Daniel Hagemeier zu TOP 12 "Gesetz zur Änderung des Landeswahlgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen"

24.06.2020

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Die AfD-Fraktion rennt zum wiederholten Male mit dem Kopf vor die gleiche Wand, denn nicht zum ersten Male fordert sie die Verkleinerung unseres Parlaments.

Dabei ist die parlamentarische Demokratie ein hohes Gut unserer Gesellschaft, das es zu schützen und zu verteidigen gilt.

Die zentrale Frage, die wir uns alle selbst beantworten sollten, ist doch: WIE VIEL IST UNS EINE BÜRGERNAHE, DEMOKRATISCHE POLITIK für die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen wert und wie effektiv ist unsere Parlamentsarbeit aktuell?

Wir Abgeordneten haben einen vollen Terminkalender, insbesondere in den Sitzungswochen hier im Landtag. Und selbst in der Coronakrise waren unsere Arbeitstage nicht mit acht Arbeitsstunden zu bewältigen.

Ganz im Gegenteil – nicht wenige meiner Kollegen haben von morgens früh bis abends spät an mobilen Endgeräten gesessen und die Flut an Herausforderungen digital zu bewältigen versucht.

Aber gehen wir nicht von der Krise, sondern dem Normalzustand aus, den ich beispielhaft an meinem Wahlkreis erklären möchte.

Es ist ein recht großer, ländlicher Wahlkreis – der Nordkreis Warendorf mit 8 Kommunen. Mit dem Auto brauche ich vom einen Ende zum anderen gut eine Stunde und lege eine Entfernung von rund 60 KM zurück. Pro Jahr kommen da schon so 15 bis 20.000 KM alleine nur im Wahlkreis zusammen.

Über Arbeitsmangel vor Ort kann ich mich absolut nicht beklagen!

Mein persönlicher Anspruch als Wahlkreisabgeordneter ist es, an unserer Basis so oft wie möglich präsent zu sein. Der Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern ist enorm wichtig, denn wenn wir unserem Wählerauftrag gerecht werden wollen, müssen wir immer aktuell wissen, was die Menschen in unseren Wahlkreisen bewegt und diese Themen mitnehmen in unsere Arbeit im Parlament.

Und umgekehrt ist es genau so: wir Abgeordneten transportieren die Politik zu den Menschen.

Eine Verkleinerung des Landtags bedeutet zwangsläufig eine Vergrößerung der Wahlkreise.

Die AfD fordert, dass die Wahlkreise auf 64 halbiert und die Zahl der Abgeordneten auf 129 reduziert wird. Das hieße – wenn man es grob über einen Kamm schert -, dass sich die Arbeit der Wahlkreisabgeordneten verdoppelt.

Wenn man es logisch betrachtet, heißt es aber auch: die Zeit, die wir Volksvertreter für unsere parlamentarische Demokratie aufwenden können, ist damit quasi auf die Hälfte reduziert.


Speziell in den ländlich geprägten Wahlkreisen betreuen wir Abgeordneten große Gebiete, fahren jeden Monat hunderte von Kilometern und verbringen tagsüber, abends und an so gut wie jedem Wochenende Stunde um Stunde bei denen, die wir hier in Düsseldorf vertreten.

Demokratie ist mehr als ein Kreuzchen auf einem Wahlzettel zu hinterlassen, meine Damen und Herren!

Demokratie ist, wenn sich die Wählerinnen und Wähler von uns Abgeordneten vertreten fühlen!

Das Vertrauen in politische Institutionen sowie in die Demokratieakzeptanz ist auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt von besonderer Bedeutung.

Gerade auch in Zeiten von Politikverdrossenheit ist die Bindung des einzelnen Abgeordneten an die Menschen im Wahlkreis sehr wichtig. Wird die Anzahl der Wahlkreise reduziert und die Größe der Wahlkreise deutlich ausgedehnt, so ist auch die Bindung zu den Bürgerinnen und Bürger   schwieriger.

Wir demokratischen Fraktionen wollen, dass der Landtag auch zukünftig die Vielfalt der Menschen und Meinungen in unserem Land abbildet. Dazu gehört nicht nur der Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition, wie hier heute in der Plenarsitzung, sondern in unserem Verhältniswahlrecht auch die Beteiligung kleinerer Parteien an der Meinungsbildung in diesem Hause.

Derzeit werden 10 Abgeordnete benötigt, um eine Fraktion zu bilden. Ein Zahl, auf die sich die AfD im Trend seit 2017 konsequent zubewegt – aber auf die Interna der selbsternannten Alternative möchte ich an dieser Stelle nicht näher eingehen. Allerdings sind ja auch die aktuellen Wahlumfragen eher nicht ermutigend für die Fraktion, die zu recht in diesem Hause am rechten Rand der Sitzordnung platziert wurde.


Demokratie, meine Damen und Herren, sollte es uns wert sein, finanziert und gepflegt zu werden.

Wir lehnen den von der AfD vorgelegten Gesetzentwurf ab, stellen uns aber gerne einer sachlichen Auseinandersetzung im federführenden Hauptausschuss.