Fabian Schrumpf zu TOP 2 "Ein Neustart in der Wohnungspolitik. Nordrhein-Westfalen braucht gutes und bezahlbares Wohnen für alle Menschen!"

01.07.2021

Sehr geehrte/r Frau Präsidentin/Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD,
die Bundestagswahlen im September rücken näher, und Sie beglücken uns hier mit Auszügen aus Ihrem Wahlprogramm, stellenweise durchaus polemisch aufgepumpt, mit etwas oppositioneller Schwarzmalerei garniert und dann in Antragsform gepresst.

Aber sei es drum! Wenn die SPD bau- und wohnungspolitische Themen auf die Tagesordnung bringt, freut mich das, wie Sie wissen, ja immer – nicht nur, weil die fachliche Debatte meistens Spaß macht, sondern, weil sie stets die Gelegenheit bietet, auf unsere Erfolge in diesem wichtigen politischen Themenfeld hinzuweisen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
selbst im Coronajahr 2020 haben die Bauämter in Nordrhein-Westfalen den Bau von 61.592 neuen Wohnungen genehmigt. Das ist ein Rekordwert und deutlich mehr als im Bundesvergleich. Es gilt also weiterhin unser seit 2017 gelebtes Motto: Bauen, Bauen, Bauen.

Dass wir mit unserem Klima für den Neubau völlig richtig liegen, bestätigt laut dpa auch der jüngste Bericht der Bundesregierung zur Wohnungs- und Immobilienwirtschaft. Darin heißt es unter anderem – ich zitiere zusammengefasst –:
Seit 2019 verlangsamt sich der Anstieg der bundesweiten Angebotsmieten spürbar. Vor allem in Großstädten wirkt eine erhöhte Neubautätigkeit dämpfend auf die Erhöhung der Mieten. Je größer das Angebot an Wohnraum, desto weniger steigen die Mieten.

Anstelle sich nun im, wie Sie gerade selbst sagten, Herr Dahm, Mieterland Nordrhein-Westfalen über eine solche Entwicklung zu freuen und gemeinsam mit uns zu überlegen, wie wir diese erfreuliche Entwicklung weiter vorantreiben können, kommen Sie nun mit diesem Antrag um die Ecke. Sie wollen also einen Neustart in der Wohnungsbaupolitik. Sehr interessant! Was verbirgt sich dahinter?

Im Wesentlichen sind Ihre Forderungen in vier Themenbereiche aufgeteilt: erstens alles rund um die öffentliche Wohnraumförderung, zweitens staatliche Eingriffe in den Wohnungsmarkt, drittens Bodenpolitik im weiteren Sinne und viertens alles, was sich unter dem Begriff der Stadtentwicklung subsumieren lässt.

Beginnen wir mit der öffentlichen Wohnraumförderung. Sie wissen es selbst: Das derzeit verstärkte Auslaufen von Sozialbindungen im geförderten Wohnungsbestand ist insbesondere darauf zurückzuführen, wie frühere Förderjahrgänge verlaufen sind. Der preisgebundene Wohnungsbestand hat sich zum Beispiel bereits zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2016 von ca. 880.000 auf ca. 467.000 Wohnungen nahezu halbiert. Da geht es uns in Nordrhein-Westfalen auch nicht anders als vielen anderen Bundesländern der Republik.

Zudem hat es in dem genannten Zeitraum auch einen erheblichen Rückgang an Fertigstellungen von öffentlich geförderten Geschosswohnungen gegeben. Während die Fertigstellungszahl geförderter Mietwohnungen im Jahr 2000 noch knapp 12.000 betrug, wurde 2015, also zu Ihrer rot-grünen Regierungszeit, mit lediglich 2.030 neu gebauten Mietwohnungen im öffentlich geförderten Wohnungsbau der absolute Tiefpunkt erreicht.

Nun kann man öffentlich geförderte Wohnungen nicht von heute auf morgen aus dem Hut zaubern und die Versäumnisse der Vergangenheit kurzfristig beheben. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, man kann die Weichen richtig stellen. Und das haben wir bereits unmittelbar nach dem Regierungswechsel getan.

So steht jährlich bis einschließlich 2022 die Rekordsumme von 1,1 Milliarden Euro für die deutschlandweit vorbildliche öffentliche Wohnraumförderung des Landes Nordrhein-Westfalen bereit: für den Neubau von Mietwohnungen im Geschosswohnungsbau, für Eigentumsmaßnahmen, für Bestandsmodernisierungen und jetzt in Modellkommunen sogar für den Ankauf von Belegungsrechten.

Es gilt kurzum: In unserem Land wird kein gutes Projekt am Geld scheitern, liebe Kolleginnen und Kollegen.


Mit Ihrem Antrag fordern Sie nun größtenteils bekannte Dinge, die entweder längst umgesetzt werden oder aus gutem Grund bereits mehrfach abgelehnt wurden. Wir sollten uns ruhig gemeinsam die Mühe machen, dies im Einzelnen durchzugehen.
Zunächst wollen Sie Fördervolumen inklusive Tilgungsnachlässen deutlich erhöhen. Daran können wir einen Haken machen. Bereits durch das mehrjährige Förderprogramm mit der Rekordsumme von 1,1 Milliarden Euro ist dies umgesetzt. Und Sie wissen es selbst: Es fehlt nicht am Geld, sondern es mangelt an den verfügbaren Grundstücken. Da müssen wir ansetzen, damit das Geld, das vorhanden ist, auch vollständig abgerufen werden kann.

Dann fordern Sie eine grundlegende Überarbeitung der Förderrichtlinien. Da bleiben Sie zunächst reichlich unkonkret, wie das passieren soll. Ich kann Ihnen aber mitteilen: Wir haben dies jedenfalls seit 2017 bereits mehrfach gemacht. Wir haben die Förderrichtlinien angepasst, sie modernisiert und die aktuellen Herausforderungen damit in den Blick genommen.

Ein Punkt, der mich durchaus ambivalent stimmt, ist die Förderung von Wohnraum für Familien mit Kindern. Dieser Punkt ist Herzensanliegen unserer Koalition. Sie bekennen sich erstmals in einem baupolitischen Papier der SPD dazu, dass vielleicht eine Eigentumsförderung im Rahmen der öffentlichen Wohnraumförderung doch nicht schlecht ist. Sie fordern sogar eine Überarbeitung der Förderrichtlinien und eine entsprechende Erleichterung.

Ich kann mich an vier Jahre erinnern, in denen Sie stets versucht haben, die Eigentumsförderung gegen die Mietwohnungsförderung auszuspielen. Jetzt, kurz vor der Bundestagswahl, vielleicht auch mit Blick auf die Grünen und deren etwas spezielles Verhältnis zum Eigentum, entdecken Sie auf einmal wieder die Arbeiterinnen und Arbeiter in der Reihenhaussiedlung und denken sich möglicherweise: Die haben vielleicht irgendwann einmal auch SPD gewählt.
Aber sei es drum! Wenn die SPD hier dazulernt, freue ich mich bereits darauf, dass wir künftig gemeinsam Eigentumsförderung stärken können. Wir haben dies jedenfalls als NRW-Koalition getan. Wir setzen uns insbesondere für junge Familien ein. Hier möchte ich exemplarisch noch einmal das Programm „Jung kauft Alt“ nennen.

Wenn die SPD jetzt die Liebe zum Eigentum und zur Eigentumsförderung entdeckt, dürfte es ja auch kein Problem sein, die kommenden Monate in Berlin zu nutzen, um beispielsweise das Baukindergeld zu verlängern.

Dann kommen Sie mit der wiederholten Forderung nach der Schaffung einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft. Herr Dahm, Sie haben gerade ausgeführt, das sei ein bewusstes Missverständnis durch uns gewesen. Ich finde, dass Sie durch Ihre Rede gerade noch viel mehr Missverständnisse provoziert haben. Was wollen Sie jetzt eigentlich? Wollen Sie eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft? Oder wollen Sie kommunale Wohnungsbaugesellschaften stärken? Das ist jetzt überhaupt nicht klar geworden.

Darin, dass kommunale Wohnungsbaugesellschaften gestärkt werden müssen, sind wir uns einig. Eine zusätzliche landeseigene Wohnungsbaugesellschaft, die mit kommunalen Wohnungsbaugesellschaften um den ohnehin knappen bebaubaren Raum vor Ort konkurriert, wird es mit uns sicherlich nicht geben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Weiter geht es mit einer angemessenen Personalausstattung in den Bauämtern, die vorgehalten werden soll. Ja, das ist ein guter Punkt. Wir sind sicherlich alle miteinander gewillt, dass es so kommt. Dann bitte ich Sie aber auch, sich überall dort, wo Sie als Sozialdemokratie kommunal Verantwortung tragen, genau dafür einzusetzen. Diese Initiativen habe ich oftmals vermisst.
Schließlich wollen Sie im Sinne des Hamburger Modells Regelungen erarbeiten, die bei Überschreitung von Bearbeitungsfristen von Bauanträgen unmittelbar zu Baugenehmigungen führen.

Außerdem wollen Sie dabei unterstützen – Zitat –, „das Wohnen in der Innenstadt verstärkt in den Blick zu nehmen und durch geeignete Fördermaßnahmen zur Umwandlung nicht mehr benötigter Handels- und Verkaufsflächen in Wohnraum zu helfen.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir hatten gestern eine Diskussion zur Landesbauordnung. Das war eine durchaus emotionale Diskussion. Ich erinnere mich an Ihren Auftritt zu genau diesem Thema. Dort habe ich sehr deutlich gemacht: Diese Landesbauordnung hat mit ihrem Kernstück, der Innovationsklausel, unter anderem diese Punkte, die Sie jetzt mit dem Antrag fordern, im Blick. – Dazu kam gestern in der Debatte jedoch kein einziges Wort von Ihnen. Daher kann sich jeder selbst die Frage stellen, wie ernst Sie es mit dieser Forderung hier meinen.

Kommen wir nun zum zweiten Kapitel. Darin geht es um von Ihnen geforderte staatliche Eingriffe in den Wohnungsmarkt. So wollen Sie ein neues Gutachten zur Gebietskulisse der Mieterschutzverordnung haben. Das bleibt ebenfalls unkonkret.
Zu Ihrer Regierungszeit gab es jedenfalls vier verschiedene Verordnungen, die wir in der Mieterschutzverordnung nun vereinigt haben. Jede Ihrer vier verschiedenen Verordnungen hatte eine eigene, willkürliche Gebietskulisse, die sicherlich nichts mit Evidenz, sondern eher etwas mit politischen Einzelmeinungen zu tun hatte. Das haben wir geändert und auf wissenschaftliche Füße gestellt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Nun kommen wir zu der Verkürzung der Fristen im Wohnraumstärkungsgesetz. Diese Debatte haben wir bereits im letzten Plenum bei der Verabschiedung des Gesetzes ausführlich geführt. Sie wollen kurzum durch die Verkürzung der Frist, in der man eine Wohnung für privates Homesharing nutzen kann, es Studierenden unmöglich machen, beispielsweise während eines Auslandssemesteraufenthaltes ihre Wohnung weiter zu nutzen, um ihnen damit überhaupt die Chance zu geben, diese Wohnung vielleicht auch auf angespannten Wohnungsmärkten weiter zu halten. Dieser Punkt wird also mit Sicherheit auf breite Ablehnung stoßen.
Grundsätzlich gilt ohnehin bei allen staatlichen Eingriffen: Es ist immer besser, die Ursachen zu bekämpfen, nämlich die mangelnde Verfügbarkeit der Grundstücke, als sich lediglich mit den Symptomen herumzuschlagen.

Kommen wir dann zu Ihren im weitesten Sinne bodenpolitischen Forderungen. Hier möchte ich Ihre erstaunliche Kehrtwende bei der Grunderwerbsteuer herausgreifen. Diese soll nun unter anderem bei erstmaligem Erwerb von Wohneigentum durch Familien mit Kindern durch eine gezielte Landesinitiative kompensiert werden.
An dieser Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen, verweise ich doch gerne auf unsere Bundesratsinitiative zur Einführung eines ebensolchen Freibetrages beim Ersterwerb von Familien bei der Grunderwerbsteuer. Diese Initiative sah ja ebensolche Beiträge vor. Sie ist doch bekanntlich an der SPD in Berlin gescheitert.

Wenn Sie nun also eine Landesinitiative fordern, ist das doch gegenüber jungen Familien der blanke Hohn und ein vollkommen durchschaubares Wahlkampfmanöver.

Noch einmal zur Erinnerung: Hat nicht Rot-Grün die Grunderwerbsteuer mit 6,5 % auf den deutschlandweit höchsten Wert festgesetzt?
Schließlich kommen wir zum Themenfeld „Stadtentwicklung“. Hier haben wir einen bunten Strauß an Forderungen von Innovation City über Gewerbesteuer, Homeoffice und Mieterstrom bis hin zu Wasserflächen – dies alles unter der reichlich blumigen Beschreibung „Wohnungspolitik der Zukunft“.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
das sind alles Themen, die wir bereits an anderen Stellen mit eigenen Initiativen diskutieren. Aber wir können das sicherlich auch im Fachausschuss nochmals gerne alles miteinander besprechen.

Sehr geehrte Damen und Herren,
fest steht jedenfalls: Auch wenn wir den Spaten leider nicht selbst in die Hand nehmen können, krempeln wir unsere Ärmel weiter hoch, um die bau- und wohnungspolitischen Herausforderungen in unserem Land Hand in Hand mit unseren Städten und Gemeinden entschlossen anzugehen.

Diesen Antrag der SPD brauchen wir dafür ganz sicher nicht. – Herzlichen Dank.

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