Dr. Marcus Optendrenk zu TOP 6 "Gesetz zur Einfügung des Europabezuges in die Landesverfassung!"

28.05.2020

Anrede,
Frieden, Freiheit, Wohlstand. Das haben wir Europa zu verdanken. Seit mehr als 60
Jahren ist die Zusammenarbeit der Staaten Europas, zunächst als Gemeinschaft von
sechs Gründungsstaaten, auch prägend für die erfolgreiche Entwicklung Nordrhein-
Westfalens. Unser Land ist beispielhaft dafür, wie die Idee des gemeinsamen
Europas Grenzen und Feindschaften überwunden, Ängste beseitigt und neue
Freundschaften geschaffen und gefestigt hat.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts galt die Schwerindustrie aus Kohle und
Stahl an der Ruhr als Kriegsindustrie. Der Rhein war das Symbol für den ewigen
Streit mit dem Nachbarn Frankreich um politische Grenzen und die Vormachtstellung
in Europa. Alles das wollten die Politikerinnen und Politiker überwinden, die vor 70
Jahren die Verfassung unseres Landes Nordrhein-Westfalen schufen. Als unsere
Verfassung am 18. Juni 1950 in einer Volksabstimmung angenommen wurde, war
die von Robert Schuman kurz zuvor vorgeschlagene Montanunion noch
Zukunftsmusik. Ganz zu schweigen von einer Europäischen Union, wie sie meine
Generation als Wirklichkeit seit vielen Jahren kennt und erlebt.
Die Landesverfassung von 1950 beschreibt in ihrer Präambel eindrucksvoll die
insgesamt schwierige Ausgangslage der Nachkriegszeit und die Herausforderung
gemeinsamer europäischer Nachbarschaftspolitik.
Dort heißt es: „In Verantwortung vor Gott und den Menschen, verbunden mit allen
Deutschen, erfüllt von dem Willen, die Not der Gegenwart in gemeinschaftlicher
Arbeit zu überwinden, dem inneren und äußeren Frieden zu dienen, Freiheit,
Gerechtigkeit und Wohlstand für alle zu schaffen, haben sich die Männer und Frauen
des Landes Nordrhein-Westfalens diese Verfassung gegeben.“ 70 Jahre später haben wir diese selbstgestellte Aufgabe in Nordrhein-Westfalen in

einer Weise bewältigt, wie sich das 1950 nach den Erfahrungen zweier Weltkriege
niemand vorstellen konnte. Mit den Nachbarn in den Niederlanden, Belgien,
Luxemburg und Frankreich, aber auch unserem Gründungspaten Großbritannien ist
nach der Versöhnung eine tiefe Freundschaft entstanden. Nordrhein-Westfalen ist
inzwischen sogar kooptiertes Mitglied der Benelux-Union. 1950 wäre das
unvorstellbar gewesen.
Auch die wirtschaftliche Verflechtung ist immer enger geworden. Das zeigt die
intensive Zusammenarbeit der Häfen Rotterdam, Duisburg und Antwerpen , aber
auch die enge Verflechtung der Chemieindustrie unserer Regionen. Und nicht zuletzt
der Tourismus– vom „niederländischen Sauerland“ bis zum „rheinischen Zeeland“.
Ausgrenzung und Identitätsverlust der Kriegszeit sind einer gemeinsamen
europäischen DNA gewichen.
Wir haben allerdings in den letzten Monaten erlebt, dass es neue Herausforderungen
gibt, auf die wir bisher noch keine gemeinsamen Antworten hatten.
Ein Virus, der sich innerhalb kürzester Zeit über den ganzen Globus verbreitet, macht
auch an den Grenzen innerhalb Europas nicht halt. Die Corona-Pandemie zeigt: kein
Staat ist in der Lage, eine solche Situation alleine zu bewältigen. Die gemeinsame
Entwicklung eines Impfstoffes hat absolute Priorität, wenn wir die Pandemie
überwinden wollen. Wie unter einem Brennglas ist deutlich geworden: Nur
gemeinsam können wir in Europa solche Gefahren bewältigen. Wir können uns auch
nicht auf andere – weder in China noch in den USA – verlassen. Krisen sind eben
immer auch die Chance, grundlegend Neues zu gestalten. So ist auch die Corona-
Krise eine Chance für Europa zu einer Vertiefung der Gemeinsamkeit und des
Zusammenhalts. Umgekehrt besteht zugleich immer auch die Gefahr des Scheiterns.
Daher ist jetzt der richtige Zeitpunkt für ein klares Bekenntnis unseres Landes und
seines Parlamentes für Europa. Nordrhein-Westfalen ist nicht nur ein Teil der
Bundesrepublik Deutschland ist, sondern sich eine wichtige Kraft, die gemeinsame
Zukunft Europas zu gestalten. Wir sehen uns in der Verpflichtung, in diesem
gemeinsamen Europa die Eigenständigkeit der Regionen zu wahren. Wir verstehen
uns als Land, das mit anderen europäischen Regionen – ob in der Benelux-Union, im
Regionalen Weimarer Dreieck mit Hauts-de-France und Schlesien, aber auch mit
Großbritannien und anderen europäischen Staaten und Regionen
zusammenarbeitet. Wir fördern die kommunale grenzüberschreitende
Zusammenarbeit und geben auch bewusst Raum für weitere Entwicklungen auf
zivilgesellschaftlicher, wissenschaftlicher und kultureller Ebene.
Nordrhein-Westfalen ist aktiver Teil des geeinten Europas. Wir sind verantwortlich für
die Bewältigung der gemeinsamen Herausforderungen im Interesse und zum Wohle
der Bürgerinnen und Bürger Europas. Europa gehört zur DNA unseres Landes und
ist unsere Zukunft.