Heinrich Frieling zu TOP 7 "Tierschutz ernstnehmen – CO2-Betäubung bei Schlachtschweinen endlich beenden!"

12.11.2020

Sehr geehrter Herr Präsident /sehr geehrte Frau Präsidentin,
verehrte Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren!

Sich mit der Schlachtung von Tieren zu beschäftigen ist sicherlich kein Wohlfühlthema. Aber es ist eine Notwendigkeit in unserer heutigen Gesellschaft, die sich ihrer Verantwortung für unsere natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere bewusst ist.
So gibt es uns auch Art. 20a unseres Grundgesetzes in Form einer Staatszielbestimmung mit auf den Weg. Es ist eine Frage des Tierschutzes, wie wir eine möglichst leidensfreie Schlachtung von Nutztieren erreichen. Dazu müssen wir auch regelmäßig die zugelassenen Verfahren zur Betäubung von Tieren im Rahmen der Schlachtung überprüfen und zwar unter Berücksichtigung der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse.
Insofern begrüße ich, dass uns der Antrag der Grünen dazu Gelegenheit gibt.
Wir sollten diese Diskussion aber differenziert und möglichst unvoreingenommen führen.

Das bisher eingesetzte Verfahren der CO2-Betäubung gilt noch immer als zuverlässige Art, die angestrebte völlige Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit der Tiere zu erreichen. Diese vollständige Betäubung von Schlachttieren vor der eigentlichen Schlachtung ist zwingend erforderlich und im Sinne des Tierschutzes die wichtigste Voraussetzung des Schlachtprozesses.
Daher ist die Betäubung mittels CO2 durch die EU-Tierschutzschlachtverordnung ausdrücklich zugelassen. Nationale Vorschriften zur Durchführung konkretisieren diese und sorgen in Deutschland für darüber hinausgehende Schutzvorgaben.
Dennoch steht diese Methode aufgrund aktueller Erkenntnisse auch in der Kritik. Es geht um die Reizung von Atemwegsschleimhäuten und mögliche Luftnot vor Erreichen der vollständigen Wahrnehmungslosigkeit der Tiere.
Dabei spielt aber nicht allein die Frage des eingesetztes Betäubungsgases eine Rolle. Betrachtet werden müssen auch andere Faktoren. So berichten Veterinäre, dass eine stressbehaftete Vorbehandlung der Schweine oder auch die Gestaltung älterer Betäubungsanlagen zu Angstreaktionen führen können. Eine wichtige Rolle spielt auch die Dauer des Aufenthalts im Kohlendioxid vor der Schlachtung. Wie so oft kommt es also immer auch auf die fachgerechte Umsetzung der Methode an. Dies muss natürlich sichergestellt und staatlich überprüft werden.
Es ist daher zu begrüßen, dass sich das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft bereits aktiv für eine Aktualisierung des Forschungsstands hierzu und eine Weiterentwicklung der Verfahren einsetzt. Sowohl beim Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit als auch beim Max-Rubner-Institut für Ernährung und Lebensmittel laufen seit einiger Zeit Forschungsprojekte, um mögliche Alternativen zur CO2-Betäubung zu untersuchen.

Die im Antrag angesprochenen Edelgase Helium und Argon bieten ihrerseits tatsächlich nicht nur Vorteile.
So gibt es im Falle von Argon-Gemischen Hinweise darauf, dass sie zu einem erhöhten Blutdruck und Krämpfen führen, die Einblutungen im Fleisch nach sich ziehen können.
Helium hingegen scheint zwar tatsächlich eine von Qualen völlig freie Betäubung gewährleisten zu können. Seine physikalischen Eigenschaften, insbesondere seine hohe Flüchtigkeit und die Tatsache, dass es leichter als Luft ist, stellen allerdings große technische Herausforderungen dar. Hierbei ist auch der wichtige Aspekt des Arbeitsschutzes zu berücksichtigen. Ein vertretbarer Einsatz in größerem Maßstab scheint zumindest zweifelhaft.
Darüber hinaus ist die Versorgungssicherheit mit Helium seit 2017 von der Europäischen Union als „kritisch“ eingestuft.

Daraus wird bereits deutlich, dass viele Fragen offen bleiben. Bevor jedoch das Betäubungsverfahren auf der Grundlage von Kohlendioxid abgelöst werden kann, muss ein verlässliches anderes Verfahren zur Verfügung stehen. Und dieses Verfahren muss auch geeignet sein, die notwendigen Schlachtkapazitäten sicherzustellen. Die Diskussion sollte sich am Tierwohl orientieren und nicht zur Umsetzung anderer politischer Ziele, etwa zu den Betriebsstrukturen im Schlachtgewerbe missbraucht werden. Das ist eine eigene Diskussion, die auch mit den Erkenntnissen aus der Corona-Krise geführt werden muss. Aber auch diese Diskussion muss ehrlich geführt werden und machbare Alternativen aufzeigen. Sie muss klären, wie sie dem starken Fachkräftemangel in der Branche begegnet und im Sinne der Tiere verlässliche Schlachtkapazitäten und eine zügige Schlachtung ermöglicht.
Es bleiben also noch viele Fragen offen, die weiter diskutiert werden sollten.
Eine Frage scheint mir jedoch leichter zu beantworten zu sein: Nach Ihrem Antrag soll die Landesregierung prüfen, ob ein Unternehmen rechtwidrig handele, wenn es ein Verfahren einsetze, das nach der EU-Tierschutzschlacht-VO erlaubt ist, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse Zweifel daran aufkommen lassen. Hier erlaube ich mir den Hinweis auf das Prinzip der „Einheit der Rechtsordnung“: Was der Staat auf der einen Seite materiell-rechtlich ausdrücklich erlaubt, kann nicht zugleich rechtswidrig sein.

Die angesprochene Staatszielbestimmung in Art. 20 a Grundgesetz adressiert allerdings ohnehin den Staat, der seine Regeln dahingehend zu überprüfen hat. Daher freuen wir uns auf die Diskussion im Fachausschuss und stimmen der Überweisung zu.

Herzlichen Dank!