Dr. Stefan Nacke zu TOP 6

10.10.2018
Demokratiefördergesetz 2.0 - Demkratinnen und Demokraten brauchen kontinuirliche Demokratieförderung!

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

der heute zu behandelnde Antrag der SPD-Fraktion ist eine Wiederauflage eines Antrags, zu dem mein Kollege Daniel Hagemeier bereits im März gesprochen hat.
Mit Bezügen auf bundespolitische Aktivitäten greifen Sie erneut die Forderung nach einem sogenannten Demokratiefördergesetz auf. Mit einem solchen Gesetz wollen Sie das Engagement für Demokratie und Vielfalt auf Dauer absichern. Wer ein solches Gesetz verhindere, blockiere die Nachhaltigkeit von Demokratieförderung und Gewaltprävention. So wortreich Ihr Antrag auch formuliert ist, wird mir nicht klar, warum ein solches Gesetz „zwingend und dauerhaft notwendig sein soll“, wie Sie schreiben. Im Gegenteil: Ich empfinde die Begrifflichkeit eines Demokratiefördergesetzes kontraintuitiv, d.h. Sie bewirken das Gegenteil von dem, was Sie erreichen wollen. Wenn man so etwas Grundlegendes wie Demokratie fördern will, kann man sich doch nicht auf die Formulierung eines Gesetzes beschränken und damit so tun, als habe man das Problem bearbeitet. Das ist reine Symbolpolitik und die Wirkung solcher Anträge ist fatal. Sie führen zu eine weiteren Beschleunigung der Erosion von Voraussetzungen unseres politischen Handelns. Auf zwei Punkte möchte ich Sie hinweisen:

Zunächst möchte ich Ihnen den vielzitierten Satz Ihres Parteigenossen und hochgeschätzten Verfassungsrichters, Staatsphilosophen und Juraprofessors Ernst-Wolfgang Böckenförde in Erinnerung rufen: Ein liberaler Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht leisten kann.

Meine Damen und Herren, Böckenförde beschreibt damit, dass es etwas der Politik Unverfügbares gibt, das dem demokratischen Staat vorausliegt, auf das ein liberaler Staat für sein Selbstverständnis angewiesen ist. Es geht um Kultur, um Bildung, um gelebte Wertegemeinschaften und Traditionen. Abstrakt gesprochen geht es um Sinnhorizonte, die Politik nicht selbst produzieren kann, auf die sie aber in ihren Verfahrensabläufen wie bei ihrer inhaltlichen Zielorientierung angewiesen ist. Politik kann diese Grundlagen nicht selbst herstellen. Es ist aber Aufgabe der Politik in ihrer ganzen Themenbreite und es ist Aufgabe aller Demokraten, beizutragen, dass eine Kultur des demokratischen Zusammenlebens nicht behindert, sondern immer weiter und möglichst mehr ermöglicht wird. Mit seinem kurzen Satz drückt Böckenförde den Respekt aus vor diesen Voraussetzungen, die wie ein kostbares Pflänzchen zu hegen und pflegen sind, nicht aber billig abzuspeisen. In der Linie Böckenfördes kann man nicht symbolisch ein Demokratiefördergesetz verlangen und damit das anspruchsvolle Thema der gesellschaftlichen Voraussetzungen unseres demokratischen Gemeinwesens wegdelegieren. Von Sozialdemokraten auch in diesem Haus hätte ich zum Thema Demokratie mehr erwartet, als die Wiedervorlage eines auch gedanklich unausgegorenen Antragstextes.

Ein Zweites: Sie wollen, dass der Landtag feststelle, dass die Politik dafür sorgen solle, dass die Wünsche und Probleme von Menschen gehört und aufgegriffen würden. Politik müsse nah am Alltag und an den Bedürfnissen der Menschen sein.

Meine Damen und Herren, das ist schon witzig, denn es erinnert doch sehr an Aussagen Ihres Fraktionsvorsitzenden, der in einem dpa-Interview am 13. Mai 2018 ein Jahr nach der für die SPD verlorenen Landtagswahl selbstkritisch feststellte, dass die SPD ihre Wähler nicht ernst genug genommen habe. Kutschaty wörtlich: „Wenn die Schlaglöcher auf den Straßen nicht repariert werden und sich die Kinder nicht mehr auf die Schultoilette trauen, dürfen wir (damit ist die SPD gemeint) uns nicht wundern, dass die Menschen das Vertrauen in die Politik verlieren.“ Vielleicht wäre es besser gewesen, sich rückblickend an die eigene Nase zu fassen und an die eigene Verantwortung zu erinnern als diesen vorliegenden Antrag aufzuwärmen.

Meine Damen und Herren,
mit dem Wahlkampfmotto „zuhören, entscheiden, handeln“ haben wir vor eineinhalb Jahren die Wahl gewonnen. Das sind für uns nicht einfach dahingesagte Worte, das leben wir alltäglich und selbstverständlich. Wir machen Sach- und keine Symbolpolitik. Wir machen es uns nicht so einfach. Wir nehmen das Thema der Gefährdung unserer demokratischen Kultur sehr ernst. Deswegen werden wir in diesem Haus auf Antrag der CDU-Fraktion am Freitag eine Enquetekommission beschließen, die den Auftrag hat, gemeinsam mit Sachverständigen aus Wissenschaft und Gesellschaft neue Wege zur Stärkung der parlamentarischen Demokratie zu finden. Das wird viel Arbeit werden und wir werden nicht die eine Lösung für alle Probleme finden – aber wir werden viele Ideen quer durch alle Politikbereiche entwickeln (von der Weiterbildungs- und Medienpolitik bis hin zur Finanzpolitik). Wir werden zuhören und konkrete Handlungsempfehlungen beschreiben. Das ist Aufgabe einer Enquete, praktische Handlungsempfehlungen zu erarbeiten, über die dann das Parlament im weiteren Prozess entscheiden kann, so dass sie unsere Wirklichkeit zum besseren verändern. 

Wenn wir den vorliegenden Antrag gleich ablehnen, lade ich Sie umso herzlicher ein zur konstruktiven Mitarbeit in der Enquetekommission zur Stärkung der parlamentarischen Demokratie.

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