Guido Déus MdL zu TOP 15 "Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen"

24.03.2021

Sehr geehrter Herr Präsident / sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Bündnis 90 / DIE GRÜNEN bringen heute einen Gesetzentwurf in die Plenardebatte ein, mit dem die Durchführung von digitalen Sitzungen für kommunale Gremien ermöglicht werden sollen. Aktuell lässt die Rechtsgrundlage – die Gemeindeordnung NRW – keine digitalen oder hybriden Sitzungsformate zu.

In der nun seit einem Jahr währenden pandemischen Situation können Stadträte, Kreistage und deren Gremien erforderliche Sitzungen ausschließlich in Präsenz durchführen oder von ihrem – durch diese CDU/ FDP-Landesregierung – neu geschaffenen Delegationsrecht gemäß § 60 Abs. 2 GO NRW auf den Haupt- bzw. den Kreisausschuss Gebrauch machen.

Alle in kommunalen Gremiensitzungen darüberhinausgehenden Möglichkeiten setzen momentan ein einvernehmliches Handeln und parteiübergreifende Einigkeit vor Ort voraus.
Hierzu gehören freiwillige Vereinbarungen zur Reduzierung der Anwesenden, Abstimmungen in Fraktionsstärke, Rede- oder Sitzungsverkürzungen oder das Schieben von Tages-ordnungspunkten, die keine besondere Dringlichkeit aufweisen. Nicht wenige Sitzungen werden Pandemie bedingt abgesagt.

Bereits während des ersten Lockdowns haben viele Fraktionen landesweit ihre Geschäftsordnungen erweitert, Neuregelungen zu Online-Sitzungen aufgenommen und auf digitale Sitzungsformate gesetzt. Die freiwilligen Absprachen zur Risikominimierung in der kommunalen Gremienarbeit laufen, nach unseren Erkenntnissen, überwiegend gut.

Ein Jahr nach Ausbruch der Corona-Pandemie, mitten im zweiten bundesweiten Corona-Lockdown und einem weiter besorgniserregenden mutationsbedingten Infektionsgeschehen, haben sich die zumeist ehrenamtlichen Kommunalpolitiker vielfach Umstände bedingt an Online-Formate herangetastet. Verstärkt wird auch an uns das Bedürfnis nach digitalen Tagungsmöglichkeiten für kommunale Gremien herangetragen.

Unsere Kommunalpolitische Vereinigung (KPV) der CDU NRW hat hierzu ganz aktuell 423 Vorsitzende der CDU-Fraktionen in den nordrhein-westfälischen Kreisen, Städten und Gemeinden befragt. Die Rücklaufquote betrug stolze 60%.

70% der Befragten wünschen sich in diesen pandemischen Zeiten in kommunalen Gremien digitale oder hybride Sitzungsformate. Allerdings sprechen sich auch 90% für die Beibehaltung der „Präsenzveranstaltung“ als Grundsatz in „normalen Zeiten“ aus. Denn digitale Sitzungsformate haben auch eine Reihe von Nachteilen, Risiken und rechtlichen Schwierigkeiten!
Neben den in digitalen Sitzungsformaten meist fehlenden lebendigen Diskussionskultur, des persönlichen Austausches, von spontanen Absprachen „am Rande“ oder der Wahrnehmung von Gestik oder Mimik, fehlt es vielfach an Rechtssicherheit und die Befürchtungen von technischen Schwierigkeiten und Missbrauch sind hoch. In anderen (wenigen) Bundesländern beschlossenen Ansätzen fehlt es aus diesen Gründen an Akzeptanz.

Andererseits gilt: Kommunalpolitik und Kommunalverwaltung müssen sich krisenbedingt an geänderte Rahmenbedingungen anpassen, damit die Kommunale Selbstverwaltung gemäß Artikel 28 Absatz 2 Grundgesetz verfassungskonform ausgeübt werden kann. Insofern ist der vorliegende Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN ein durchaus verständliches, weil der Situation angepasstes, Signal die Chancen der Digitalisierung zukünftig besser nutzen zu wollen!

Aber, der vorliegende Gesetzentwurf greift aus Sicht der CDU viel zu kurz! Es bleibt bei der Suche nach dem Ausweg aus der „Sitzungs-Krise“, weil der Gesetzentwurf einfach zu viele Fragen unbeantwortet lässt.

Beispielsweise, ob bei Vorliegen welcher konkreter Gründe Videokonferenzen (nur digital oder hybrid) möglich sein sollen. Im angedachten neuen §58a wird lediglich von “schwerwiegenden Gründen“ gesprochen, die einer ordnungsgemäßen Sitzungsdurchführung entgegenstehen. Naturkatastrophen, Gründe des Seuchenschutzes oder sonstige außergewöhnliche Notsituationen sollen solche sein. Doch wer entscheidet – losgelöst von der landesweit erklärten „Pandemischen Lage“ – und mit welcher Mehrheit (einfach, qualifiziert, 2/3-Mehrheit) darüber, ob solche Gründe vorliegen?
Wie soll dem Grundsatz der Öffentlichkeit von Sitzungen Rechnung getragen werden? Wird man dem Erfordernis mit den neuen Formaten auch tatsächlich gerecht?

Das Thema des Datenschutzes wird im vorliegenden Gesetzentwurf überhaupt nicht angesprochen! Wie sollen der Datenschutz und / oder Persönlichkeitsrechte der Amtsträger oder Dritter gewahrt werden? Wie funktionieren Abstimmungen und rechtssichere Beschlussfassungen?

Das alles sind Fragen, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, die im Vorfeld, also jetzt, gestellt, diskutiert und rechtssicher geklärt werden müssen!

Das zuständige Kommunalministerium soll durch Rechts-verordnung diese und alle weiteren offenen Fragen regeln.
Mit Verlaub, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/DIE GRÜNEN – so können wir Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

Fazit: Kommunalpolitik - die politische Willensbildung, in der Keimzelle unserer Demokratie - braucht rechtssichere und pragmatische Lösungen auch für digitale und/oder hybride Sitzungsformate. Um diese bemühen wir uns, um die Entscheidungsfähigkeit und Aufgabenwahrnehmung kommunaler Mandate krisenfest zu machen.

Im Ziel scheinen wir nahe beisammen, im Weg allerdings noch nicht. In diesem Sinne freue ich mich auf die kommenden Ausschussberatungen und die gemeinsame Lösungssuche.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Autoren