Dr. Günther Bergmann MdL TOP 4 "Patente und Eigentumsrechte dürfen einer weltweiten Eindämmung der Corona-Pandemie nicht im Wege stehen: Impfstoff schnellstmöglich und gerecht verteilen!"

24.03.2021

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren!

Wer würde nicht zustimmen, wenn jemand fordert, man müsse die ärmeren Staaten bei der Bekämpfung dieser Pandemie unterstützen und man dürfe sie nicht alleine lassen?
Das Grundanliegen dieses Antrags von Bündnis 90/Die Grünen stößt also auf großes Verständnis – da bin ich mir ganz sicher. Schließlich gehören auch Solidarität und Gemeinwohl als zwei Grundpfeiler der christlichen Soziallehre zu dem Grundkonzept meiner Partei, und es ist schön, dass man auch in der aktuellen Politik wieder zeigen kann, wie wichtig das C ist.

Die Antragsinhalte setzen genau da an, wo Europa und Deutschland bereits unterwegs sind. Es war aus meiner Sicht auch im Rückblick richtig und wichtig, dass sich die Europäische Union um gemeinsame Impfstoffbeschaffung kümmerte. In varietate concordia – gerade in Krisenzeiten gilt dieser Leitspruch der EU ganz besonders, ganz unabhängig davon, ob sich die EU immer ganz clever bei der Beschaffung verhalten hat oder nicht. Welche Wirkung wäre denn erzielt worden, wenn ein reiches Deutschland den Impfstoff vom Markt gekauft hätte und finanzschwächere Länder schlichtweg in die Röhre geschaut hätten? Das Bild des bösen Deutschen wäre doch vorprogrammiert gewesen und hätte Langzeitschäden ausgelöst.

Europa hat auch schon früh an die Staaten außerhalb Europas gedacht. Die Impfinitiative COVID-19 Vaccines Global Access, die wir alle unter „COVAX“ kennen, hat das Ziel, Länder, die sich Impfstoffe selber nicht leisten können, zu unterstützen und einen gerechteren Zugang zu Impfstoffen zu erleichtern. Neuesten Zusagen zufolge sollen 2,2 Milliarden Euro seitens der EU in diese Initiative fließen. Das hat Frau von der Leyen erst die letzten Tage verkündet. Und dabei ist Afrika ein Schwerpunkt, also genau im Interesse des Antrags.
Europa und damit Deutschland – und somit natürlich auch Nordrhein-Westfalen – zeigen also Solidarität und nehmen globale Verantwortung nicht nur ernst, sondern auch wahr.

Das im Antrag genannte Beispiel Ghana halte ich übrigens für nicht ganz passend, da das Coronamanagement dort im Vergleich zu anderen afrikanischen Staaten sehr gut ist. Ghana hat sich viel Erfahrung im Management von Seuchen wie zum Beispiel Ebola angeeignet und verfügt inzwischen über entsprechende Strukturen.
Dazu hat übrigens auch Nordrhein-Westfalen beigetragen. Die Landesregierung verdreifachte erst im letzten Jahr die humanitäre Soforthilfe zum Thema „Corona“ für unser afrikanisches Partnerland, um es mit Krankenstationen und Ambulanzen in wenig erschlossenen Regionen sowie mit Waschstationen, Hygieneartikeln, Masken, Schutzkleidung etc. zu versorgen. Über die COVAX-Initiative erhielt Ghana übrigens schon Ende Februar 600.000 Dosen AstraZeneca, und die Auslieferung der ersten Millionen Dosen auf dem gesamten Kontinent begann parallel.
Sie sehen: Dem zu Beginn erwähnten gemeinsamen Ziel, die ärmeren Länder nicht aus dem Auge zu verlieren und bei der Bekämpfung dieser Plage – so hätte ich fast gesagt – zu unterstützen, wird durch aktives Handeln seitens der EU, Deutschlands und Nordrhein-Westfalens hohe Bedeutung beigemessen.
Damit komme ich zurück auf den Antrag der Grünen. Die Forderungen im Beschlussteil haben aus unserer Sicht viele Adressaten, allesamt jenseits der Zuständigkeit des Landes Nordrhein-Westfalen. Sie wissen natürlich ganz genau, dass das Thema „TRIPS-Waiver“ bei der Welthandelsorganisation WTO angesiedelt ist, die mit Sicherheit nicht auf eine NRW-Initiative wartet.

Sie wissen natürlich auch genau – das kommt bei Ihnen schon durch die Formulierung im Antragstext rüber, wo Sie auf einmal in den Konjunktiv wechseln, wenn es um das Auslösen des Art. 122 des EU-Vertrages geht –, wie komplex die Themenbereiche „Patente“ und „geistiges Eigentum“ sind.

Sie wissen natürlich, dass die anderen Forderungen längst seitens der Landesregierung angegangen wurden.
Genannt seien hier die Punkte FuE, zum Beispiel in Bezug auf die Forschung für weniger temperatursensitive Impfstoffe, Finanzierungshilfen etc.
Wir nehmen die Warnung der EU-Experten aber auch sehr ernst, wonach der internationale Schutz geistigen Eigentums sehr wichtig ist und dass Ausnahmeregelungen öffentlich-private Partnerschaften gefährden könnten. Denken Sie daran, dass wir solch einer öffentlich-rechtlichen Partnerschaft die schnelle Entwicklung dieses Impfstoffs, von der Sie gerade selber sprachen, zu verdanken haben.

Wir können in dieser Gemengelage auch nicht einfach wegschieben, dass die Unternehmen und Konzerne mit dem geistigen Eigentum und den Patenten wirtschaften, dass damit natürlich Produktionskapazitäten und Verkaufspreise unmittelbar zusammenhängen und dass Deutschland bzw. Nordrhein-Westfalen keine Möglichkeiten hat, Lizenzen zu vergeben. Kooperationen sind deswegen aus unserer Sicht der erfolgversprechendste Weg für die armen Staaten.

Die WTO-Generaldirektion hat übrigens letztlich noch einmal gelobt, dass Impfstoffhersteller sich dann bereiterklärt haben, jetzt – zum Beispiel AstraZeneca – über eine Lizenzfertigung ihre Vakzine auch von anderen herstellen zu lassen. Dies scheint auch uns der richtige, der am schnellsten und der am ehesten zu gehende Weg zu sein, um die Weltbevölkerung möglichst umfassend schnell zu impfen, und diesbezüglich sind wir wohl alle einer Meinung.

Klar ist somit, dass Nordrhein-Westfalen die Antragsinhalte nicht nur auf dem Schirm hat, sondern sie auch schon bearbeitet, soweit das aus Nordrhein-Westfalen erfolgen kann. Wir lehnen den Antrag daher trotz der vielen richtigen Ansätze ab. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.