Dr. Jörg Geerlings zu TOP 3 "Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 41 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen zur Verantwortung der nordrhein-westfälischen Landesregierung.."

29.03.2023

Herr Präsident / Frau Präsidentin,
meine Damen und Herren Abgeordnete,
die Autobahn 45 ist eine bedeutende Verkehrsader für Westfalen und für unser ganzes Bundesland. Sie wird als Lebensader der Region bezeichnet und ist darüber hinaus
eine wichtige Nord-Süd-Achse im bundesdeutschen Autobahnnetz.
Deshalb war es ein Schock, als die Rahmedetalbrücke bei Lüdenscheid am 2. Dezember 2021 für jeden Verkehr gesperrt wurde. Unter den Folgen dieser Sperrung leiden
bis heute die Stadt Lüdenscheid, der Märkische Kreis und die ganze Region:

- Autofahrer, vor allem viele Pendler, müssen lange und zeitraubende Umwege fahren, stehen häufig im Stau,
- Unternehmen und Betriebe sind schlechter erreichbar oder müssen für ihre Fahrten längere Wege und Mehrkosten in Kauf nehmen,
- Anwohner der betroffenen Ortschaften beklagen Ausweich- und Schleichverkehre, leiden unter Lärm und Abgasen,
- ganze Städte und Gemeinden haben Probleme mit der Überlastung des nachgeordneten Straßennetzes.

Wir stehen an der Seite der Betroffenen und sagen ihnen:
Das Einzige, was der Region wirklich hilft, ist eine neue Brücke, und das möglichst schnell. Deshalb sollte es in
diesem Hause unser gemeinsames Ziel sein, auf den Bund einzuwirken, damit der Ersatzneubau der Brücke so schnell
wie möglich kommt. Und wo wir es können, sollten wir die Bemühungen des Bundes konstruktiv unterstützen. Das erwarten die Menschen in der Region von uns: Tatkraft und
keine parteipolitischen Auseinandersetzungen!

Und gleichzeitig ist es uns ein großes Anliegen, die Vorgänge, die zur Sperrung der Brücke geführt haben, transparent aufzuarbeiten, auch wenn aus unserer Sicht
Ministerpräsident Hendrik Wüst, Verkehrsminister Oliver Krischer und die Direktorin der Autobahn GmbH, Elfriede Sauerwein-Braksiek, in der Sondersitzung des
Verkehrsausschusses am 13. Februar bereits viele Fragen beantwortet und dabei einiges klargestellt haben:

1.) Die Sperrung der Rahmedetalbrücke war für die Fachleute von Straßen NRW aus damaliger Sicht nicht vorhersehbar. Sie waren davon überrascht, dass die
Brücke Ende 2021 gesperrt werden musste.
2.) Weil die Sperrung nicht vorhersehbar war, haben die Fachleute kein Problem darin gesehen, andere, dringender erscheinende Projekte vorzuziehen und die
Neubauplanung nicht mit höchster Priorität zu verfolgen.
3.) Ob und wann eine Brücke saniert oder neu gebaut wird, ist eine rein fachliche Entscheidung, keine politische.

Aus heutiger Sicht und mit dem Wissen, das wir jetzt haben, müssen wir eingestehen: Es sind Fehler gemacht worden.
Die hat Ministerpräsident Wüst in der Sitzung des Verkehrsausschusses am 13. Februar auch klar benannt.
Es ist das gute parlamentarische Recht der Opposition, dazu einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Das beantragen Sie und darüber wird hier heute entschieden.

Meine Damen und Herren von SPD und FDP, Sie haben sich entschieden, den Untersuchungsgegenstand maximal weit zu formulieren: Fünf Themenkomplexe –mehr als in
jedem Untersuchungsausschuss der jüngeren Vergangenheit. Zahlreiche Ministerien –nicht nur die für die Infrastruktur zuständigen, sondern auch Umwelt-, Innen-,
Kommunal- und Wirtschaftsministerium wollen Sie durchleuchten.
Doch zugleich haben Sie den Untersuchungszeitraum minimal kurz gefasst, nämlich erst ab dem 30. Juni 2017, dem Tag, an dem die Regierung von CDU und FDP mit
Armin Laschet ihre Arbeit aufgenommen hat. Dieser eklatante Widerspruch zwischen Untersuchungsgegenstand
und Untersuchungszeitraum wirft Fragen auf:
- Geht es Ihnen wirklich um Aufklärung?
- Geht es Ihnen wirklich darum, schonungslos die Fehler aller Regierungen –gleich welcher Partei – offenzulegen?
- Geht es Ihnen wirklich darum, Lehren für die Zukunft zu ziehen?
- Oder ist der Parlamentarische Untersuchungsausschuss für Sie nur ein Wahlkampfinstrument?
- Versprechen Sie sich nur parteipolitische Geländegewinne?
- Wollen Sie eine Show abziehen –und das auf dem Rücken einer ganzen Region, die unter den Folgen der Brückensperrung leidet?
Und vor allem: Was haben Sie zu verbergen? Warum haben Sie Angst davor, die Amtszeit der SPD-Minister Voigtsberger und Groschek beleuchten zu lassen?
Wenn eine wirkliche Aufklärung stattfinden soll, dann muss sie bereits im Jahr 2011 ansetzen. Dafür sprechen drei
Fakten:
1.) Bereits im Jahr 2011 fand eine Brückenhauptprüfung statt, und zwar mit dem Ergebnis „Zustandsnote 3“.
2.) Im 2012 hat das damalige Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung einem
Instandsetzungsentwurf zugestimmt, der auch eine Verstärkung des Bauwerks zur Erhöhung der Traglast beinhaltete.
3.) Im Jahr 2014 wurden die vorherigen Entscheidungen zur Verstärkung der Brücke aus Gründen der
Wirtschaftlichkeit und Durchführbarkeit verworfen. Wie wollen Sie denn bei dieser Faktenlage den Menschen
erklären, dass die Brücke erst seit 2017 schlechter wurde?
Vielleicht über Nacht? Vom 30. Juni auf den 1. Juli? Das glauben Sie doch selber nicht!

Wir bedauern, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und FDP, unser schriftliches Angebot ignoriert haben.
Wir wollten mit Ihnen im Vorfeld der heutigen Sitzung zusammenkommen. Wir wollten mit Ihnen über den
Untersuchungsauftrag, vor allem über den Untersuchungszeitraum sprechen. Wir wollten –
selbstverständlich unter Wahrung Ihrer besonderen Minderheitenrechte –uns auf einen gemeinsamen Antrag
verständigen.
Wir hätten dann auch in kollegialer Atmosphäre über weitere Mängel Ihres Antrags sprechen können:
- zum Beispiel darüber, dass Sie mit Ihren Formulierungen in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung vorwegnehmen,
- oder darüber, dass der Umgang der Landesregierung mit Nachfragen des Parlaments überhaupt nicht Gegenstand
eines Untersuchungsausschusses sein kann,
- oder auch darüber, dass ein Eingriff des Parlaments in die Entscheidungskompetenz der Regierung droht –das ist aus Gründen der Gewaltenteilung 
verfassungsrechtlich hochproblematisch!
Dass Sie unser Angebot zur Zusammenarbeit ignoriert haben, zeigt nur eins: Sie haben kein wirkliches Interesse, in der Sache gemeinsam zu agieren. Hier und heute ist die
letzte Chance für Sie, das zu ändern! Sonst werden Sie den Menschen im Märkischen Kreis, im Sauerland und weit darüber hinaus erklären müssen, warum parteipolitische
Auseinandersetzungen für Sie wichtiger sind als konstruktive Zusammenarbeit.
Meine Damen und Herren, in diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu dem Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
 

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