Dr. Jörg Geerlings zu TOP 9: "Schützt das freie Internet! NRW stellt sich gegen Angriffe auf die Meinungsfreiheit im Netz."

16.02.2022

Herr Präsident / Frau Präsidentin,
meine Damen und Herren,

die AfD-Fraktion fordert die Abschaffung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes. Und sie stemmt sich gegen die Bemühungen, den Netzwerkanbieter Telegram zu sperren oder den Zugang zu diesem Netzwerk zu erschweren.

Telegram – das ist einerseits ein Messengerdienst wie WhatsApp, Threema, Wire oder Signal. Ein im Alltag praktischer Dienst, den viele Menschen weltweit nutzen. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden.

Telegram – das ist aber auch eine Ausweichplattform für Nutzer, die in anderen sozialen Netzwerken wegen extremistischer Inhalte gesperrt worden sind.

„Auf Telegram können Menschen Morde planen, Drogen anbieten, Querdenkerlügen verbreiten – der Dienst zieht sich auf seine Neutralität als Übermittler zurück, schert sich kaum um die Inhalte, die seine Nutzer verbreiten, verhängt nur selten Sperren“,

so schreibt es die Wirtschaftswoche in ihrer aktuellen Ausgabe.

Nach Einschätzung von Behörden wird Telegram häufig von rechtsextremen Gruppen und Parteien genutzt. Es ist nicht erkennbar, dass der Anbieter regulierend eingreift und derartige Gruppen oder Kanäle eigenständig sperrt. An einer Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehörden ist Telegram offensichtlich nicht interessiert.

Warum wohl spielen Sie, die Abgeordneten der AfD, sich hier im Landtag als Verteidiger von Telegram auf? Weil Sie zu denen gehören, die Telegram für ihre politischen Manöver nutzen!

Ein Beispiel gefällig?

„Radikale Chat-Inhalte in Telegram-Gruppe: Bayerische AfD unter Druck“,

titelte das Redaktionsnetzwerk Deutschland am 1.Dezember 2021.

Was war geschehen? In einer geschlossenen Telegram-Gruppe mit dem Namen „Alternative Nachrichtengruppe Bayern“, in der große Teile der Landtagsfraktion, der bayerischen AfD-Bundestagsgruppe und des Landesvorstands Mitglied sind, tauschten die Nutzer ihre Umsturzphantasien aus: „Ohne Umsturz und Revolution erreichen wir hier keinen Kurswechsel mehr“, schrieb dort etwa ein AfD-Kreisvorsitzender.
Und Sie brauchen erst gar nicht zu versuchen, sich davon zu distanzieren. Denn Sie, meine Damen und Herren von der AfD, nutzen Telegram – mit voller Absicht und offensiv für Ihre populistischen Kampagnen.
„Angesichts der zunehmenden Zensur in den klassischen sozialen Netzwerken suchen offenbar immer mehr Nutzer nach einer Ergänzung – zum Beispiel bei Telegram. Dort hat die AfD nun die Marke von 20.000 Abonnenten auf dem größten Kanal durchbrochen und sich somit innerhalb eines Jahres verdoppelt. Wir bedanken uns herzlich für diese enorme Unterstützung!
Gerade in Zeiten von Zensur und gleichförmigen Medien brauchen wir Gegenöffentlichkeit. Abonnieren Sie deshalb neben unseren Kanälen in den anderen sozialen Netzwerken unbedingt auch unsere Telegram-Auftritte!“
So schreibt es etwa das Mitgliedermagazin „AfD Kompakt“ auf seiner Internetseite am 13. Januar 2022. Es wird deutlich, dass die AfD Telegram für ihren Populismus und ihre Propaganda nutzt. Kein Wunder, dass Sie sich hier schützend vor Telegram und seine Machenschaften stellen!
Meine Damen und Herren, das Internet ist frei, aber nicht rechtsfrei. Natürlich gelten die Freiheitsrechte unseres Grundgesetzes auch im Internet, auch in Messengerdiensten und sozialen Netzwerken. Aber wie in der analogen Welt, so gibt es auch im Internet Grenzen. Die beginnen da, wo das Recht und die Freiheit anderer Menschen berührt werden. Und sie gelten erst recht da, wo Hass und Hetze und extremistische Inhalte verbreitet werden.

Deshalb ist es gut, dass der Rechtsstaat sich gegen seine Feinde zur Wehr setzt. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist dafür ein relativ neues, vielleicht noch nicht perfektioniertes Mittel. Wir bekennen uns zu diesem Gesetz und lehnen den Antrag der AfD-Fraktion deshalb ab.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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