Katharina Gebauer zu TOP 1: "Medikamentenversorgung für Kinder und Jugendliche kurzfristig sicherstellen"

03.05.2023

Sehr geehrter Herr Präsident!
Sehr geehrte Damen und Herren!

Es ist wichtig und richtig, dass die Regierungskoalition das Thema Medikamentenversorgung heute auf die Tagesordnung gesetzt hat.

Denn erneut müssen wir Versorgungsengpässe bei Medikamenten für unsere Kinder und Jugendliche feststellen.

Nach den Schwierigkeiten des vergangenen Winters mit der Verfügbarkeit von Hustensäften, stellte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in der vergangenen Woche eine Mangel-Lage für Antibiotikasäfte für Kinder fest.

Der Bund begründet den Mangel durch eine ungewöhnlich hohe Nachfrage durch die Scharlachwelle. Wieder fehlen Medikamente für die jüngsten Mitglieder unserer Gesellschaft. Und es fehlt nicht nur an Fiebersäften.

Sondern auch Blutdruckpräparate, Krampflöser für an Epilepsie erkrankter Kinder und weitere Arzneimittel sind zum Teil nicht zu bekommen. Dabei zählt die Deckung des Bedarfs an Medikamenten zur Grundversorgung.

Nun hat auch das Bundesgesundheitsministerium einen Versorgungsmangel festgestellt. Nachdem das Land NRW diese Feststellung schon länger eingefordert hatte.

Es kann nicht sein, dass sich Eltern Sorgen darüber machen müssen, ob dringend benötigte Medikamente lieferbar sind; dass sie mehr Zeit damit verbringen müssen von Apotheke zu Apotheke zu fahren, als ihre kranken Kinder zu betreuen.

Kinder und Jugendliche können nicht einfach auf Arzneimittel für Erwachsene ausweichen. Sie sind häufig nicht auf sie abgestimmt und bergen Gefahren.

Genau das ist aber immer häufiger der Fall. In den letzten Jahren haben sich Medikamentenlieferengpässe in der EU verzwanzigfacht. Häufig sind weitverbreitete, wichtige Medikamente betroffen.

Laut aktuellen Zahlen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte sind es fast 500 Lieferengpässe. Die Ursachen dafür sind vielfältig: Probleme bei der Herstellung, steigende Nachfrage, Preispolitik oder Parallelimporte.

Ein Großteil der Probleme muss der Bund lösen. Und gerade Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ist hier in der Pflicht.

Nach vielen verlorenen Monaten hat das Bundeskabinett Anfang April endlich einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei Medikamenten vorgelegt. Der Entwurf spricht einige wichtige Punkte an, greift aber insgesamt viel zu kurz. Zudem widerspricht der Bundesgesundheitsminister seinem eigenen Entwurf.

Er spricht auf der einen Seite davon, dass man es mit der "Ökonomisierung übertrieben" habe, ermöglicht es aber mit seinem Gesetzentwurf zugleich, dass bei Kindermedikamenten Fest- und Rabattverträge abgeschafft werden. Von diesem System abzuweichen wird die Kosten für die Krankenkassen erheblich erhöhen.

Diese hohen Preissteigerungen werden entlang der Handelskette zu Mitnahmeeffekten führen und nicht unbedingt zu einer höheren Produktion. Ohne Gegenleistung der pharmazeutischen Unternehmen werden lediglich die Preise und die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung steigen.

Sinnvoller als die Kosten aus dem Ruder laufen zu lassen, wäre ein umfassendes Frühwarnsystem, indem alle Akteure – von den Produzenten bis hin zu den Apotheken – eingebunden sind. Es muss zudem alle Medikamente einbeziehen. Eine Eingrenzung der Beobachtung einiger weniger Medikamente durch den Beirat zu Liefer- und Versorgungsengpässen des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte greift viel zu kurz.

Fiebersäfte waren im letzten Jahr noch nicht mal als versorgungsrelevant klassifiziert und trotzdem gab es einen eklatanten Mangel.

Der Gesetzentwurf weist also noch einige Lücken auf. Hier muss der Bundestag unbedingt nachbessern. Unser aller Ziel muss schließlich sein, die Lieferengpässe nachhaltig zu bekämpfen.

Die Medikamentenversorgung wird zudem nur besser werden, wenn es uns gelingt die Abhängigkeit der EU vom Arzneimittelimport deutlich zu verringern. Die EU ist bei der Herstellung von Wirkstoffen, chemischen Substanzen und Medikamenten zunehmend von Drittländern abhängig. Der Anteil der Wirkstoffproduktion Asiens liegt derzeit bei 60%. Die Konzentration auf wenige Hersteller in wenigen Exportländern erhöht die Gefahr von Lieferunterbrechungen enorm.

China stoppte beispielsweise Ende 2022 den Export von Ibuprofen und Paracetamol. Deswegen muss die Pharmaindustrie in Europa, aber besonders auch in NRW gestärkt werden. Sinnvoll ist eine breitere Aufstellung von Lieferketten. Lokale Produkte werden zwar vermutlich immer zu höheren Kosten führen. Auf Dauer wird es aber die Versorgungssicherheit steigern. Die Gesundheit unserer Kinder muss uns das Wert sein.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.