gewalt wirkungsvoll begegnen – Schutzmaßnahmen für Betroffene ausbauen und verbessern"

28.02.2024

Anrede,

zunächst einmal einen herzlichen Dank an die SPD-Fraktion für diesen Antrag.

Es freut uns, dass das Thema Häusliche Gewalt auch endlich bei Ihnen angekommen ist, denn es ist ein wichtiges Thema.

Starten wir mal mit Ihrer Überschrift:

„Häuslicher Gewalt wirkungsvoll begegnen – Schutzmaßnahmen für Betroffene ausbauen und verbessern“

Wenn man häusliche Gewalt wirkungsvoll bekämpfen will und Schutzmaßnahmen für Betroffene so ausbauen und verbessern will, dass sie Wirkung entfalten, dann reden wir über andere Maßnahmen als die, die sie in ihren Antrag geschrieben haben.


Schauen wir uns Ihren Antrag doch mal im Detail an:

Es geht in ihrem Antrag um den Ausbau von Beratungsstellen und Netzwerken, der Dunkelfeldforschung, der Fortbildung bei den Sicherheitsbehörden, der Erarbeitung von Konzepten, der Barrierefreiheit von Informationen und Änderungen im Polizeigesetz.

Zum Thema Wirksamkeit von Maßnahmen eine kleine Zeitreise.

1. Ich gehe mal ins Jahr 2002
Als man 2002 den § 34a Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot eingefügt hat, hat man aber nur halbe Sachen gemacht.

Was macht nicht hat, war die Gewahrsamsvorschriften zu ändern im Polizeigesetz.

Da hat dazu geführt, dass die Polizei NRW einen häuslicher Schläger zwar für 10 Tage der Wohnung verweisen und ihm ein Rückkehrverbot aussprechen konnte.

Sie konnten den Schläger aber nicht für 10 Tage in die Zelle setzen, wenn er sich nicht an diese Maßnahme gehalten hat, sondern nur für 48 Stunden.

Wissen wozu das geführt hat.

Wir machen es mal ganz praktisch, damit Sie es verstehen.

Ein Streifenwagen wird zu einer häuslichen Gewalt gerufen.

Die eingesetzten Beamten sprechen eine Wohnungsverweisung und ein Rückkehrverbot aus, an das sich der Schläger von vorneherein nicht hält, weil das Züchtigungsrecht als Eherecht betrachtet.

Daraufhin nehmen die Beamten den Schläger mit und setzen ihn die Zelle, um die Frau zu schützen, aber nur 48 Stunden, weil das Polizeigesetz nicht mehr hergegeben hat.

Nach der Entlassung geht der Schläger zurück und die Polizei fährt wieder zur Wohnanschrift und packt den Schläger ein zweites Mal in den Streifenwagen und in die Zelle.

Nach 48 Stunden wird er entlassen und geht zur Wohnanschrift zurück, um sich wieder seiner Frau zu widmen.

Die Polizei fährt ein drittes Mal zur Wohnanschrift und packt den Schläger ein weiteres Mal in den Streifenwagen und die Zelle, zumindest für 48 Stunden.

3 x 48 Stunden gleich 6 Tage!

Bleiben zwei weitere Fahrten der Beamten zur Wohnanschrift und zwei weitere Ingewahrsamnahmen, um das Opfer auch tatsächlich für 10 Tage zu schützen.

Das war nach 2002 16 Jahre lang die Gesetzesrealität in Nordrhein-Westfalen.

2013 habe ich dazu einen Aufsatz in einer Fachzeitschrift veröffentlicht.

Davor habe ich schon häufiger thematisiert.

Politisch hat es damals niemanden interessiert.

 

 


Forderung Nr. 1
• Die Förderung des flächendeckenden Ausbaus für Hilfsangebote und Schutzeinrichtungen für von häuslicher Gewalt betroffene Menschen angesichts des steigenden Bedarfs und nach den Zielvorgaben der Istanbul-Konvention zu intensivieren. Insbesondere soll  dabei, unter Berücksichtigung einer auskömmlichen Finanzierung, auch eine stetige Erhöhung der Anzahl der Plätze in Frauenhäusern erfolgen.
Teile ich – wird aber bereits gemacht im Rahmen des Regierungshandelns!

Forderung Nr. 2
• Die Schutzmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche im Hinblick auf häusliche Gewalt zu evaluieren und gegebenenfalls auszubauen. Dafür müssen die entsprechenden Fachkräfte aus- und weitergebildet werden.
Teile ich – wird aber bereits gemacht im Rahmen des Regierungshandelns!
Die Landesregierung hat für 2024 die jährliche Förderpauschale für jeden Frauenplatz über der Mindestzahl von acht Frauenplätzen von 7.000 auf 10.000 Euro erhöht, um nur ein Beispiel zu nennen.

Forderung Nr. 3
• Maßnahmen zu ergreifen, um die Stellen für Fachkräfte zur Arbeit mit Kindern in allen Frauenhäusern zu besetzen.
Teile ich – wird aber bereits gemacht im Rahmen des Regierungshandelns!
Das Land fördert inzwischen 68 Frauenhäuser mit insgesamt 676 Schutzplätzen, die von 717 Kinderplätzen flankiert werden.
Der Förderbereich „Schutz und Hilfe für gewaltbetroffene Frauen“ ist im Haushaltsentwurf 2024 mit 33.181.200 Euro veranschlagt.
Im Vergleich zu 2020 stehen langfristig jährlich rund neun Millionen Euro mehr für die dauerhafte Verstärkung und den Ausbau der landesgeförderten Hilfestrukturen zur Verfügung.
Zusätzlich werden 62 allgemeine Frauenberatungsstellen, 56 Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt, 8 spezialisierte Beratungsstellen für Opfer von Menschenhandel, 2 Fachberatungsstellen gegen Zwangsheirat sowie ein Projekt zur Prävention und Beratung bei weiblicher Genitalbeschneidung gefördert!

Forderung Nr. 4
• Sich mit den Kommunen auf eine einheitliche, auskömmliche Finanzierung der Frauenhäuser zu einigen, die eine Einwerbung von Spenden durch die Träger erübrigt.
Die Finanzierungsfrage ist ebenfalls bereits Thema, auch dazu bedarf es keines Antrages.


Forderung Nr. 5
• Sich auf Bundesebene für einen Rechtsanspruch auf kostenlose Aufnahme und Unterbringung aller schutzbedürftigen Frauen und Mädchen in einem Frauen-/Mädchenhaus oder einer sonstigen Schutzeinrichtung, unabhängig von ihrem SGB-Status, einzusetzen.
Sie haben Regierungsverantwortung auf der Bundesebene.
Ich nichts von der SPD NRW dazu gelesen, dass sie sich selber bei Ihrer Bundesregierung für einen Rechtsanspruch einsetzen.
Tun sie das nur hier Landtag? 

Forderung Nr. 6
• Bei den Mitteln zur Umsetzung der Istanbul-Konvention die speziellen Bedürfnisse von gewaltbetroffenen Mädchen zu berücksichtigen, das bestehende Hilfesystem zu sichern und entsprechend der Bedarfe auszubauen.
Wird im Rahmen der haushaltärischen Möglichkeiten bereits getan!
Im Übrigen ist bereits eine Koordinierungsstelle zur Umsetzung der Istanbul-Konvention eingerichtet: Ziel ist die Verpflichtungen zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, zum Schutz der Opfer und zur Bestrafung der Täterinnen und Täter entsprechend umzusetzen.

Forderung Nr. 7
• Kontinuierlich die barrierefreie Zugänglichkeit zu Informationen zu Gewaltschutz und Gewaltprävention und der Frauenhilfeinfrastruktur auszubauen, sowie den Gewaltschutz in Einrichtungen der Behindertenhilfe zu stärken und damit eine bessere Verzahnung der Behindertenhilfe mit der Frauenhilfe auszubauen.
Wird im Rahmen der haushaltärischen Möglichkeiten bereits getan!


Forderung Nr. 8
• Insbesondere auch eine verstärkte Förderung des Ausbaus von Hilfsangeboten und Schutzeinrichtungen für männliche Opfer von häuslicher Gewalt einzuleiten - z.B. durch den Ausbau von Männerhäusern - damit ein Niveau an Hilfsmöglichkeiten existiert, das sich an ihrem zahlenmäßigen Anteil an der Opferstatistik orientiert.
Wird gemacht.

Forderung Nr. 9
• Die nordrhein-westfälischen Polizeibeamten und -beamtinnen weiter durch einen deutlichen Ausbau der Fortbildungsangebote für das Thema häusliche Gewalt zu sensibilisieren und auf diese Weise dafür zu sorgen, dass in den nordrhein-westfälischen Polizeibehörden einheitliche Standards beim Umgang mit häuslicher Gewalt vorliegen. Zudem sollen die Fortbildungsangebote zum Thema häusliche Gewalt im Bereich der Justiz ausgebaut werden sowie auch interdisziplinäre Fortbildungen und Seminare für die Bereiche Polizei, Staatsanwaltschaft, Richterschaft und Jugendamt angeboten werden, damit strukturelle Probleme besser erkannt und Abläufe verbessert und beschleunigt werden.  
Es gibt Fortbildungsveranstaltungen. Ich habe selber als Referent bereits vorgetragen im Rahmen solcher Fortbildungsveranstaltungen.

Forderung Nr. 10
• Das Dunkelfeld für häusliche Gewalt durch Untersuchungen und Studien weiter aufzuhellen, damit aufgrund der dadurch gewonnenen Erkenntnisse ggfs. weitere Maßnahmen zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt eingeleitet werden können.
Teile ich uneingeschränkt. Ich würde sogar noch weiter gehen.

Forderung Nr. 11
• Die Vorgaben aus Art. 51 der Istanbul-Konvention zu erfüllen und Risikobewertungsverfahren für Fälle häuslicher Gewalt einzuführen, die zur Strukturierung und Standardisierung der Risikobewertung und zur Messung des jeweils vorliegenden Gefahrengrads verwendet werden.
Risikobewertungsverfahren bedeuten wieder mehr Bürokratie.
Die Polizei NRW beurteilt bereits heute und auch schon früher jeden Einzelfall.

Forderung Nr. 12
• Einen Gesetzentwurf zur Änderung von § 34 a Abs. 1 Polizeigesetz NRW vorzulegen, damit durch eine Streichung des Tatbestandsmerkmals „gegenwärtig“ die Eingriffsschwelle für eine Wohnungsverweisung zukünftig von einer „gegenwärtigen Gefahr“ auf eine „konkrete Gefahr“ für Leib, Leben oder Freiheit einer anderen Person herabgesetzt wird.
Das ist kein praktisches Problem, weil der Übergang im Übrigen „fließend“ ist und es Interpretationssache der eingesetzten Beamten ist.

Forderung Nr. 13
• Einen Gesetzentwurf zur Änderung von § 34 a Abs. 4 Polizeigesetz NRW vorzulegen, damit die Polizei personenbezogene Daten einer durch häusliche Gewalt gefährdeten Person auch ohne deren Einwilligung an eine geeignete Beratungsstelle übermitteln darf, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.
Gibt es schon. § 27 Absatz 3 Nummer 1
Weitaus umfangreicher als die niedersächsische Regelung.

Forderung Nr. 14
• Konzepte zu erarbeiten, um in Fällen häuslicher Gewalt den Informationsaustausch zwischen den verschiedenen zuständigen Institutionen wie z.B. Polizei, Justiz, Jugendämtern sowie Hilfs- und Beratungsstellen zu verbessern, damit frühzeitig Gefährdungslagen erkannt werden und ein rechtzeitiges Eingreifen ermöglicht werden kann. Insbesondere ist hier auch die Initiierung von Kooperationsvereinbarungen auf interdisziplinärer Ebene oder von Fallkonferenzen in brisanten Fällen in Erwägung zu ziehen.    
Dazu bedarf es keiner Konzepte, es muss nur gemacht werden!

Wir sind auf einem guten Weg!

Diesen werden wir konsequent weiter gehen und den Opferschutz ausbauen.
Deshalb haben wir auch bereits im Jahr 2022 die Stiftung Opferschutz errichtet.

Die Landesregierung hat die Stiftung mit einem Grundstockvermögen von drei Millionen Euro ausgestattet und überträgt ihr in den Jahren 2023-2027 jährlich zweieinhalb Millionen Euro, um Betroffenen psychischer und physischer Gewalt in einer finanziellen Notlage beistehen zu können.