
Sehr geehrter Herr Präsident,
Meine Damen und Herren,
Am 30. Oktober
- also auf den Tag genau vor einem Monat –
wurde eine Frau, Mutter von zwei Kindern in Jüchen im Rhein Kreis Neuss von ihrem Ehemann mit einem Messer niedergestochen:
dreimal: in Brust, Bauch und Rücken.
Die Frau ist lebensgefährlich verletzt.
Die Mordkommission ermittelt.
Der Täter – ihr Ehemann und Vater der beiden gemeinsamen Kinder- flüchtet und wurde am 23 November festgenommen.
Darüber berichtete gestern der Kölner Stadtanzeiger. Solche Berichte sind leider fast täglich in der Presse zu finden.
Sie sind erschreckend, machen uns betroffen und nachdenklich!
Am 25. November fand zum 18.ten mal der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen statt.
Auch 18 Jahre nach seiner Einführung hat der Tag nichts an Bedeutung verloren:
Leider machen weiterhin überall auf der ganzen Welt Frauen und Mädchen täglich Erfahrungen mit Gewalt, auch in Deutschland und in allen Schichten der Gesellschaft!
Jede vierte Frau in Deutschland war mindestens einmal im Leben Opfer einer Drohung, eines sexuellen Übergriffs oder einer anderen Form von Gewalt.
Das dürfen wir nicht akzeptieren. Gewalt gegen Frauen ist keine Privatsache!
Die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen muss auch weiterhin ganz oben auf der Tagesordnung bleiben! Und jede einzelne Frau, die Opfer von Gewalt wird, ist eine zu viel!!! Das gilt in gleichen Maße natürlich für jede Gewalt gegen Menschen überhaupt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Misshandlung, Nötigung, Vergewaltigung –
fast 114.000. Frauen in Deutschland waren laut polizeilicher Statistik im vergangenen Jahr Opfer von häuslicher Gewalt, 141 Frauen sind dabei ums Leben gekommen. Im Klartext bedeutet das, dass häufiger als jeden dritten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet wird.
Die Dunkelziffer dürfte noch deutlich höher liegen.
Gewalt gegen Frauen findet oft im privaten Umfeld statt.
Die Zahlen sind erschreckend. Sie zeigen, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht. Konsequente Bestrafung der Täter und Hilfe für die Opfer sind dabei zwei Seiten einer Medaille.
82 % aller Opfer von vollendeten und versuchten Delikte der Partnerschaftsgewalt wie Mord, Totschlag, Körperverletzung, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Bedrohung, Stalking, Zuhälterei und Zwangsprostitution waren im Jahr zweitausendsiebzehn Frauen. Und dieser prozentuale Anteil bleibt seit Jahren stabil. Leider schweigen viele aus Scham und Angst, oder auch, um ihren Partner vor einer Strafverfolgung zu schützen.
Wir müssen alle Kräfte aufbieten, um dieses Muster zu durchbrechen. An dieser Stelle setzt die Hilfe der Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen an.
Die gute Arbeit der Frauenhäuser, Beratungs- und Interventionsstellen und die Anstrengungen der Landesregierung sind hier ausdrücklich zu loben.
Gleichzeitig sind die hohen Opferzahlen aber auch ein Beleg dafür, dass die Bemühungen nicht nur dringend nötig sind, sondern noch intensiviert werden müssen.Im Frauenhaus finden die Frauen in der akuten und teilweise lebensbedrohlichen Notlage einen sicheren Schutzraum.
Er bewahrt sie vor weiterer Gewalt.
Der Weg in ein Frauenhaus bedeutet aber auch das Verlassen der eigenen Wohnung, des Freundeskreises, und eine Isolierung vom gewohnten Umfeld.
Das alles, damit die Täter die Frauen nicht mehr erreichen kann!
Neben dem Schutzraum der Frauenhäuser, brauchen wir weitere Konzepte, die mehr Perspektiven für Frauen als Opfer bieten. Die Lösung für die gewaltbetroffenen Frauen kann nicht in erster Linie das Verlassen des gewohnten Umfeldes, der eigenen Wohnung sein.Das Frauenhaus muss die letzte und nicht die erste Anlaufstelle werden. Dazu müssen den Frauen alle rechtlichen Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Es muss selbstverständlich werden, dass die Frauen im gewohnten Umfeld bleiben und die Täter wirksam und dauerhaft der Wohnung verwiesen werden.
Dazu müssen die Möglichkeiten des Gewaltschutzgesetzes erschöpfend genutzt werden. Die geplante Novelle des PolGNW bietet in § 38 Abs. 2 Ziffer 3 die Möglichkeit der Ingewahrsamnahme der Täter für 10 Tage, was den Frauen ausreichend Möglichkeit geben würde, sich rechtliche Hilfe zu holen. Der neue geplante § 34b würde der Polizei zudem ermöglichen, die Aussprache eines Aufenthalts-und eines Kontaktverbots für bis zu drei Monate zu verhängen.
Der Verbleib in der eigenen Wohnung erleichtert den Frauen, ein selbstbestimmtes neues Leben anzufangen. Nicht alle Frauen, die Gewaltsituationen im häuslichen Umfeld erlebt haben, wollen ihr gewohntes Wohnumfeld verlassen.Eine fremde räumliche Umgebung und die Loslösung aus dem gewohnten Lebensumfeld, wie Schule, Kindergarten, soziale Netzwerke, Freundinnen und Freunde, sind daher zusätzliche Belastungen, die nur einen letzten Ausweg darstellen können. Auch wenn es Aufgabe der örtlichen Sozial- und Wohnungspolitik ist, dafür Sorge zu tragen, in enger Abstimmung mit den Frauenhäusern entsprechende Wohnungsangebote nach dem Frauenhausaufenthalt zu sichern, sind Frauen und Mädchen, die aus Frauenhäusern kommen, vordringlich Wohnungssuchende. Dabei stehen sie selbstverständlich in Konkurrenz zu anderen Wohnungssuchenden.
Die Frauen haben bei der Wohnungssuche mit Vermittlungshemmnissen zu kämpfen. Viele Wohnungen und die Wohnraumumgebung sind unter Sicherheitsaspekten nicht geeignet, dem Schutzbedürfnis der von Gewalt betroffenen Frauen zu entsprechen.
Frauen brauchen nach dem Erleben einer oftmals langjährigen Gewaltsituation für die Rückkehr in ein selbstbestimmtes Leben umfangreiche Strategien und Maßnahmen, die geeignet sind, die Selbstbestimmung und Autonomie zu erhöhen. Die Betroffenen müssen fähig sein, ihre Belange wieder eigenmächtig, selbstverantwortlich und selbstbestimmt zu vertreten und zu gestalten (Empowerment). Dafür ist sowohl ein autonomer Prozess als auch professionelle Unterstützung nötig.
Man kann es nicht oft genug wiederholen: es ist makaber:
Gewalt gegen Frauen findet oft im privaten Umfeld statt. Genau dort, wo zur Zeit – und das ist absurd - der Täter Schutz findet. Den Schutz dieser Privatheit zur Ausübung von sanktionsfreier Gewalt müssen wir den Tätern wegnehmen. Wir werden massiv dagegen vorgehen.
Wir werden die gesetzlichen Möglichkeiten nutzen und massiv gegen Partnerschaftsgewalt vorgehen.
Wir werden die präventiven Maßnahmen so aufstellen, dass die Opferzahlen endlich sinken.
Gewalt gegen Frauen - und auch gegen Männer - soll und muss bald der Vergangenheit angehören.
Das ist unser Ziel.
Ich gebe zu, kein einfaches Ziel.
Wir wollen die Gesellschaft dahingehend sensibilisieren und das Tabu aus diesem Thema rausnehmen. Damit wir in NRW ein gewaltfreies Leben für Frauen schaffen können,
brauchen wir einen präventiven Ansatz.Bereits im Kindergarten und in der Schule braucht es Lernkonzepte, die den Kindern Methoden für ein gewaltfreies Leben beibringen.
Ob wir es nun Ethikunterricht nennen oder Kopfnoten in der Grundschule:
bereits kleine Kinder müssen wissen, dass Anstand, Freundlichkeit, Höflichkeit und Respekt gegenüber anderen Menschen eine Zivilisation ausmachen, die wachsen will.
Je älter die Kinder werden, desto mehr wächst das Gespür für die Facetten und Feinheiten, die hinter diesen Begriffen stecken. Kinder und Jugendliche verinnerlichen diese Grundwerte schnell und fürs ganze Leben.
Damit wächst eine mehrheitlich gewaltfreie Generation heran.Gleichzeitig müssen wir bereits ab der Kindheit die psychologische Seite der Gewalt erklären. Dass Gewalt eine Mischung aus Kraft, Macht und unkontrollierten Gefühlen ist. Kinder müssen lernen, dass sie diese Gefühle kontrollieren können UND müssen.
Erwachsene müssen es im Übrigen auch. Daher müssen wir parallel zum Aktionsplan und seinen Angeboten für gewalterfahrene Frauen auch Angebote und Projekte für alle Altersstufen entwickeln,um hier präventive Handlungsoptionen aufzuzeigen.
Fazit ist also:
Wir müssen alle Hebel in Bewegung setzen:
Wir müssen Aufklärungsarbeit leisten,
Wir müssen niedrigschwellige Hilfe für betroffene Frauen anbieten
und
öffentlich zeigen, dass wir als Gesellschaft uns klar gegen jede Art der Gewalt positionieren:
Gewalt gegen Frauen ist zu keiner Zeit und in keiner Form akzeptabel!
Empfehlen Sie uns!