Dr. Anette Bunse zu TOP 3: "Menschen im Hochwasser Gebiet nicht allein lassen"

26.01.2022

Sehr geehrter Herr Präsident / sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
der hier vorliegende Antrag stellt einige wichtige Dinge fest:
Ja, sehr viele Menschen in den von dem Hochwasser betroffenen Regionen sind von den Ereignissen stark traumatisiert. Das sind die Anwohnerinnen und Anwohner – Jung und Alt –  genauso wie die vielen Helferinnen und Helfer. Das ist tragisch und diese Menschen brauchen selbstverständlich professionelle Hilfe – wahrscheinlich über einen langen Zeitraum.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion.
Ihr Antrag heute suggeriert, dass noch nichts geschehen sei, was die psychische Verfasstheit der Flutopfer im Blick hat. Das war nie und das ist nicht der Fall und das wird auch in Zukunft nicht der Fall sein. Direkt nach Bekanntwerden des Ausmaßes der Flutkatastrophe wurde eine Psychosoziale Notfallversorgung eingerichtet. Es existieren Broschüren und Notfalltelefonanaschlüsse. Traumaambulanzen wurden für die Flutopfer geöffnet. Es gibt Unterstützungsangebote durch die Unfallkassen. Aber: wir stellen auch fest, dass die vom Land geförderten Angebote heute nur überschaubar in Anspruch genommen werden. Das ist insofern nicht überraschend, weil Traumata nicht selten erst in einem gewissen zeitlichem Abstand zum ursächlichen Ereignis Belastungssymptome auslösen. Das habe ich bereits am 08. September an dieser Stelle hier ausgeführt zum selben Thema.
Der Bedarf an Unterstützung kann offensichtlich aktuell durch die vorhanden Angebote und Strukturen in großen Teilen gedeckt werden. Ihr Antrag geht daher in Richtung Stimmungsmache und Schwarzmalerei. Statt eines punktuellen neuen Angebotes sollten wir uns heute eher darauf konzentrieren, die Regelversorgungsstrukturen weiter anzupassen und zu stärken. Das ist nach heutiger Einschätzung nachhaltiger und somit wirksamer als ein lokales Spezialangebot, wie Sie es sich wünschen.
Auch die von Ihnen zitierte Risikopotenzialanalyse, wonach mit 8.000 Menschen zu rechnen ist, die in Folge der Hochwasserkatastrophe psychologische Beratung benötigen werden, hilft heute nicht wirklich weiter, sondern ist eher kontraproduktiv. Man kann man präventiv therapieren.

Ich bin überzeugt, dass diese Landesregierung und insbesondere ihr Gesundheitsministerium die Situation in der betroffenen Region und vor allen Dingen das Wohl der Menschen sorgsam im Auge hat und entsprechend reagieren wird. Das hat sie bereits durch Gespräche mit den Abgeordneten der betroffenen Flutgebiete gezeigt und ihnen zugesagt, jederzeit für Unterstützung zur Verfügung zu stehen. Es ist unser aller Ziel, dass auch in den kommenden Monaten und sicher auch Jahren der Zugang der Flutopfer zu psychotherapeutischen Hilfsangeboten aufrechterhalten bleibt und dem Bedarf angepasst wird.
Wir brauchen daher mittel- und langfristig eine zuverlässige psychotherapeutische Versorgung der Flutopfer, aber keine Schnellschüsse. Ihren Antrag lehnen wir ab. Vielen Dank.